Zu blauäugig geplant:Milchmädchenrechnung

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Milchbauer Josef Reif mit seiner Frau Angelika sowie seinen Töchtern Franziska und Anna-Lena kann seine Bio-Milch nicht verkaufen. (Foto: Marco Einfeldt)

Josef Reif hat seinen 75 Kühe umfassenden Hof auf Biobetrieb umgestellt. Nun wartet er seit zwei Jahren auf die Zusage einer Bio-Molkerei, die ihm seine Erzeugnisse abnimmt. Seit Monaten erleidet er finanzielle Verluste

Von Petra Schnirch, Landkreis

Den Anteil der Biolandwirtschaft schrittweise von 20 auf 30 Prozent erhöhen - das ist eines der Ziele des Volksbegehrens zum Erhalt der Artenvielfalt. Ganz so einfach aber ist das offenkundig nicht. Mehrere Landwirte im Landkreis wären bereit umzustellen oder haben es bereits getan. Eine Bio-Molkerei, die ihre Milch abnimmt, finden sie jedoch nicht. Josef Reif, 42, aus Hohenbercha wartet bereits seit zwei Jahren vergeblich auf eine Zusage.

Seit Juli 2017 bewirtschaften die Reifs ihren Betrieb mit 75 Milchkühen biologisch, bereits seit April 2018 könnten sie ihre Milch unter dem Bio-Siegel verkaufen. Reif steht mittlerweile bei sechs Bio-Molkerein auf der Warteliste, Perspektive konnte ihm bisher keine aufzeigen. Es sei vielleicht etwas blauäugig gewesen, vor zwei Jahren den Betrieb einfach umzustellen, sagt er, aber er habe das nicht länger aufschieben wollen. Mit dem Gedanken habe er sich schon lange getragen. Seit Monaten muss er erhebliche finanzielle Einbußen hinnehmen. Er erhält weiterhin den Preis für konventionelle Milch, der Ertrag aber ist deutlich gesunken. Für Biomilch gibt es zwischen zehn und 17 Cent mehr pro Liter.

Es sind solche Geschichten, die Ralf Huber, stellvertretender Kreis-Obmann des Bayerischen Bauernverbands (BBV) und selbst Bio-Bauer, umtreiben. Da so viele Menschen das Volksbegehren unterschrieben haben, müssten sich doch genügend Abnehmer für Bio-Produkte finden, findet er. Und er sieht jetzt die Staatsregierung in der Pflicht, die das Volksbegehren angenommen hat. Sie könnte zum Beispiel Schulen finanziell unterstützen, damit dort Bio-Milch angeboten werden kann, schlägt Huber vor.

Wie es jetzt weitergeht, wissen Angelika und Josef Reif nicht - sie wünschen sich, dass ihnen zumindest ein Zeithorizont aufgezeigt wird, wann sie aufgenommen werden können. Er sei ständig in Kontakt mit dem Fachberater des Verbands Naturland und wende sich selbst immer wieder an die Molkereien, schildert Josef Reif. Dass er immer wieder hingehalten werde, "ist langsam sehr nervenaufreibend." Reif hofft, dass die Verbraucher bereit sind, angemessene Preise für gute Lebensmittel zu bezahlen. Was in Discountern zum Teil für Milch und Butter verlangt werde, empfindet er "fast schon als eine Beleidigung für die Bauern".

Einer der ebenfalls gerne auf Bio umstellen würde, ist Michael Siebler aus Thalhausen. Ohne Zusage einer Bio-Molkerei will er diesen Schritt aber nicht gehen. Er versucht schon lange, seinen Betrieb möglichst nachhaltig zu bewirtschaften und wenig Spritzmittel einzusetzen. Was die Zukunft der bäuerlichen Landwirtschaft angeht, sieht er eher schwarz, eben weil die Preise so gedrückt werden. Seine Familie stehe jeden Tag um halb sechs auf, ob Sommer oder Winter, honoriert werde der Wert dieser Arbeit nicht, kritisiert er. Siebler befürchtet, dass diese Entwicklung vor dem Bio-Sektor nicht Halt machen werde, da jetzt auch die großen Discounter solche Produkte anbieten und mit Öko-Verbänden kooperieren wollen. An der Entwicklung "immer größer, immer billiger" werde er jedenfalls nicht mitmachen, sagt Siebler. Lieber gebe er seinen Betrieb mit 75 Milchkühen auf.

Große Erwartungen setzt der stellvertretende BBV-Kreisobmann Ralf Huber in die neue Öko-Modellregion Ampertal, die gerade im Entstehen ist und staatlich gefördert wird. Ziel ist, mit professioneller Begleitung, "die Produktion heimischer Bio-Lebensmittel und das Bewusstsein für regionale Identität" voranzubringen, wie es auf der Internetseite des bayerischen Landwirtschaftsministeriums heißt. Huber hofft beispielsweise, Abnehmer für Produkte aus der Region zu finden, Schulküchen etwa oder den Flughafen. Die Selbstvermarktung ist speziell für Milchbauern aber nicht einfach, schildert Josef Reif - in diese Richtung hat er bereits vorgefühlt. In den Bau eines speziellen Raums, wie er für die Verarbeitung von Lebensmitteln gefordert wird, und eine Pasteurisierungsanlage müsste er mehrere zehntausend Euro investieren.

Immerhin: Ein wenig Hoffnung kann Pascale Naumann vom Verband Naturland den betroffenen Landwirten machen. Sie bestätigt die aktuellen Probleme bei der Abnahme von Biomilch. Sie rechnet aber damit, dass dies spätestens in zwei Jahren anders aussehen werde. Der Absatz von Bioprodukten steige. Die Unternehmen müssten ihre Kapazitäten aber erst erweitern. Auch mehrere konventionelle Molkereien seien gerade dabei, eine Bio-Schiene aufzubauen.

Irmgard Strobl, Marketing-Leiterin der Andechser Molkerei Scheitz, sieht noch viel Potenzial auf dem Biomarkt. Das Unternehmen tue alles, um den Produktabsatz weiterzuentwickeln. "Wir brauchen aber ein ausgewogenes Verhältnis", was die gelieferte Milchmenge und die Produktion angeht, um eine Preisspirale nach unten zu vermeiden. 51,5 Cent brutto zahlt Andechser derzeit für den Liter. Abnahmeprobleme habe es immer mal wieder gegeben. Wie stark der Bio-Markt wachsen werde, sei letztlich eine Verbraucherentscheidung, sagt Strobl. Aufgabe des Unternehmens und der Landwirte sei es gemeinsam, die Verbraucher von Bio zu überzeugen und den Markt weiterzuentwickeln.

© SZ vom 24.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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