Einsatzkräfte:Bitte mit Blaulicht

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Rettungssanitäter klagen darüber, dass Patienten häufig wegen Bagatellfällen die Notfallnummer wählen, mal ist es Bauchweh, manchmal Zeitdruck. Doch automatisch schneller behandelt wird man damit nicht

Von Thilo Schröder, Freising

Ob nach einem Unfall oder Herzinfarkt: Rettungskräfte sind meist schnell vor Ort. Sie nehmen jeden Anruf ernst, und das ist wichtig. Häufig wählen Menschen jedoch die 112, ohne dass der Einsatz eines Rettungssanitäters oder gar Notarztes notwendig wäre. "Das passiert leider sehr oft", sagt Rettungssanitäterin Lisa Reuter, wenn sie an Notfälle denkt, die eigentlich keine sind. Die 23-Jährige erinnert sich an einen Fall vor ein paar Wochen, gemeldet war akutes Abdomen, sprich: Bauchschmerzen. "Wir haben dann aber schnell gemerkt, dass da nix war."

Die Patientin, eine ältere Dame, habe die Schmerzen bereits seit einer Woche gehabt. Sie habe sich wohl nicht zu helfen gewusst und den Notruf gewählt. "Wir haben sie dann mitgenommen. Während der Fahrt meinte sie, mit uns komme sie ja eh schneller an." Die Frau hat den Rettungsdienst also als Taxi benutzt. Laut Reuter müsste sie sich aber nach gängigem Vorgehen an ihren Hausarzt oder den ärztlichen Bereitschaftsdienst wenden. Alternativ könne sie sich von Angehörigen oder eben im Taxi ins Krankenhaus bringen lassen.

Die Patienten stehen lassen - das ist nicht möglich

In einem anderen Fall sei sie zu einer 23-Jährigen mit Kopfschmerzen gerufen worden - nichts Akutes. Die Patientin habe das jedoch nicht einsehen wollen. "Die wollte sofort behandelt werden. Sie hätte auch selbst fahren können, ihr Freund hätte sie fahren können." Und das, obwohl eine stationäre Behandlung gar nicht notwendig war: "Sie wollte ins Krankenhaus, ich hätte sie daheim gelassen."

Den Patienten stehen zu lassen, ist aber nicht möglich. Wer will schon für einen unbehandelten Notfall verantwortlich sein? Und: "In der Regel unterschreibt das Krankenhaus für jeden Patienten den Transportschein." Das heißt, das Gros der Einsatzkosten trägt in jedem Fall die Krankenkasse. Was viele jedoch nicht wissen: Die Fahrt im Rettungswagen bedeutet nicht zwangsweise, dass man im Krankenhaus bevorzugt behandelt wird. Die junge Frau mit den Kopfschmerzen "hat da dann sehr lange gewartet", erinnert sich Reuter.

"Es ist natürlich für viele Mitbürger nicht klar, wie dramatisch oder undramatisch das ist", erklärt Hubert Böck, Leiter des Rettungsdiensts in der Kreisgeschäftsstelle Freising des Bayerischen Roten Kreuzes. Es geht nämlich auch umgekehrt: "Ich habe mir selbst mal die Achillessehne gerissen und wollte erst nicht ins Krankenhaus." Es gebe sogar Fälle, in denen Leute mit abgesägten Fingern im Privatauto ins Krankenhaus kommen. Wenn man es selbst nicht einschätzen kann, solle man lieber den Rettungsdienst rufen, anstatt selbst ins Krankenhaus zu fahren und einen Zwischenfall auf dem Weg zu riskieren. "Denn wenn Sie sonst irgendwo auf der Landstraße den Notruf absetzen, ist das auch nicht optimal."

Viele Meldungen sind zu ungenau

Unabhängig davon gebe es Meldungen, aus denen nicht hervorgeht, welche Behandlung erforderlich ist. Beispiel: Atemnot. Ob das jetzt ein Herzinfarkt oder ein Schnupfen ist, wisse man nicht, so Böck. Daher rät er, der Leitstelle den Notfall möglichst klar zu schildern. Im Zweifelsfall schicken die Mitarbeiter immer einen Sanitäter oder auch einen Notarzt. Und dann gibt es da die völlig absurden Fälle: "Viele wünschen sich, auch mal mit Blaulicht zu fahren, wenn alle anderen auf der Straße ausweichen."

Bei nicht akuten Beschwerden sollten Patienten zunächst die 116 117, die Nummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes, wählen oder sich an den Hausarzt wenden. Der kann sie bei Bedarf immer noch ins Krankenhaus überweisen. Die Rettungskräfte stehen bereit.

© SZ vom 16.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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