Ortsgeschichte:Mit der Bahn kommt der Aufschwung

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Der Bahnhof Türkenfeld um 1902. (Foto: Gemeindearchiv Türkenfeld)

Beim Bau der Strecke von München ins Allgäu wird die Station Türkenfeld geschaffen. Aus dem Umschlagplatz für Holz sollte noch viel mehr werden.

Von Manfred Amann, Türkenfeld

Die Eisenbahnlinie zwischen Pasing und Kaufering, die am 1. Mai 1873, als letzter Streckenteil der "Allgäu-Bahn" eröffnet wurde, hatte für alle anliegenden Orte nachhaltige Folgen, landschaftlich und wirtschaftlich. Welche Auswirkungen die neue Verkehrsart und die Einrichtung eines Bahnhofes in Türkenfeld nach sich zog, darüber hat Ortsarchivar Dieter Heß Fotos, Landkarte, Postkarten und Schriftstücke zusammengetragen, die er Interessierten gerne zeigt und mit Erinnerungen ergänzt. "Viel Stoff" sei dazu bearbeiten, aber "es gibt auch Bereitschaft zur Mitarbeit bei alteingesessenen Türkenfeldern", freut sich Heß, der seine Forschungen noch fortsetzen wird. In Bildvorträgen, die wegen der beengten Verhältnisse im Archiv im Keller des Kindergartens Sumsemann nur in kleinen Gruppen erfolgen kann, zeigt Heß zunächst, wie Türkenfeld zu seinem Bahnhof kam.

Grundlage war das Gesetz vom 29. April 1869 für den Bau der Linie von München über Buchloe nach Memmingen, und schon bald darauf war mit den Erdarbeiten für eine zweigleisige Trasse begonnen worden. Verlegt wurde aber vorerst nur ein Gleis. Nach mündlichen Überlieferungen sollte die Bahnlinie ursprünglich mitten durch das Dorf parallel zum Höllbach nördliches des Fugger-Schlosses verlaufen. "Die Einwohner waren davon aber wenig begeistert", weiß Heß, denn sie hätten Lärm und Funkenflug befürchtet, und die Bauern hätten eine Zerstückelung ihrer ohnehin kleinen Feldstreifen abgelehnt. Außerdem hatten sie Sorge, die Dampflok könnte mit Funken Getreidefelder in Brand stecken. Schließlich wurde die Trasse südöstlich um das Dorf herumgeführt und so das Dorf nicht geteilt. Davon ist heute kaum noch was zu bemerken, denn mittlerweile ist Türkenfeld nicht zuletzt auch wegen der Eisenbahn so gewachsen, dass die Bahnlinie den Ort doch durchschneidet. Um 1870 hatte Türkenfeld etwa 500 Einwohner, heute sind es um die 3800.

Sorge vor dem Funkenflug

Mit der Verlegung nach außen sparte sich die Bahn den Bau von Übergängen. Wie Heß belegen kann, wurden im Laufe der Zeit drei Übergänge geschaffen, von denen heute keiner mehr existiert, sie wurden durch neue und Unterführungen ersetzt. In der Anfangszeit verkehrten nur vier, fünf Güter- oder Postzüge, mit dem Aufkommen der Sommerfrische kamen dann auch Personenzüge hinzu. Und weil die Bahn als Transportweg immer wichtiger wurde, wurde die Strecke Ende 1906 schließlich zweigleisig in Betrieb genommen.

Eine Fotografie aus dem Jahr 1957 zeigt die westliche Auffahrt der Zankenhausener Brücke und einen durchfahrenden Dampfzug. (Foto: Gemeindearchiv Türkenfeld)

1967 war die Elektrifizierung der Strecke abgeschlossen, Dazu hatten zuvor die Eisenbahnbahnbrücken durch höhere ersetzt werden müssen, um Platz für die Oberleitungen zu haben. Auf alten Karten und Luftbildern ist zu erkennen, dass es neben dem "Standard-Empfangsgebäude mit Sichtziegeln" Toiletten (Abtritte) gab, an Bahnübergängen Bahnwärterhäusl und an den Aus-/ Einfahrtsweichen "Wechselwärterhäuschen" (für Weichenwärter) standen. Auffällig ist, dass die Türkenfelder Bahnstation sehr großzügig angelegt wurde. Dies liegt laut Heß daran, dass die Trasse der Ammerseebahn (Mering-Weilheim) ursprünglich über Türkenfeld verlaufen sollte. "Der Geltendorfer Bahnhof war noch nicht gebaut und die nächste Station war Schwabhausen", weiß der Ortskundler. Da das Kloster kostenlos Grund zur Verfügung gestellt habe, um sich eine Bahnstation zu sichern, sei die Trasse der Ammerseebahn schließlich doch nicht über Türkenfeld gebaut worden.

Torf zum Heizen der Sudkessel

Bis 1912 waren in Türkenfeld auch die Bahnmeisterei und eine Wasserstation zum Befüllen der Dampfloks stationiert, beide Einrichtungen wurden später nach Geltendorf verlegt. Im Bereich des Bahnhofs wurde 1905 ein Sägewerk errichtet, das vor allem Kantholz und Bretter in die damalige Königsstadt München lieferte.

Fahrradständer außen, Toiletten innen - eines der Gebäude am Bahnhof Türkenfeld. (Foto: Gemeindearchiv Türkenfeld)

Auch Torf, der im Emminger Moor südwestlich des Dorfes gestochen wurde, wurde mit der Bahn in die Landeshauptstadt transportiert und in den Brauhäusern Löwen- und Unionsbräu zum Heizen der Sudkessel verwendet. Zur Geschichte der Eisenbahn gehört aber auch eine Reihe teils schwerer Unglücksfälle. 1897 wurde zum Beispiel zwischen Grafrath und Türkenfeld ein Bahnwärter überfahren, 1898 und 1899 entgleisten mehrere Waggons und 1905 kam es zum wohl schlimmsten Unfall. Westlich von Türkenfeld war ein Schnellzug von München nach Lindau mit einem Güterzug zusammengestoßen, wobei es mehrere Verletzte und einen Toten gegeben hatte.

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