Wohnungspolitik:Die Chance ergreifen

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Die Wohnungsnot in Freising ist so groß, dass die Stadt diese Möglichkeit der Nachverdichtung nutzen muss.

Kommentar von Kerstin Vogel, Freising

Das wäre fast zu schön, um wahr zu sein: In Freising bietet sich die seltene Chance, ein neues Baugebiet umzusetzen - und weil alle oft unerreichbaren Kriterien erfüllt sind, könnte das einfach gemacht werden?

Tatsächlich liegt die ehemalige landwirtschaftliche Fläche, die da seit kurzem zur Rede steht, mitten im Stadtteil Neustift, eine Bebauung entspräche also dem im Stadtentwicklungsplan formulierten Ziel der Nachverdichtung. Weil man nicht auf die grüne Wiese bauen müsste, könnte auch der Wunsch nach einer Stadt der kurzen Wege aus dem Mobilitätskonzept erfüllt werden - und die Grundeigentümer sind offenbar bereit, mit der Stadt zusammenzuarbeiten, so dass hier nicht nur unbezahlbare Luxuswohnungen entstehen würden, sondern auch die geforderte Quote von sozialem Wohnungsbau erfüllt werden könnte.

Nicht einmal mit der Stadtgrünverordnung gäbe es Schwierigkeiten, hieß es am Mittwoch im Planungsausschuss, auf dem früheren Erdbeerfeld stünden schlicht keine Bäume, um deren Erhalt man sich sorgen müsste. Und weil ein Grünzug durch das Areal erhalten werden soll, würde auch keine Frischluftschneise verbaut, ein wichtiger Aspekt aus dem Klimaschutzkonzept der Stadt.

Doch eine reine Win-win-Situation wird sich auch für das geplante Wohnen auf dem Erdbeerfeld nicht konstruieren lassen. Kaum waren die erste Pläne für eine Bebauung am Mittwoch öffentlich geworden, regte sich in den sozialen Medien der Protest. Die Anwohner sorgen sich um den bisherigen Freiraum für ihre Kinder, die Insektenvielfalt auf den Wiesen, ihre Aussicht aus dem Wohnzimmerfenster und die zugegeben derzeit viel zu schmalen Straßen rund um die Brache.

Die Einwände sind aus Sicht der Menschen, die in dem Stadtteil leben, nachvollziehbar. Niemand möchte Einschränkungen seiner persönlichen Lebensqualität einfach hinnehmen. Doch die Wohnungsnot in Freising hat in den vergangenen Jahren so krisenhafte Ausmaße angenommen, dass die Stadt gar nicht anders kann, als diese Chance umgehend zu ergreifen. Wo schon Familien mit normalen Einkommen keine bezahlbaren Wohnungen mehr finden und die Corona-Krise Menschen bis in die Mittelschicht mit Obdachlosigkeit bedroht, da kann auch Neustift keine Insel der Seligen bleiben.

© SZ vom 12.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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