Kultur:Musikalische Kraft der Bilder

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Hauptakteur in Mendelssohn Bartholdys Oratorium "Elias" ist der Chor. (Foto: Günther Reger)

Mendelssohns Oratorium "Elias" mit Bach-Chor und Bach-Orchester in der Klosterkirche als echtes Glückserlebnis.

Von Klaus Mohr, Fürstenfeldbruck

Felix Mendelssohn Bartholdys Oratorium "Elias" gehört zu den bedeutendsten Schöpfungen dieser Gattung. Das liegt sicher ganz wesentlich an den starken Bildern, die dem Zuhörer vor Augen gestellt werden. In der alttestamentlichen Figur des Elias steht ein Mensch im Mittelpunkt, dessen Kraft und Kraftlosigkeit nahe beieinander liegen - und das Publikum wird dabei Zeuge dieser menschlichen Erfahrungen. Die Seelenzustände von Elias berühren den Zuhörer, weil jeder Einzelne ähnliche Lebenserfahrungen kennt. Mendelssohns Musik verstärkt diese Gefühle auf sehr intensive und beeindruckende Weise.

Wenn Bach-Chor und Bach-Orchester Fürstenfeldbruck unter der Leitung von Gerd Guglhör den "Elias" in der Klosterkirche Fürstenfeld zur Aufführung bringen, dann kommt ihnen dieses Werk wunderbar entgegen: Hauptakteur in verschiedenen "Rollen" ist im "Elias" der wandlungsfähige Chor. Als klangliches Fundament ist ein gut besetztes Streichorchester erforderlich, das um qualifizierte Bläser erweitert wird. Genau diese Voraussetzungen sind hier exemplarisch gegeben. Damit fehlen nur noch leistungsstarke und gut untereinander abgestimmte Vokalsolisten. Einen fast unglaublichen Glücksgriff hat Gerd Guglhör mit der Verpflichtung des Bassisten Daniel Ochoa für die Rolle des Elias getan. Hinzu kamen Susanne Bernhard (Sopran), Seda Amir-Karayan (Alt) sowie Andreas Post (Tenor). Weiter waren ein Knabensolist der Augsburger Domsingknaben sowie die Altistin Julia Schneider zu hören.

Einleitung und Ouvertüre kommt im Elias die Funktion zu, eine Stimmung zu zaubern, die Grundlage für das Oratorium ist. Der dunkle Klang und die kraftvoll-düstere Atmosphäre der Einleitung gelangen sehr überzeugend, so dass das Wort des Propheten Elias Gewicht hatte. Die Ouvertüre strahlte trotz ihres gedeckten Klangs Vitalität aus, in der Akustik der Klosterkirche entstand die richtige Balance aus durchhörbarer Klarheit und warmer Mischung. Daraus ergab sich der große Eingangschor "Hilf, Herr!", der sorgsam von der horizontalen Linie her entwickelt war, aber trotzdem gesättigte, ja profunde Klangmacht ausstrahlte.

Prachtvoll geriet auch der Chor "Fürchte dich nicht". Die Verzahnung von homophonen mit imitatorischen Abschnitten zeigte helle Strahlkraft im gemeinsamen Duktus ebenso wie sorgsam austarierte Einzelstimmen, die sich ganz selbstverständlich zu einem großen Ganzen zusammenfügten. Plastische Wirkung erzielte die Gegenüberstellung von Frauen- und Männerstimmen im Chor "Baal, erhöre uns", weil der appellative Charakter dadurch inniger wahrgenommen wurde. Ein Stück dem Himmel näher begeisterte der rein und makellos singende Knabensolist von der Kanzel herab. Theatralisch effektvoll eingebaut war seine Partie in eine Szenerie mit Elias, Obadjah und dem Chor, der das Volk darstellte.

Wenn ein Solistenquartett mehr "Quartett" als "Solist" ist, dann kann sich durch die verschmelzenden Stimmen ein Glückserlebnis einstellen - was nicht allzu oft vorkommt. In diesem Konzert war es der Fall, zum Beispiel in "Wirf dein Anliegen auf den Herrn". Die Innigkeit, die sich hier musikalisch ergab, fand ihre inhaltliche Entsprechung in der Zuversicht, die aus dem Text sprach. Aber auch die Korrespondenz, die Ergebnis der Kombination des Solistenquartetts mit dem Chor in "Heilig ist Gott der Herr" war, war von großem Einfühlungsvermögen getragen.

Für Ausführende und das sehr zahlreiche Publikum war es nach coroabedingter Pause eine erfüllende Erfahrung, ein so großes Oratorium wieder an diesem Ort zu erleben. Dem Beifall nach zu urteilen, dürften die Besucher außer dem musikalischen Erlebnis auch eine innere Stärkung in dieser schwierigen Zeit mitgenommen haben.

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