Ungewöhnliche Talentsichtung:Wenn Übergewicht eine sportliche Perspektive eröffnet

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Beim Training mit der zweiten Mannschaft der Fursty Razorbacks lernt ein Probekandidat (graue Hose) gleich mal den Sport hautnah kennen. (Foto: Günther Reger)

Warum die American Footballer in Fürstenfeldbruck ganz besonders schwere Jungs suchen.

Kolumne von Christian Hufnagel

Der Dicke - er landet beim Fußball im Tor. Das ungeschriebene Gesetz des Bolzplatzes ist da gnadenlos. Wer zu viel auf den Rippen trägt, der hat draußen keine Chance. Der wird bei der Mannschaftswahl herzlos übergangen, bleibt als Letzter übrig und wird zwischen die Pfosten verbannt. Auch wenn er am Ende so gut wie nichts hält. Und es ist vorauszusehen, dass diese Erfahrung dem Selbstbewusstsein nicht besonders gut tut und dem derart Abgeschobenen der Spaß am Kicken schnell verloren geht.

Verständlich also, wenn Michael Dohrmann feststellt: "Schwere Jungs" dazu zu bewegen, eine sportliche Herausforderung anzunehmen, sei "wahnsinnig schwierig". Aber in dem Sport, den er vertritt, ist das eben möglich, wie der jüngste Aufruf wieder einmal gezeigt hat: "Wir suchen Jungs, die größer, schwerer und stärker als der Rest sind", lautete die Aufforderung. Und sechs, sieben kamen nun zu einem Probetraining, was der sportliche Leiter und Cheftrainer der U19-Junioren als eine "gute Quote" wertet.

Dohrmann steht einem Sport vor, dem fürwahr eine integrative Kraft zu eigen ist: dem American Football, betrieben in Fürstenfeldbruck unter dem wohlklingenden Namen "Fursty Razorbacks". Übergewichtige Menschen können hier eine sportliche Heimat finden. Football vereine Menschen mit den verschiedensten Qualitäten und sportlichen Eigenschaften zu einem Team, so Dohrmann: "Im Fußball ist der Rahmen, in dem sich die Spielertypen bewegen, deutlich enger." Schließlich benötigt der amerikanische Volkssport vom kleinen wendigen Athleten bis hin zum Gewichtskoloss gewissermaßen das ganze Spektrum körperlicher Erscheinungsformen.

Zum jüngsten Probetraining der American Footballer des TuS Fürstenfeldbruck erscheinen doch einige Interessierte (dunkle Hosen) in der Halle am Theresianumweg, um den Sport kennenzulernen. (Foto: Günther Reger)

Und den Übergewichtigen fällt auf dem Spielfeld nicht die Neben-, sondern sogar eine Hauptrolle zu: "Die schweren Jungs bilden die vordere Linie. Über sie kann das Spiel erst entstehen", erklärt der sportliche Leiter der Brucker Footballer. Und wer mit einem Körpergewicht im dreistelligen Bereich ausgestattet ist, der kann sich Hoffnung machen, sogar auf eine Karriere. Wer es aus Deutschland in die US-Profiliga geschafft hat, brachte laut Dohrmann ein Gewicht von "145 Kilo plus" mit. Was eine Ermutigung für Betroffene darstellen kann, am kommenden Sonntag, 12. Februar, das nächste Probetraining (mehr unter www.fursty-razorbacks.de) wahrzunehmen, um dort vielleicht ein dickes Ausrufezeichen zu setzen.

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