Amtsgericht:In sozialen Medien zu Straftaten aufgefordert

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Für einen demokratiefeindlichen Facebook-Kommentar erhält ein 56 Jahre alter Angeklagter eine Bewährungsstrafe. Volksverhetzung sieht das Gericht darin allerdings nicht.

Von Davide De Luca, Fürstenfeldbruck

"Eine Kugel zwischen die Augen und dann ist Schluss!" Diesen Kommentar schrieb der 56-jährige Angeklagte in einer Facebook-Kommentarspalte. Der Kommentar soll sich auf die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel bezogen haben. Der Vorsitzende Richter Martin Ramsauer verurteilte den Angeklagten vor dem Amtsgericht Fürstenfeldbruck wegen der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten auf Bewährung.

Den Kommentar soll der Angeklagte unter den Beitrag einer anderen Nutzerin geschrieben haben. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft seien beide Mitglieder einer "dem demokratischen Rechtsstaat abgewandten" Facebook-Gruppe gewesen. In dieser Gruppe sei es vermehrt zu problematischen Aussagen gekommen. "Allesamt erschießen und erhängen sollte man sie!", und: "Grünes Gesindel!", seien nur zwei der vielen Beispiele. Mehr als 4500 Accounts zählte die Gruppe. Von menschenverachtenden Inhalten spricht der Staatsanwalt.

Die Facebook-Gruppe war der Polizei und der Staatsanwaltschaft schon länger aufgefallen. In mehr als 30 Verfahren wurden überregional die Ermittlungen aufgenommen. So auch im Fall des Angeklagten vor dem Amtsgericht Fürstenfeldbruck. Als einziger Zeuge berichtet ein 37-jähriger Polizeibeamter aus dem Landkreis, wie die Ermittlungen stattgefunden haben. Es wurde zunächst die Wohnung des - zu dem Zeitpunkt noch - Verdächtigen durchsucht.

Dort habe man verschiedene Beweismittel sichergestellt. Unter anderem das Mobiltelefon, von dem aus der Kommentar geschrieben wurde. In der digitalen Forensik ergab sich, dass der Angeklagte mit seinem Smartphone zur Tatzeit auf den Beitrag mehrmals zugegriffen hat. Dies wurde über die Cookies nachvollzogen. Der Kommentar selbst konnte zwar gesichtet werden, wurde im sozialen Netzwerk aber inzwischen gelöscht.

Zu seiner Verteidigung hatte der Angeklagte nicht viel zu sagen. Er beharrte auf dem Standpunkt, er wisse nichts von einer Facebook-Gruppe. Er müsse wohl "gehackt" worden sein. Das sei "heutzutage" keine Seltenheit. Er jedenfalls habe den Kommentar nicht verfasst. Weder für die Staatsanwaltschaft noch für das Gericht erschien diese Erklärung plausibel. Zu eindeutig seien die Ergebnisse aus den Ermittlungen der Polizei. Zudem passe die gesamte Präsenz des Angeklagten auf den sozialen Medien "zum Bild" der Facebook-Gruppe und zum Kommentar. Richter Ramsauer zeigt in der Verhandlung das Profilbild des Angeklagten. Auf dem Bild ist die Aufschrift zu lesen: "Und dieses Volk sagt, es reicht!"

Die Staatsanwaltschaft sah auch die Voraussetzungen einer Volksverhetzung als erfüllt an. Als Volksverhetzung gilt unter anderem das Aufrufen oder Aufhetzen gegen eine bestimmte Gruppierung. Laut Staatsanwalt sind in diesem Fall Politiker als Gruppe gemeint. Richter Ramsauer folgt dieser Ansicht nicht und gibt in der Begründung des Urteils an, dass es nicht feststellbar sei, ob der Angeklagte die Gruppe der Politiker meinte oder die Politikerin Angela Merkel als Einzelperson. Die Entscheidung habe sich das Gericht nicht leicht gemacht, aber im Zweifel für den Angeklagten entschieden. Daher die Verurteilung wegen öffentlicher Aufforderung zu einer Straftat.

Entscheidend hierfür ist laut Urteil, dass die Möglichkeit bestand, jemand könnte der Aufforderung nachkommen, also Angela Merkel tatsächlich erschießen. Man wisse eben nicht, welchen Adressaten der Kommentar treffe und wer eine solche Aussage gegebenenfalls zum Anlass nehme, tatsächlich tätig zu werden. Dadurch, dass der ehemaligen Bundeskanzlerin nichts zugestoßen ist, gilt ein vergleichsweise geringes Strafmaß. Wäre sie erschossen worden, würde der Angeklagte als Anstifter gelten. Das heißt, er bekäme die gleiche Strafe wie der Täter selbst. Bei Mord beispielsweise: lebenslänglich. Dem Angeklagten stehen nun die üblichen Rechtmittel zur Verfügung, um gegen das Urteil vorzugehen.

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