Unfallflucht:Eine halbe Stunde ohne Hilfe am Straßenrand

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Eigenschutz geht vor: Wer bei einem Unfall hilft, muss eine Warnweste tragen und die Unfallstelle zunächst sichern, damit nicht noch etwas passiert. (Foto: Ralf Hirschberger/dpa)

Eine Autofahrerin wird von einem anderen von der Straße gedrängt und landet in einer Wiese. Der Unfallverursacher flüchtet - und auch sonst hält keiner an.

Von Luise Helmstreit, Freising

Eine halbe Stunde lang stand Sabine Lee mit ihrem beschädigten Wagen in der Wiese am Straßenrand, nachdem ein Unbekannter sie bei einem waghalsigen Überholmanöver seitlich gestreift und von der Straße abgedrängt hatte. Der Berufsverkehr zog an ihr vorbei. "Erst kurz vor Eintreffen der Polizei hielt eine junge Frau an, um nach mir zu sehen", erzählt Lee.

Der Unfall hatte sich Anfang Dezember gegen Abend auf der B 301 ereignet. Ein Fahrer missachtete das dort geltende Überholverbot und versuchte, trotz des dichten Verkehrs mehrere Autos gleichzeitig zu überholen. "Erst dachte ich, es wäre ein Geisterfahrer", erzählt Lee. "Ich habe nur das Scheinwerferlicht gesehen. An dieser Stelle gibt es keine Straßenbeleuchtung, deswegen konnte ich nichts von dem Wagen erkennen, weder die Farbe noch das Kennzeichen. Ich habe eine Vollbremsung gemacht und bin nach rechts ausgewichen, andernfalls wären wir frontal zusammengestoßen."

Den Schaden an dem Auto muss das Unfallopfer selbst zahlen

Sabine Lee hatte Glück: Sie blieb unverletzt. An ihrem Auto entstand jedoch ein nicht unerheblicher Schaden. "Den werde ich wahrscheinlich zu großen Teilen selber begleichen müssen", sagt sie. "Ich glaube kaum, dass der Fahrer sich stellt, immerhin hat er das Überholverbot missachtet, einen Unfall provoziert und ist anschließend einfach weiter gefahren. Da wäre bestimmt der Führerschein weg."

Auf Facebook suchte Lee nach Augenzeugen. Über 400 Mal wurde ihr Aufruf geteilt, gemeldet hat sich niemand. In den Kommentaren schreiben jedoch andere, denen es ähnlich ergangen ist: Sie hatten einen Unfall und niemand hielt an. "In der Regel sind die Leute eigentlich schon hilfsbereit", sagt Polizeihauptkommissar Michael Ertl, "aber tatsächlich kann man in den wenigsten Fällen jemandem einen Strick daraus drehen, wenn er einfach weiterfährt".

Helfer müssten vor allen Dingen darauf achten, sich nicht selbst in Gefahr zu bringen, sagt Ertl. "Es ist wichtig, eine Warnweste zu tragen und als allererstes die Unfallstelle zu sichern, damit nicht gleich noch etwas passiert. Dann muss ein Notruf abgesetzt und gegebenenfalls Erste Hilfe geleistet werden."

"Wer Hilfe leisten könnte, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen und dies nicht tut, macht sich strafbar"

Wer nicht direkt an der Unfallstelle anhalten könne oder wolle, solle zumindest bei nächster Gelegenheit stoppen und die Einsatzkräfte alarmieren. "Letztendlich muss man im Einzelfall abwägen, wie man sich verhält", sagt Ertl.

"Wer Hilfe leisten könnte, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen und dies nicht tut, macht sich strafbar", betont Peter Pöhlmann, Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft. "Wenn beispielsweise ein Unfall auf dem Mittelstreifen der Autobahn passiert, wird niemand von Ihnen verlangen, dass Sie aussteigen und die Fahrbahn überqueren. Dennoch sind Sie verpflichtet, einen Notruf abzusetzen, denn das ist im Rahmen Ihrer Möglichkeiten." Nur wer eine Unfallstelle sehe, die bereits gesichert ist oder an der bereits Rettungskräfte vor Ort sind, müsse nichts weiter unternehmen. Wenn eine Reihe von Autofahrern an einer Unfallstelle vorbeizieht, ohne zu helfen, machten sich die Fahrer zwar rechtlich gesehen alle strafbar, in der Regel habe das für sie aber keine Konsequenzen. "Man muss sie ja auch finden", sagt Pöhlmann.

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Während manche Autofahrer einfach an Unfallstellen vorbeifahren, halten andere an, filmen aber mit dem Handy, anstatt zu helfen. Hier ist die Situation eindeutiger: "Wer den Einsatzkräften im Weg steht oder Bildmaterial ohne das Einverständnis der Betroffenen veröffentlicht, macht sich auf alle Fälle strafbar", sagt Ertl. In manchen Fällen ist schon das Aufnehmen von Bildern und Videos strafbar. "Es dürfen keine Aufnahmen von Menschen gemacht werden, die sich in einer hilflosen Situation befinden, also zum Beispiel von Verletzten", erklärt Pöhlmann.

© SZ vom 02.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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