Gröbenzell:Von Barock zu Rock

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Das Schlusskonzert der Konzertreihe mit Stefan Temmingh (Blockflöte) und The Gentleman's Band. (Foto: Johannes Simon)

Stilistische Berührungspunkte mit dem Flötisten Stefan Temmingh und "The Gentleman's Band" in Gröbenzell.

Von Klaus Mohr, Gröbenzell

Rock- und Barockmusik sind sich manchmal näher als man es vermuten möchte. Zwar liegt vom Begriff her keine Verbindung vor, in wesentlichen Punkten der Aufführung und der Wirkung von Musik aber durchaus. Der Blockflötist Stefan Temmingh ist quasi der Frontman seiner Gruppe "The Gentleman's Band", er steht in der Mitte und im Mittelpunkt, könnte aber ohne den Background kaum eine so faszinierende klangliche Überzeugungskraft entwickeln. Temminghs melodischer Mitstreiter im Sinne eines Sidemans war beim Konzert am Samstag Benny Aghassi am Barockfagott - beide Musiker ließen sich immer wieder phasenweise den Vortritt. Margit Übellacker (Salterio, zu Deutsch: Hackbrett) und Wiebke Weidanz (Cembalo) bildeten durch ihren mitunter perkussiven Groove die Rhythm Section der Band, Reinhild Waldek ergänzte die harmonische Basis mit den Klängen ihrer Barockharfe. Diese Besetzung ist nicht original barock, auch wenn alle Instrumente zu dieser Zeit bereits etabliert waren. Es entspricht aber dem Brauch der Barockzeit, flexibel mit vorhandenen Möglichkeiten umzugehen und Werke entsprechend zu adaptieren.

Die Musik, die zum Abschluss der 32. Saison der "Gröbenzeller Konzertreihe" im Saal der Steinerschule zu hören war, beinhaltete hochbarocke Musik mit dem Zentrum Georg Friedrich Händel sowie italienischen, deutschen und englischen Kompositionen. Eine wichtige Rolle spielen in der Rock- und Popmusik "Loops", also immer wieder wiederholte Schleifen, die zur Grundlage von Songs werden. Auch die Barockmusik kannte solche "Grounds", deren Akkordfolgen zur Konstante ganzer Stücke wurden. In "Division on a Ground" von Gottfried Finger stellte die Harfe die Folge aus vier Akkorden vor, an der sich dann nach und nach alle Instrumente in wohligen Wiederholungen beteiligten. Das vielleicht berühmteste Thema ist "La Follia". Hier übernahm die Flöte die Variationen, teilweise auch in Sexten mit dem Fagott. Mit fast tonlosen Tontupfern trat die Flöte aber auch in Korrespondenz mit Cembalo und Hackbrett. Das Stück "Greensleeves" vereint eine eingängige Melodie mit einem Begleitmuster. Zahlreiche Umspielungen von Tenorflöte und Fagott führten immer wieder neue Variationsmöglichkeiten vor.

"Oper ohne Worte" könnte die Überschrift über vier Nummern aus Opern von Georg Friedrich Händel lauten, die den Abend eröffneten. Melodieträger waren die verschiedenen Flöten sowie das Barockfagott. Straff, aber nicht militärisch, gab sich die Ouvertüre zu "Rinaldo". Pastoralen Duktus verbreiteten Hackbrett und Harfe in "Tornami a vagheggiar" aus "Alcina", und diesem weichen Klang schlossen sich die anderen Instrumente wunderbar an. Aus der Gegenüberstellung von ausdrucksvollen Melodielinien in der Flöte und eher punktuellen Klängen von Harfe und Hackbrett beeindruckte "Lascia ch'io pianga" aus "Rinaldo".

Arcangelo Corellis zwölf Sonaten für Violine und Basso continuo op. 5 bezeichnen exemplarisch die Kompositionskunst des Meisters. Hier erklang die Nummer 10 in einer Transkription für Sopranflöte und Cembalo. Was im Schlusssatz (Gavotta: allegro) zu hören war, grenzte in der Flöte fast an Hexerei: Ganz rasche Tonleiterausschnitte unterschieden sich bei toller Prägnanz kaum noch von Glissandi, manche Passage geriet im doppelten Sinn geradezu atemberaubend und konkurrierte mit Vogelgezwitscher.

"Venti turbini" aus "Rinaldo" bildete den Schluss des Programms. Höchst vitale Musik entstand hier durch Wiederholungen und die sich abwechselnd führenden Instrumente Flöte und Fagott. Dass Stefan Temmingh das Schlusssolo dem Fagottisten überließ, stellte eindrucksvoll unter Beweis, dass sich der Flötist der Verdienste seiner Musikerkollegen im Hinblick auf die künstlerische Qualität bewusst ist. Am Ende war es dann noch einmal wie bei Popmusik: Beifall und Jubel mischten sich lautstark, auf der Bühne präsentierten sich die Stars, die dann noch eine Zugabe draufsetzten.

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