Die Agenda 21 wurde 1992 bei der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro verabschiedet. Sie ist ein entwicklungs- und umweltpolitisches Aktionsprogramm mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit für das 21. Jahrhundert. In Freising fiel der Stadtratsbeschluss, auf lokaler Ebene die Agenda 21 umzusetzen, im Juli 1997 einstimmig. Danach gründeten sich nach und nach verschiedene Agenda-Gruppen - mittlerweile sind es neun. Die SZ Freising stellt diese in einer losen Serie vor. Heute: die Agenda-21-Gruppe "Tisch füreinander".
Diese Agenda-Gruppe ist noch relativ jung, sie wurde 2019 ins Leben gerufen. Kurz vor der damaligen Kommunalwahl hatte Sabine Bock, die sich für die Grünen um einen Sitz im Stadtrat bewarb, zu einer Veranstaltung zu dem Thema "Armut in Freising" eingeladen. "Nach außen ist die Stadt sehr aufgeräumt, viele hier können sich viel leisten - aber es gibt auch durchaus eine versteckte Armut", sagt Bock. Die Veranstaltung stieß auf große Resonanz, es hieß, man müsse etwas tun. "Als Folge wurde dann der 'Tisch füreinander' ins Leben gerufen", erzählt Sabine Bock, eine der Gründerinnen. "Wir wollten und wollen den Armen im wohlhabenden Freising ein Gesicht geben."
Armut kann jeden treffen
Inzwischen zählt die Agenda-Gruppe etwa 20 Mitglieder, alle vier bis sechs Wochen treffen sie sich und besprechen aktuelle Themen. "Wir sind ein Zusammenschluss von Fachleuten, die mit dem Thema Armut beruflich zu tun haben, und von engagierten Bürgerinnen und Bürgern", erklärt Bock. Neben der Sozialreferentin der Stadt Freising, Charlotte Reitsam, ist beim "Tisch füreinander" auch der Freisinger Hausarzt Odo Weyerer aktiv, der mit seinem Medmobil wohnungslosen Menschen im Landkreis eine kostenlose medizinische Versorgung anbietet. Daneben sind Wohlfahrtsverbände, der Katholische Männerfürsorgeverein und die Wärmestube in der Agenda-Gruppe vertreten. Deren Ziel ist, Projekte zur Beseitigung von Armut zu initiieren und zu unterstützen.
In Freising gebe es viele gut situierte Menschen, sagt Bock. "Aber eben auch viele Bedürftige, die struggeln." Armut könne jeden treffen - gerade auch Frauen seien betroffen. Wie alleinerziehende Mütter, die nur in Teilzeit arbeiten können, oder Seniorinnen, die wegen langer Familienzeiten und Jobs im Niedriglohnsektor eine geringe Rente bekommen. "Viele müssen schauen, wie sie über die Runden kommen." Diesen Menschen wolle man eine Lobby verschaffen.
Die Agenda-Gruppe will die verdeckte Armut und die soziale Ungleichheit in Freising in die Öffentlichkeit bringen. Daneben möchte der "Tisch füreinander" die Akteure beim Thema Armut besser vernetzen und die Angebote für Menschen mit geringem Einkommen bündeln. "Menschen in Not sollen schnell Informationen bekommen, wo sie sich hinwenden können", erklärt Bock. "Ihnen soll schnell und unbürokratisch geholfen werden, ohne dass dafür Hunderte Formulare ausgefüllt werden müssen."
In diesem Frühjahr soll der Sozialpass eingeführt werden
Einen großen Erfolg hat der "Tisch füreinander" bereits erzielt: Der Sozialpass, der bedürftigen Menschen die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglichen soll, war eine Idee der Agenda-Gruppe, berichtet Bock. Vom Kreisausschuss wurde er bereits verabschiedet, die Einführung des Passes ist für dieses Frühjahr geplant. Armut schließe aus, der Sozialpass biete einen kleinen Ausweg. Einfach und unkompliziert - ohne jedes Mal die Einkommensverhältnisse offenlegen zu müssen - soll mit ihm zukünftig die Teilhabe in den Bereichen Sport, Freizeit und Unterhaltung, Kultur und Bildung möglich sein. Ein anderes großes Projekt 2023 war die Teilnahme beim "Kino am Rang". Dort war die Agenda-Gruppe mit einem Infostand vertreten und zeigte den Kurzfilm "Zum Leben zu wenig - Altersarmut".
Alles koste in Freising viel, vergünstigte Preise - wie beispielsweise in München, wo die Museen am Sonntag für einen Euro besucht werden können - gebe es kaum. In München müsse in den Kitas nach der Trennung des Elternpaares auch nur die Hälfte der Gebühr bezahlt werden. "Auch wir brauchen mehr Angebote für Menschen mit wenig oder keinem Geld", sagt Sabine Bock. Eine Teilhabe in Würde müsse in Freising möglich sein. "Wir vom 'Tisch füreinander' möchten dazu etwas beitragen."