Brucker Skulpturenpfad:Liebende Säulen und ein überdimensionales Weizenkorn

Die Kreisstadt hat endlich einen kompletten Skulpturenpfad - zumindest für die kommenden zwei Jahre. Was danach mit den 10 Werken geschieht ist allerdings offen.

Florian J. Haamann

Blick in den Himmel

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(Foto: Johannes Simon)

Der Gerbelpark an der Kreuzung von Augsburger und Maisacher Straße bietet sich als Startpunkt für die Erkundung des neuen, temporären Skulpturenpfades in Fürstenfeldbruck an. Denn Mitten im Park steht Thomas Lenharts massive und dabei filigrane Stahl-Skulptur "Vertikaler Fadenschein". In einem massiven Gerüst hat Lenhart einen einzigen, 300 Meter langen Edelstahlfaden scheinbar endlos eingearbeitet. Am eindrucksvollsten wirkt die Arbeit, wenn man sich als Betrachter mitten in sie hinein stellt und den Blick Richtung Himmel hebt. Je nach Standpunkt und Sonnenlicht verändern sich die geometrischen Strukturen, die der Stahlfaden bildet, permanent. Aber auch ein flüchtiger Blick von der Seite, beim gemütlichen Vorbeispazieren etwa, eröffnet interessante Ansichten.

Hommage

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(Foto: Johannes Simon)

Eine Hommage an die menschliche Figur soll die Stahlplastik von Hansjürgen Vogel sein, die im Gerbelpark zu sehen ist. An der runden, weichen Formen, mit der sich die Skulptur in die Höhe reckt, lässt sich die Intention des Künstlers durchaus erahnen - auch wenn man die rostig-braune Figur mit ihren silbernen Fühlern auf der Spitze im ersten Moment auch für eine Insekt, am nahe liegendsten wohl für eine kräftige Nacktschnecke halten könnte. Und so macht diese Skulptur deutlich, worum es gerade bei Kunst im öffentlichen Raum geht: Jeder Besucher kann und soll sich seine eigenen Gedanken zum Gesehenen machen, Erfahrungen damit verbinden und vielleicht jedes Mal, wenn er daran vorbei geht, etwas neues entdecken.

Liebende Säulen

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(Foto: Johannes Simon)

Es ist eine geradezu tragische Liebesgeschichte, die Daniel Huss mit seinen beiden Figuren "Lovepillar", also "Liebessäule," erzählt. An zwei massive Baumstämme hat er dafür mit Spanngurten zwei Betonfiguren festgezurrt. Etwas abseits des Weges stehen sie nun im Stadtpark, sind sich nah und werden sich dabei doch nie erreichen. Denn die Spanngurte, ebenso wie ein kleiner Mauervorsprung, auf dem eine der Figuren steht, werden sie zumindest für die nächsten zwei Jahre gewaltsam voneinander trennen. Denn so lange sollen alle zehn Skulpturen des Pfades in Bruck stehen bleiben. Voraussichtlich wird eines der Werke danach von der Stadt angekauft und bleibt der Öffentlichkeit erhalten. Welches das sein wird, soll erst noch entschieden werden. Die anderen müssten von den Künstlern wieder abgebaut werden.

Die Natur des Menschen

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(Foto: Johannes Simon)

Zum Verweilen und Nachdenken über das Leben als solches lädt die Skulptur "Condition humaine" von Maria Rücker ein. In einer Ecke des Stadtparks steht der Sockel, auf dem ein riesiges Herz aus Knollenkalk liegt vor zwei Bänken, auf denen man als Besucher Platz nehmen kann, um mit Blick auf die Skulptur eine Auszeit von der Hektik der Welt nehmen kann. So ist das Herz das ideale Symbol für das, was der philosophische Begriff "Condition humaine" ausdrücken will: Nämlich die Frage nach der Natur des Menschen, den Grundlagen und Bedingungen des Lebens. Hannah Arendt etwa definiert 1958 in ihrem Buch "The Human Condition" das Handeln als die Tätigkeit, in der Mensch zum Menschen wird. Eine Aussage die so bedenkenswert und auch kontrovers ist, dass man viele Stunden an diesem Ort über sie sinnieren kann.

Ohrwurm an der Amper

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(Foto: Johannes Simon)

Arthur Hamiltons sentimentales Liebeslied "Cry Me A River" aus dem Jahr 1953 wurde in den vergangenen Jahrzehnten von so vielen Musikern interpretiert, von Ella Fitzgerald über Joe Cocker bis zu Michael Bublé, dass man heute kaum noch weiß, von wann es stammt oder für wen es geschrieben wurde. Doch gerade weil es so oft aufgenommen wurde, hat wohl jeder die Melodie samt Titelzeile im Kopf. Und unweigerlich wird sie im Kopf abgespielt, wenn man die Skulptur von Tobias Freude am Amperkanal im Stadtpark entdeckt. In großen Marmor-Buchstaben steht sie da, gegenüber dem Weg. Gerade jetzt, wo die Amper ein wenig höher steht und schneller fließt als normal, reißt die Skulptur den aufmerksamen Sparziergänger aus seinen Gedanken und entführt ihn kurz in eine Welt von Liebe und Schmerz.

Leib und Seele

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(Foto: Johannes Simon)

Dass Kunst im öffentlichen Raum immer auch von ihrer Umgebung beeinflusst wird und sich durch die Witterung permanent verändert, zeigen die zwei Holzelemente von Iris von Huene, die hinter dem Parkplatz des Veranstaltungsforums zu sehen sind. Der Regen der vergangenen Tage hat sich im Innern der Schalen gesammelt, was sie wie kleine Tränken für die Hunde, die in der Umgebung spielen, wirken lässt. Gedacht sind die beiden Schalen allerdings als "Leib" und "Seele" - die wiederum im Bezug zum Kloster stehen, dass den Menschen früher sowohl körperliche als auch geistige Nahrung gegeben - und damit die Schalen gefüllt hat. Diese Nahrung wiederum schafft für die Künstlerin eine Verbindung zwischen Stadt und Kloster.

Plan und Realität

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(Foto: Günther Reger)

Kunst ist immer auch ein Experiment, ein Herantasten an die Umsetzbarkeit einer Idee in die Realität. Denn was in Gedanken und Plänen wunderbar funktioniert, muss nicht immer aufgehen. So wie bei der Bambusskulptur von Peter Neuberger, die auf einem Teich hinter dem Parkplatz des Veranstaltungsforums schwimmt. Nachdem Neuberger die Figur dort aufgestellt hatte, war sie relativ schnell umgefallen und für einige Tage im Teich gelegen. Also musste der Künstler nachbessern, mehr Kanister, die für Auftrieb und Stabilität sorgen, am Gerüst anbringen. Nun schwimmt die Skulptur wieder und offenbart dem Betrachter je nach dessen Standpunkt und je nachdem, wie ruhig oder unruhig das Wasser ist, spannende Spieglungen, die mit dem Objekt verschmelzen.

Surreal überdimensional

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(Foto: Johannes Simon)

Unter dem Holzpavillon im Innenhof des Klostergeländes hat Hermann Bigelmayr dieses überdimensionale Weizenkorn aus Eiche geschaffen. Es wirkt, als sei es vor Jahrhunderten von irgend einem der Mönche in einem tiefen Keller des Klosters vergessen worden und dort unter mysteriösen Umständen nicht verfault oder vertrocknet, sondern entgegen alle Gesetze der Biologie immer weiter gewachsen und nun nicht von Künstlerhand geschaffen, sondern dort entdeckt und ans Tageslicht befördert worden. Und es wirft die Frage auf, wie einfach die Ernährungsprobleme auf der Welt zu lösen wären, wenn solch große Getreidekörner wirklich existieren. Gleichzeitig erinnert es in seiner Surrealität aber auch daran, dass Wachstum eben Grenzen hat und Ressourcen deshalb verantwortungsvoll verteilt werden müssen.

Wechselspiel

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(Foto: Johannes Simon)

Der Reiz der Skulptur "Winkel" von Esther Balàzs liegt im Wechselspiel mit dem Wasser der Amper, in der sie mitten im Kloster steht. Durch ihre bloße Anwesenheit verändert die Skulptur den Lauf des Wassers und lenkt damit automatisch den Blick auf die Amper, die nicht nur Erholungs- und Naturbereich ist, sondern gerade für das Kloster auch Lebensader war. Mit ihrer strengen, unnatürlich geometrischen Form und der grellroten Farbe wirkt die Skulptur dabei erst einmal wie ein Fremdkörper im Wasser und der gesamten Umgebung. Doch trotz dieses markanten Bruchs fügt sie sich doch harmonisch in ihre Umwelt ein. Genau so, wie sie zwar den Lauf des Wasser stört, kleine Verwirbelungen bildet. Aber nur für einen Moment, denn hinter und vor den Stahlstäben fließt die Amper ganz unbeeindruckt weiter.

Spirituelles Labyrinth

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(Foto: Johannes Simon)

Gleich einer Mischung aus spirituellem Steinkreis und mannshohem Irrgarten erhebt sich die Skulptur "Labyrinth" von Hilde Seyboth neben der Einfahrt zum Fürstenfeld-Parkplatz. Sie besteht aus drei konzentrischen Kreisen farbiger Robinienstämme. Jeweils zwei grüne Stämme zwischen den blauen Stämmen bilden den Eingang zum nächsten Kreis. Wer sich bis ins Innere vorwagt, den überkommt leicht das Gefühl, dass er dort an einem magischen Ort steht, dass er ein kleines und hölzernes Stonehenge entdeckt hat. Gleichzeitig macht sich aber auch eine gewisse Beengtheit breit, ein Gefühl des Gefangenseins. Und so löst "Labyrinth" vielleicht noch stärker als die anderen gezeigten Skulpturen, bei jedem Betrachter tiefe und starke Emotionen, Gefühle und Erinnerungen aus.

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