Theaterprojekt:Verhängnisvolles Schweigen

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Wolfgang Steger vom Kreativen Schauspiel Ensemble Freising probt für die Lesung von "Der Gefangene" von Friedrich Ani. (Foto: Johannes Simon)

Das Kreative Schauspiel Ensemble bringt "Der Gefangene" von Friedrich Ani als Lesung auf die Bühne - eine Tragödie nach wahrer Begebenheit über Verstrickungen, Schuldgefühle, Traumata und Erlösung

Von Thilo Schröder, Freising

Der Mann sitzt auf einem Stuhl vor einem schwarzen Tuch an der Wand, ein Scheinwerfer ist auf ihn gerichtet. Er liest aus einem Manuskript vor, beim Sprechen wird seine Stimme lauter: "Ich weiß nicht, wie die Kugel da reingekommen ist. Weiß ich nicht, bis heute nicht!" Wolfgang Steger blickt auf. Der 56-Jährige hat sich gerade in die Rolle des Jakob Esterland hinein versetzt. Das Kreative Schauspiel Ensemble aus Freising probt dieser Tage unter der Regie von Philipp Schreyer und Andrea Henze das Stück "Der Gefangene" des Krimiautors Friedrich Ani als Lesung. Eine als Monolog inszenierte Tragödie, deren traumatisierter Protagonist sich in völliger Verzweiflung einem Priester anvertraut. Am Mittwoch, 21. Oktober, ist Premiere.

Es ist 22 Jahre her, als Esterland eine Bank überfiel, um seine Schulden zu bezahlen. Seiner Familie ein besseres Leben bieten, das wollte er. Mit der Waffe tatsächlich schießen, das wollte er gewiss nicht. Doch dann löste sich ein Schuss und eine Frau war tot. Ein anderer wurde verdächtigt, Esterland schwieg - und alles wurde immer schlimmer. Das Szenario beruht auf einer wahren Begebenheit in Süddeutschland.

Die Wendungen, Verstrickungen, Entschlüsse, Rückschläge und Sackgassen, schließlich das religiöse Erlebnis, ein Moment der Offenbarung, das am Ende zur Erlösung führt: Für Schauspieler Wolfgang Steger ist das Stück "eine sehr spannende Geschichte, weil das so viele psychologische Momente enthält". Man erfahre sehr viel über Esterlands Lebenswelt, ungeachtet der nur einen dargebotenen Perspektive auf die Ereignisse.

Spannend sei auch, sich in die Person hineinzuversetzen, phasenweise könne man sich durchaus mit ihr identifizieren, sagt Steger. Etwa, wenn man im Alltag Entscheidungen treffe, die sich im Nachgang als falsch herausstellten. Sagt man's dann? Oder sagt man's nicht? "Der Impuls ist da, es nicht zu sagen. Und dann wird's immer schwieriger." Im Stück werde der "vermeintliche Ordnungssinn", den die Gesellschaft verlange, hinterfragt, daraus ausgebrochen. Es werde deutlich, wie sich Traumata auf nachfolgende Generationen übertragen und sich Abhängigkeiten in Lebensentscheidungen niederschlagen.

Mit "Der Gefangene" betritt das Ensemble kreatives Neuland, insofern, als es die erste Lesung des Vereins ist. "Eine Lesung ist gut vereinbar mit einem Hygienekonzept und Proben", sagt Philipp Schreyer. Und mit einem möglicherweise verschärften Infektionsgeschehen: "Der Schaden würde sich in Grenzen halten, wenn es nicht geklappt hätte." Das Stück liegt bei Steger schon länger in der Schublade, es zu spielen, würde ihn reizen, sagt er. Tatsächlich sei es bislang nie aufgeführt, sondern entweder gelesen oder als Hörspiel vertont worden.

Nun also wieder eine Lesung, was dem Publikumserlebnis aber keinen Abbruch tun dürfte. "Als Wolfgang das zum ersten Mal gelesen hat, hingen wir an seinen Lippen", sagt Andrea Henze. Das Stück zu lesen habe den Vorteil, dass man nicht innerhalb von ein paar Wochen eine Stunde Text auswendig lernen müsse. "Das fordert einen anders, die größere Bandbreite an Texten, die du wiedergeben darfst. Man muss es mögen", sagt Steger. Man müsse viel präsenter sein, weil der Fokus nur auf einem allein liege, ergänzt Schreyer.

Die Lesung wird im Montessori Zentrum Freising stattfinden, allerdings ist noch nicht geklärt, wie viele Besucherinnen und Besucher erlaubt sein werden. Termine sind der 21., 24., je um 20 Uhr, und 25. Oktober, 19 Uhr. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten. Einlass ist jeweils 15 Minuten vor Beginn. Details, auch zum Hygienekonzept, unter www.kse-theater.de.

© SZ vom 15.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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