Verpackung von Lebensmitteln:Im Idealfall aus Abfall

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Am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik in Freising wird nach Möglichkeiten geforscht, Kunststoffverpackungen durch nachhaltige Materialien zu ersetzen. Ziel ist es, die Plastikflut einzudämmen.

Von Petra Schnirch, Freising

Wie lässt sich die wachsende Plastikflut im Alltag eindämmen? Das Bewusstsein der Verbraucher wächst in diesem Punkt. Tüten gibt es in den Läden meist nicht mehr kostenlos. Auch in Freising kann man längst unverpackt einkaufen. In Supermärkten aber ist ein Großteil der Waren nach wie vor in Plastik verpackt - auch weil die Nachfrage nach vorgefertigten Lebensmitteln steigt. Am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung in Freising laufen mehrere Forschungsprojekte, die alternative Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen entwickeln und testen. Ein Ziel ist es, den Kunststoffanteil der Verpackungen zu ersetzen oder zumindest zu verringern.

Optimale Bedingungen: Das Fraunhofer-Institut ist auf praxisorientierte Forschung spezialisiert. Neu entwickelte Beschichtungen für Verpackungen können auf Pilotanlagen getestet werden. Tobias Brandner kontrolliert das Ergebnis an der Folienextrusionsmaschine. (Foto: Marco Einfeldt)

"Fossile Rohstoffe sind endlich", sagt Sven Sängerlaub, Geschäftsfeldmanager Verpackung am Fraunhofer-Institut. Deshalb arbeite man an Alternativen - im Idealfall aus Abfallprodukten, die bei der Verarbeitung von Lebensmitteln sowieso anfallen, wie Presskuchen, Schalen und Molke. Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion sollte man vermeiden, sagt Sängerlaub. Sinnvoller sei es, Reststoffe besser zu nutzen. Dies entspreche dem Prinzip der Nachhaltigkeit und führe zu einer höheren Effizienz in der Landwirtschaft. Derzeit würden 1,5 Prozent des Erdöls und Erdgases für Kunststoffverpackungen benötigt. "Es ist eigentlich Verschwendung, dafür Öl zu verbrennen", findet er.

Die Entwicklung ist kompliziert

Der Weg zu besseren Verpackungen aber ist lang und kompliziert. Nicht nur die Gebrauchseigenschaften der neuen, dafür verwendeten Materialien müssen passen, um beispielsweise das Austrocknen der Lebensmittel zu verhindern. Sie müssen sich auch für schnelllaufende Maschinen eignen, "das ist eine High-Tech-Industrie", schildert Sängerlaub. Vorteil des Fraunhofer-Instituts in Freising: Dort gibt es kleine Pilotanlagen, auf denen die Entwicklungen im kleinen Maßstab getestet werden können. Ein Trend gehe derzeit hin zu Papier mit entsprechenden Beschichtungen, erklärt der Verpackungsexperte.

Relativ weit gediehen ist nach seinen Worten der Einsatz von Molke-Proteinen als Barrierematerial anstelle von Kunststoffen auf Erdölbasis. Derartige Verpackungen sollen bald auf den Markt kommen. Sogar eine Tube konnte in einem europäischen Verbundprojekt entwickelt werden. Molke fällt als Nebenprodukt bei der Käseherstellung an, ein Teil wird bisher entsorgt. Seit Jahren arbeiten die Fraunhofer-Forscher in Freising zudem mit Lupinen-Proteinen, meist direkt in der Lebensmittelherstellung als Milchersatz. Die Proteine eignen sich aber auch für Verpackungen, ebenso wie Eiweiße aus Sonnenblumen und anderen Pflanzen. Auf Folie aufgebracht, stellen sie eine gute Sauerstoffbarriere dar. Die Forscher vermuten, dass sie eine weitere positive Eigenschaft mitbringen und sich im Recycling-Prozess auflösen können. Damit könnten beidseitig angrenzende Schichten von Mehrschichtfolien getrennt werden. Dies müsse aber noch getestet werden, sagt Sängerlaub. Eine große Herausforderung war, dass die Proteinschicht nachgibt und nicht reißt, wenn aus einer Folie eine Schale geformt wird. Dass dies gelungen ist, bezeichnet er als Durchbruch, als "echten Meilenstein".

Tomatenschalen sind interessant

Eine weitere Möglichkeit ist ein Bedampfen von Papier mit Aluminium. Ein Forscherteam arbeitet daran, dass Barriere-Beschichtungen dadurch noch dünner werden. Sie sollten Lebensmittel schützen und den Licht-, Wasserdampf- und Sauerstoffzutritt reduzieren. Wasser abhalten kann auch eine dünne Wachsschicht im Mikrometerbereich auf Papier, wie sie auf Blättern von Pflanzen vorkommt. Tomatenschalen sind für die Wissenschaft ebenfalls interessant. Aus ihnen lässt sich Cutin extrahieren, das sich als Wasserdampfbarriere auf Papier eignet. Dazu liefen Projekte, sagt Sängerlaub, dies sei jedoch ein aufwendiger Prozess. Cutin selbst wäre genügend vorhanden, da die Schalen in der Lebensmittelindustrie oft als Abfallprodukt anfallen, etwa bei der Ketchup-Herstellung.

Essbare Beschichtungen lassen sich aus Alginat, also Algen, gewinnen - genutzt werden diese bereits als vegane Wursthüllen. Die Forschung ist laut Sängerlaub jedoch dabei, dass Alginat auch als Verpackungsmaterial eingesetzt werden kann. Mit Polymeren aus Bakterien experimentieren die Wissenschaftler ebenfalls. Daraus gewonnene Biopolymer-Verpackungen sind selbst unter kühlen Bedingungen biologisch abbaubar, im Gegensatz zu Polyethylen und anderen konventionellen Öl-basierten Kunststoffen. Eine entsprechende Beschichtung für Papier ist in der Entwicklung, muss jedoch noch dünner werden. Ein großer Schritt sei jedoch gemacht, sagt Sängerlaub. PHBV gelte als ein Biokunststoff der Zukunft. Selbst feste Schalen für Verpackungen lassen sich daraus herstellen.

Ressourcenschutz bleibt wichtig

Einen Aspekt gilt es laut Sängerlaub in der Debatte um Plastik in Supermärkten zu bedenken: Der Ressourcenverbrauch für die Produktion von Lebensmitteln sei viel höher als der für Verpackungsmaterial. Wenn beispielsweise Gemüse schneller verdirbt und weggeworfen wird, weil es nicht gesondert geschützt wird, gehen dessen Ressourcen verloren. "In dieser Hinsicht sind viele Plastikverpackungen eigentlich ziemlich gut für die Umwelt." Trotzdem müsse noch viel hinsichtlich Materialreduzierung, Nachhaltigkeit und Recyclingfähigkeit verbessert werden. Dabei helfen Verpackungstechnologen, ein Fach, das man an den Hochschulen München und Kempten studieren kann.

© SZ vom 30.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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