292 Euro groß ist der Unterschied zwischen dem Landkreis Fürstenfeldbruck und dem brandenburgischen Elbe-Elster-Kreis, wenn ein Rentner hier oder dort für tausend Euro einkauft. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die das Wirtschaftsforschungsinstitut Prognos für die Initiative "7 Jahre länger" erstellt hat. Untersucht wurden 401 Landkreise in ganz Deutschland, der Warenkorb war speziell für die Bedürfnisse älterer Menschen ausgelegt. Die Landeshauptstadt und der Landkreis München belegen die ersten beiden Plätze, Fürstenfeldbruck folgt auf Rang neun. Die Konsequenzen der unterschiedlichen Kaufkraft werden im Landkreis an verschiedenen Stellen sichtbar: Bei den Tafeln, wo mehr als die Hälfte der Kunden im Rentenalter ist - und weiblich; beim VdK, wo die Mitarbeiter immer wieder erleben, dass alte Menschen weit wegziehen müssen, weil die Miete für sie hier zu teuer ist; bei der Schuldnerberatung.
"Der Wohnort hat großen Einfluss auf die Lebenshaltungskosten und damit den Wohlstand im Alter", sagt Studienautor Heiko Burret. Teurere Gegenden müssten aber nicht zwangsläufig unattraktiver sein, da die Löhne und somit auch die Renten dort tendenziell höher seien als in günstigeren Regionen. "Einbußen beim Lebensstandard drohen überall dort, wo die Alterseinkünfte im Verhältnis zum regionalen Preisniveau sehr niedrig ausfallen", so Burret.
Das deckt sich mit Zahlen aus dem Landkreis, die für eine Studie zur Altersarmut in Puchheim 2019 veröffentlicht wurden. Demnach sind im gesamten Landkreis 1,7 Prozent der Senioren arm, in Puchheim 2,1 Prozent; der bayerische Durchschnitt liegt mit 2,7 Prozent deutlich darüber. Wobei man annehmen darf, dass die Dunkelziffer höher ist. Nach einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft beantragen nur rund 38 Prozent der betroffenen Senioren Grundsicherung.
Der Anteil an armen Rentnern scheint also verhältnismäßig niedrig zu sein im Landkreis. Dennoch sind es in konkreten Zahlen ausgedrückt zu viele: 1319 Personen haben vor zwei Jahren die Grundsicherung im Alter bezogen. Zehn Jahre früher waren es 1050, der Anstieg in diesem Zeitraum betrug etwa 26 Prozent. Einen Eindruck davon, wie sich die Situation der Rentner entwickelte, hat Renate Koemm in ihrer Zeit bei der Schuldnerberatung der Caritas gewonnen. "Unsere Klienten werden älter", stellte Koemm kurz vor Ende ihrer Berufstätigkeit im Juni letzten Jahres fest. "1993 gab es niemanden über 60." Im Jahresbericht 2018 heißt es: "Der Anteil der 65-jährigen Klienten nahm deutlich zu." Der Kommentar der Sozialpädagogin: "Es ist so ein Absturz des Mittelstandes mit diesen niedrigen Renten." Deshalb empfiehlt sie jedem dringend, den Renteneintritt gut vorzubereiten.
Die geringe Kaufkraft der Renten im Großraum München, oder anders ausgedrückt: die hohen Lebenshaltungskosten, bewirken, dass sich manche Rentner das Leben hier nicht mehr leisten können. Das berichtete der damalige VdK-Geschäftsführer Felix Hechtel bereits 2018 in einem Interview: "Ich habe immer wieder Rentner da, die sagen, ich kann hier nicht mehr leben. Ich kaufe mir oder miete mir ein Haus im Bayerischen Wald. Das ist ja einerseits schön von der Landschaft her. Aber man muss andererseits auch sehen, diese Menschen geben ihre Umgebung auf, ihr soziales Umfeld, alle Freunde, Bekannte, Vereine - nur weil sie sich keine Wohnung mehr hier leisten können."
Das erlebt auch der Leiter des Sozialreferats im Landratsamt, Johannes Loibl. Er berichtet von Rentnern, die zusätzlich arbeiten, wegen einer Mieterhöhung ihre Wohnung verloren haben oder die gut zwei Drittel ihres Einkommens fürs Wohnen ausgeben müssen. Nach seinen Berechnungen ist der Anteil an Menschen, die Grundsicherung im Alter beziehen, in den letzten zehn Jahren um 31 Prozent gestiegen. "Das ist wirklich eine exorbitante Steigerung", betont Loibl. "Das kommt eindeutig daher, weil bei uns die Lebenshaltungskosten so hoch sind." Der Referatsleiter zielt in erster Linie auf die hohen Mieten ab.
Vielen Rentner reichen ihre Einkünfte kaum, das wird auch bei der Tafel deutlich. "Wir merken das ganz krass. Unsere Kunden sind 60 Prozent Rentner, vor allem Frauen", berichtet Lydia Bartels. Sie ist fast von Beginn an bei der Brucker Tafel dabei, die - wie alle vier Tafeln im Landkreis - von der Bürgerstiftung für den Landkreis betrieben wird. "Man muss sich diese Frauen vorstellen. Die haben Kinder großgezogen, und der Mann hat gearbeitet." Und nun fehle ihnen eine eigene Rente in angemessener Höhe. Stirbt der Mann zuerst - statistische Realität - bleibt der Witwe ein kleiner Abschlag von 25 Prozent des letzten Gehalts des Mannes.