Update:Keine Angst vor dem Überwachungsstaat

Lesezeit: 2 min

Die Penzberger müssen sich noch in Geduld üben, bis es eine neue Poststelle im Ortsteil Steigenberg geben wird. (Foto: Philipp von Ditfurth/dpa)

Im Gegensatz zur Volkszählung vor 35 Jahren verläuft der aktuelle Zensus im Landkreis Freising reibungslos.

Von Peter Becker, Freising

In der Rubrik "Update" beleuchtet die Freisinger SZ aktuelle Entwicklungen bei wichtigen Projekten im Landkreis. Auf welchem Stand ist das jeweilige Vorhaben? Was wurde schon umgesetzt und wie soll das Ganze aussehen, wenn es fertig ist? Gibt es neue Ideen? Dieses Mal geht es um die aktuelle Volkszählung.

Orwell'sche Ängste hatten sich 1987 in Deutschland breit gemacht. Der 25. Mai war der Stichtag der letzten Volkszählung in der alten Bundesrepublik. Viele Menschen hatten Angst "zum gläsernen Menschen" in einem Überwachungsstaat zu werden. Im Landkreis Freising gab es ebenfalls Vorbehalte gegen den Zensus. Die Rechtsaufsicht am Landratsamt drohte Volkszählungs-Boykotteuren mit einem Besuch des Gerichtsvollziehers und Zwangsgeld zwischen 200 und 500 Mark. 120 bis 150 Boykotteure im Landkreis Freising hatten Einspruch gegen diese Zwangsmaßnahmen eingelegt, ist in den Freisinger Neuesten Nachrichten vom 4. August 1987 zu lesen.

Seinerzeit hatten die Behörden freiwillige Helferinnen und Helfer auf die Reise geschickt, um die Daten zu ermitteln. Nicht an allen Haustüren wurden sie freundlich empfangen. Aktuell läuft wieder ein Zensus. Von Ängsten oder Klagen ist nichts zu hören. Warum auch, moderne Digitalkonzerne verfügen heute über mehr Daten über Personen, als sich Behörden vor 35 Jahren zu erträumen wagten. Und die geben die Menschen freiwillig her.

Nach Auskunft des Freisinger Landratsamts läuft der Zensus heutzutage überwiegend online ab. Wer am Zensus 2022 teilnehmen muss, wird per Brief dazu aufgefordert. Die Antworten auf die Fragen können auch portofrei per Post übermittelt werden. Ein Teil der Bevölkerung wird zusätzlich durch Interviewerinnen oder Interviewer persönlich befragt. Die Gespräche finden entweder an der Tür oder online statt. Nur auf ausdrücklichen Wunsch dürfen die Befragenden eine Wohnung oder ein Haus betreten. Im Landkreis seien etwa 200 ehrenamtliche, geschulte Erhebungsbeauftragte mit einem entsprechenden Ausweis und einem extra für die Erhebungen vorgesehenen Tablet unterwegs, teilt das Landratsamt mit.

Die Haushaltsbefragungen enden am 6. August

Der Zensus hat am 15. Mai begonnen. Die Haushaltsbefragungen starteten am 16. Mai und enden am 6. August. Die Europäische Union verpflichtet ihre Mitgliedsstaaten, alle zehn Jahre eine solche Volkszählung durchzuführen. Mit dieser Erhebung wird ermittelt, wie viele Menschen in Deutschland leben, wie sie wohnen und arbeiten. Denn viele Entscheidungen in Bund, Ländern und Gemeinden beruhen nach Auskunft der Pressestelle des Landratsamts auf Bevölkerungs- und Wohnungszahlen. Es gibt eine "Befragung der Haushalte" und eine "Gebäude- und Wohnungszählung". Die Einwohnerzahl hat etwa Einfluss auf die Größe von Wahlkreisen und die Stimmverteilung im Bundesrat.

Die Zensus-Interviewer fragen nach Anzahl, Alter und Geschlecht der Bewohnerinnen und Bewohner eines Haushalts. Falls ein Haushalt für den erweiterten Fragebogen ausgewählt wurde, wird unter anderem nach Familienstand, Staatsangehörigkeit, Bildungsabschluss und Beruf gefragt. Die Erfassung soziodemografischer Merkmale ist für politische Entscheidungen zur Infrastruktur bedeutend, wie etwa für die Planung von Kindertagesstätten, Schulen oder Altersheimen. Die Datenabfrage bei allen gemeldeten Wohnungs- und Immobilieneigentümern dient der städtebaulichen Entwicklung und der Raumplanung. Die Anschriften der zu Befragenden wurden vorab per Zufall von den Statistischen Ämtern ermittelt.

Die Online-Fragebögen dürfen nur verschlüsselt übermittelt werden

Nach Angaben des Landratsamts verhalten sich die meisten Bürgerinnen und Bürger sehr freundlich und verständnisvoll. Bedenken oder Beschwerden gegen die Volkszählung gebe es nur wenige, wenn, dann beziehen sie sich auf den Datenschutz. Interviewerinnen und Interviewer unterliegen der Schweigepflicht, Onlinefragebögen dürfen nur verschlüsselt übermittelt werden und die Statistikbehörden müssen gewährleisten, dass aus den erhobenen Daten nicht auf einzelne Personen rückgeschlossen werden kann.

Wer von den Behörden für die Zensusbefragung angeschrieben wird, muss Auskunft geben. Wer nach einer vorgegebenen Frist nicht antwortet oder beim Termin für den Hausbesuch nicht da ist, bekommt per Post eine einmalige Erinnerung. Kommt man Erinnerungen und Mahnungen nicht nach, droht ein Zwangsgeld von mindestens 300 Euro. Von der Auskunftspflicht ist man mit der Zahlung laut Statistikamt nicht entbunden.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: