Abitur:Vom Freitag in die Zukunft

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Die Abiturienten feiern und lassen sich feiern an ihrem letzten Schultag. An sechs von sieben Gymnasien im Landkreis werden die Absolventen würdig verabschiedet. Eine Schule ist erst in der kommenden Woche dran

Von Valentina Finger, Marisa Gierlinger, Karl-Wilhelm Götte und Eirik Sedlmair, Fürstenfeldbruck

An den Gymnasien im Landkreis sind am Freitag die Abiturienten entlassen worden. In sechs der sieben Schulen wurde bei der Zeugnisübergabe gefeiert. Das Brucker Viscardi-Gymnasium feiert das Abitur in einer Woche.

Es ist auch am Max-Born-Gymnasium zur Tradition geworden, dass sich die Schüler am Tag ihrer Zeugnisverleihung in Schale werfen. Gemeinsam stellen sie sich dem Publikum vor. (Foto: Matthias F. Döring)

Die Qualität der Bildung

Lehrer sind wichtig in der Schule; besonders auch Lehrer, die für ihr Gehalt Qualität bieten und mitfühlende Menschlichkeit an den Tag legen. Denen sind die 151 Abiturienten des Max-Born-Gymnasiums (MBG) auch zu Dank verpflichtet. Doch bei der Abiturfeier in der voll besetzten Germeringer Stadthalle prasselten wahre Dankes-Elogen von Schülerinnen und Schüler auf das Lehrerpersonal herunter. Auch die Abiturienten Luisa Kleber, Janik Baricevic und Vincenzo Exacoustos überboten sich in ihren Lehrer-Schmeicheleien. Luisa Kleber setzte noch einen oben drauf und sagte zum Abschluss: "Danke auch an unseren wunderbaren Schulleiter." Sicherlich waren diese Abiturreden die bravsten des vergangenen Jahrzehnts.

So überraschte es auch nicht, dass Rektor Robert Christoph vor seiner Ansprache Auftrittsapplaus bekam und sofort anmerkte, dass die diesjährigen Abiturreden "sehr freundlich" ausgefallen wären. Er ließ durchblicken, dass er von der "Generation-Greta-Thunberg" mehr erwartet hätte. Christoph gefiel, dass beim Abistreich "Mauern in den Köpfen eingerissen worden sind". Noch besser gefiel ihm offenbar, dass ein Schüler die Marx-Engels-Gesamtausgabe mit auf eine einsame Insel nehmen würde, wie dieser in der Abizeitung mitgeteilt hatte. "Gibt es da ein Revival?", fragte der Schulleiter in die Runde, wohl wissend, dass das MEW-Gesamtwerk aus etwa 60 Bänden besteht. Oberstufenkoordinatorin Karin Lehner buchstabierte Abitur voll durch und erhielt für den Buchstaben T gleich "total toll" den meisten Applaus aus dem Saal. Lehner redete von einem ersten Schritt im Reifeprozess der Abiturienten. Landrat Thomas Karmasin, einst Absolvent des MBG, sprach vom "Nachreifen". "Das ist ein wunderbarer Friday für die besondere Future", so Karmasin, der empfahl das Handy eher auszuschalten als das Hirn. Wunschdenken gab es auch in den Reden. "Ihr seid mutig und ihr seid die Zukunft", legte Barbara Hagmann, die grüne Schulreferentin im Stadtrat, die von ihren Kindern, wie sie sagte, "zu Demos mitgenommen wurde", die Messlatte ziemlich hoch. Auch Schulleiter Christoph forderte von den 17- bis 19-Jährigen, dass sie "die freie Gesellschaft verteidigen und bewahren". Eine löbliche Aufforderung, die sich aber auch an alle anderen Generationen richten müsste, die es bisher nicht geschafft haben, dass unser Land die selbst gesteckten Klimaziele einhält und jetzt die Kinder zum Demonstrieren schickt.

Jule Kaserer (links) und Anna Strohmeier unterhalten ihre 74 Mitschüler, die Lehrer und die Eltern bei der Abiturfeier im Gymnasium Puchheim mit Anekdoten aus ihrer Schulzeit. (Foto: Matthias F. Döring)

Die Frage nach dem Wie

Eine Abiturfeier, bei der nicht auf Fridays for Future eingegangen wird, das kann man sich kaum mehr vorstellen. Bevor also am Gymnasium Puchheim die 76 Absolventen geehrt wurden, wurde über die Klimabewegung gesprochen. Schuldirektor Georg Baptist sagte in seiner Rede, man sei "sich einig, dass man was für den Klimaschutz tun muss". Nur bei der Frage nach dem "Wie" herrscht Uneinigkeit. Die Schulpflicht sei ein Zeichen des Rechtsstaats, deswegen findet Baptist den Verstoß dagegen nicht in Ordnung.

Puchheims Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) widersprach Baptist: "Sozialer Fortschritt ist nur mit Ungehorsam und mit Revoluzzergeist zu erreichen". Und eine Bewegung "Sundays for Future" hätte nicht die gewollte Aufmerksamkeit erzielt.

In der Aula der Puchheimer Gymnasiums wurde nicht nur über die Zukunft des Klimas gesprochen, sondern auch über die Zukunft der Abiturienten. "Es beginnt ein neuer Lebensabschnitt für euch", sagte der Schulleiter, "ohne den Rhythmus von Schultagen und schulfreien Tagen". Das Wichtigste in diesem Lebensabschnitt sei, dass man glücklich werde. Und das könne man nur erreichen, wenn man hart für seine Ziele arbeite, "sich aber ab und zu und auch eine Pause gönne." Auf die Balance komme es an.

Thomas Schaffrath-Chanson, Vorsitzender des Elternbeirats, sagte "Das, was ihr geschafft habt, ist eine ganz tolle Leistung." In Bildung zu investieren, lohne sich immer, so Schaffrath-Chanson weiter. Den Schülern riet er, "folgt euer Intuition". Dann könne man erfolgreich sein, im Leben und in der Wirtschaft. Die Abiturienten Julia Kaserer und Anna Strohmeier sagten, "wir können uns ein Leben ohne Schule kaum vorstellen". Sie seien gespannt auf das, was jetzt komme. Und sie fragten sich: "Fühlt sich so Freiheit an?"

Die musikalische Begleitung bei der Abiturfeier verlängert zwar sonst für die Schüler die Veranstaltung, die sie lieber schneller verlassen wollen, aber am Carl-Spitzweg-Gymnasium hörten alle gerne zu. (Foto: Matthias F. Döring)

Schmerzlos glücklich

Germerings Oberbürgermeister Andreas Haas (CSU) hielt sich wohltuend zurück mit Empfehlungen und Ratschlägen an die 138 erfolgreichen Abiturientinnen und Abiturienten des Carl-Spitzweg-Gymnasium (CSG) im Stadtteil Unterpfaffenhofen. "Sie kriegen das schon hin, ich vertraue ihnen", gab Haas den Schülern mit auf den Lebensweg und Erich Kästners Satz: "Das Leben ist immer lebensgefährlich." Die Abi-Prüfungen waren sehr anstrengend gewesen. "Der Schmerz hat ein Ende", war dann auch auf dem Feierprogramm aufgedruckt. Darüber stand das Wort "Abicetamol" - eine angebliche Pharma-Droge, die nach dem bestandenen Abitur nicht mehr benötigt wird. Haas baute zum Vergnügen des Saals das Drogenprogramm auf "Azubipirin, Uniprofen 1000 und Bufdi-Pan" aus.

Die stellvertretende CSG-Schulleiterin Sylvia Vitz vertrat nach dem Ausscheiden von Georg Gebhard den noch nicht berufenen neuen Schulleiter, gegen den ein Widerspruchsverfahren läuft. Vitz lobte den Notendurchschnitt von 2,29 und dass 40 Schülerinnen und Schüler die Note eins vor dem Komma haben. Fünf haben sogar mit 1,0 abgeschlossen. Fünf Minuten beschäftigte sie sich mit dem umstrittenen Mathe-Abitur. Am Ende hielt sie die Online-Petition, die bereits eine Stunde nach Prüfungsbeginn online ging, wohl eher für ein Fake. "Viel Lärm um Nichts", resümierte Vitz lapidar. Als sie die Fridays-for-Future-Demos erwähnte und die CSG-Schüler Naomi, Gustav und Undine per Foto auftauchten, brandete Beifall in der Aula auf. Ebenso für Fatbardha Nikci und ihre wunderschöne Sopran-Stimme bei Händels "Lascia ch' io pianga", begleitet von Philipp Oberparleiter auf dem Akkordeon. Undine Gwinner und Naomi Rentsch hielten eine launige Abiturientenrede. "Geliebt, gelobt, bestanden", wählten die beiden Rednerinnen als Motto. "Danke an die Menschlichkeit, die uns hier entgegengebracht wurde", sagten sie und schlossen dabei vor allem auch den langjährigen Schulleiter Gebhard mit ein. Nach dem "Reifezettel-Abholen" wäre jetzt erst einmal Entspannung an gesagt. "Hauptsache Spaß mit Maß", formulierten sie für die nahe Zukunft. Doch Gwinner und Rentsch ging es auch um mehr: "Lasst uns bis zum Ende der Menschheit die Welt verbessern - nicht nur bis 2050."

Volle Bühne und volles Haus in der Wildmooshalle Gröbenzell. Dort feiert das Gymnasium seine Abiturienten mit Orchester und Chor, die vom "Circle of Life" singen und musizieren. (Foto: Matthias F. Döring)

Adios Amigos

In der Wildmooshalle haben sich so viele Menschen für die Verabschiedung der Gröbenzeller Abiturienten eingefunden, dass einige sogar auf den Tribünen unter den Basketballkörben platznehmen mussten. Eingeleitet wurde die Feier vom großen Schulchor, der in eindrucksvoller Zahl "The Circle of Life" zum Besten gab. Schulleiter Boris Hackl griff nach einem ähnlichen Motiv und gratulierte den Schülern zum bestandenen Abitur als "erstem Schritt auf der Treppe des Lebens". "Bei der Energie, die ich gestern beim Abistreich erleben durfte, mache ich mir um Sie keine Sorgen!" Er freute sich über den reibungslosen Ablauf und die nennenswerten Leistungen bei den diesjährigen Prüfungen. Dabei hob er vor allem auch jene der Eltern hervor, welche die Schüler auf diesem Weg begleitet hatten.

Bürgermeister Martin Schäfer (UWG) bezeichnete das Abschlusszeugnis als "Schlüssel in die Freiheit", ermutigte aber auch jene, die es nicht geschafft hatten: große Denker und Politiker hätten die Schule vor dem Abi verlassen - nicht zuletzt er selbst. Nicht ohne es später nachzuholen, wohlgemerkt. "Aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen sagen: die kurvenreichen Wege sind oft die spannenderen, interessanteren und lehrreicheren."

Auch die restlichen Schüler des Gymnasiums zeigten sich sehr engagiert darin, den Abiturienten einen würdigen Abgang zu bereiten: neben anerkennenden Ansprachen der Schülervertreter gab es noch weitere musikalische Darbietungen von der Schulband und Moritz Marsch sowie eine Poetry Slam Performance zum Thema Mathematik von Lisa Beringer. Zum Schluss ergriffen die Gefeierten selbst das Wort. Sie appellierten dabei an das Bildungssystem, auf individuelle Stärken zukünftig mehr einzugehen. Natalie Jäger verabschiedete die Abiturklasse stellvertretend mit den Worten: "Nun können wir sagen: Adios Amigos, denn wir haben es geschafft!"

Royalen Glanz versuchen die Abturienten des Graf-Rasso-Gymnasiums am Freitag in ihre Abiturfeier zu bringen. Jakob Aumiller und Sophia Stadlmayer moderierten die Abschiedsveranstaltung für 112 Schüler. (Foto: Matthias F. Döring)

Royals in der Aula

Vor genau zehn Jahren prangte schon einmal eine Krone als Logo über den Abiturienten des Graf-Rasso-Gymnasiums: "Abistokratie" lautete 2009 das Motto, unter das die damaligen Absolventen ihren Schulabschluss stellten. In diesem Jahr traten die 112 Schülerinnen und Schüler, die am Freitag ihr Zeugnis entgegennahmen, als Grafschaft der "Westminster Abi" auf. Gefeiert wurde das königlich, inklusive rotem Teppich, einem Einmarsch zu einem Song von "Queen" und schillernden Diademen auf den Köpfen der Abiturientinnen. Deren Outfits reichten von Kleidern in Brokat-Optik, über lange Roben in Pink, Grün, Rosa oder Gold bis zu einem fast rebellischen Auftritt im roten Overall mit Turnschuhen. Mode war ohnehin ein Thema bei der Abiturfeier in der Aula, von dem türkisfarbenen Etuikleid von Schulleiterin Doris Hübler, das Moderatorin Sophia Stadlmayer als einer Königin angemessen pries, bis zum fehlenden Sakko des stellvertretenden Landrats Johann Wieser, der sich beim Anblick der noblen Garderobe der Anwesenden für seine "Themaverfehlung" entschuldigte.

Ansonsten waren England und die königliche Familie der royale Faden, der sich durch die Feierlichkeiten zog. Darauf kamen nicht nur die Moderatoren Sophia Stadlmayer und Jakob Aumiller immer wieder zurück. In der Fülle von Analogien und Wortspielen sprachen auch die Festredner vom bayerischen Abitur als Adelstitel, von Klausuren als regelmäßige Volksaufstände und vom elterlichen Personal, das die Prinzen und Prinzessinnen durch die Schulzeit geleitete. Mit dem Brexit als britischem News-Dauerbrenner waren einige Ansprachen aber auch politisch. Schulleiterin Hübler sprach sich für die Wichtigkeit eines starken Europas in Zeiten des Populismus aus, wozu auch die Schulen beitragen müssten. Bildung, so Hübler, impliziere nicht nur eine Allmacht des Wissens, sondern eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, die gerade auch die Generation der Abiturienten trage. Oberstufenkoordinator Andreas Diederichs erinnerte daran, dass Cool-Sein nichts mit Gleichgültigkeit zu tun habe, sondern mit dem Mut, sich gegen die Masse zu stellen. Es freue ihn, dass das Graf-Rasso-Gymnasium im Jahr der "Fridays for Future"-Demonstrationen einige junge Leute in die Welt entlasse, denen der Planet und die Menschen darauf offenkundig nicht egal seien.

Die letzten Schritte als Schüler, womit ein entscheidender Lebensabschnitt für die Olchinger Gymnasiasten zu Ende geht. In der Aula verabschieden sie sich von ihren Lehrern. (Foto: Matthias F. Döring)

Die eigenen Träume verfolgen

Die Stühle, auf denen die Olchinger Abiturienten Platz nehmen sollen, sind noch leer. Alle anderen sind besetzt, Eltern, Geschwister und Großeltern sitzen darauf. Auf der Bühne steht ein Flügel, aus den Musikboxen läuft Popmusik, und dann laufen sie ein, die 134 Schüler, die dieses Jahr am Olchinger Gymnasium ihr Abitur absolviert haben. Jeder einzelne geht über die Bühne, schaut kurz ins Publikum, manche grinsen Richtung Eltern, andere unterhalten sich über die Schulter miteinander. Von der Bühne heruntergegangen, drehen sie sich um und setzen sich auf die freien Plätze. Damit beginnt die Abiturfeier in Olching. Der Jahrgang 2019, da sind sich Schuldirektor René Horak und sein Stellvertreter Thomas Schranner einig, ist ein besonderer Jahrgang. Schranner sagt, in den letzten Jahren war der häufigste Satz, den er von Abiturienten gehört hat: "Jetzt chill ich erst mal". Das war dieses Jahr anders. "Bei diesem Jahrgang waren die Aussagen viel zielgerichteter", so Schranner. Die Schüler sagten, was sie werden wollen, mit einem klaren Plan: Musicaldarsteller, Zahnarzt, Kommunikationswissenschaftler. Die Schüler, so Schranner, formulierten klar ihre Ziele. "Das macht euch zu einem besonderen Jahrgang", sagte Schranner an die Abiturienten gerichtet. Besonders war freilich auch die Rede von Schuldirektor René Horak. Er gestaltete sie interaktiv, wenn die Abiturienten seiner Aussage zustimmen, sollten sie summen. Als Horak sagt, "lasst euch nicht so von euren Eltern stressen", vermutet man plötzlich einen Bienenschwarm in der Aula, beim Satz "fangt sofort an zu studieren, dann könnt ihr schneller Geld verdienen" bleibt alles still. Dann wird es ein bisschen ernster. "Ihr entscheidet zum ersten Mal selber, was ihr macht", gibt Horak den Schülern mit auf den Weg. Das sollten sie nutzen. Horak zitiert eine Erkenntnis aus dem Buch "Fünf Dinge, die Sterbende am meisten bereuen": Den Fehler, nicht den Mut gehabt zu haben, die eigenen Träume zu verfolgen. Dass seine Abiturienten diesen Fehler vermeiden können, darauf hofft Horak. Und Horak lobt die Schüler für das Abschneiden beim Abitur: 45 der 134 Abiturienten haben eine eins vor dem Komma stehen, der Gesamtdurchschnitt der Schule liegt bei 2,2. Sogar beim viel diskutierten Matheabi hatten die Olchinger einen Schnitt von 2,8.

© SZ vom 29.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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