SZ-Serie: Wortschatz, Folge 2:Tatwaffe: Schreibwerkzeug

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Für seine Petermann-Trilogie hat Michael Böhm die höchste Auszeichnung für Kriminalschriftsteller in Deutschland erhalten

Von Jana Rick, Dachau

Er ist ein Schriftsteller wie aus dem Buch. Ohne Notizblock und Stift verlässt Michael Böhm nie sein Haus und so kommt er auch an diesem Nachmittag mit seinem Schreibwerkzeug in der Jackentasche ins Dachauer Café. "Es könnte ja sein, dass...", sagt der Rentner lächelnd.

Er liebt es, seine Umgebung zu beobachten, sich Gedanken über die Menschen zu machen, die um ihn herum sind. Alles, was ihm interessant erscheint, schreibt er sofort auf. Diese "Handlungspunkte", wie Böhm sie nennt, verarbeitete er auch in seinem ersten Erfolgsroman, der Petermann-Trilogie. Sie handelt von Leo Petermann, einem gewöhnlichen Rentner, der in die Oper geht und Zeit mit seiner Geliebten verbringt. Doch eigentlich ist Petermann ein skrupelloser Mann, der jeden aus dem Weg räumt, der seine Ruhe stört. Geschrieben ist der Roman in der Ich-Form aus Sicht des Mörders, nur bei den Mordszenen wechselt der Autor in die dritte Person.

Für den zweiten Band "Herr Petermann und das Triptychon des Todes" wurde Böhm 2014 mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet, die höchste Auszeichnung, die ein Kriminalschriftsteller im deutschsprachigen Raum bekommen kann. Der Autor selbst sagt bescheiden, dass er mit diesem Preis "überhaupt nicht" gerechnet habe. Doch man sieht ihm an, dass er sich sehr darüber freut. Über seinen Protagonisten spricht Böhm wie von einem alten Freund: "Er ist ein netter Kerl", beschreibt er ihn, den Mörder, der einfach nur seine Ruhe haben will. Der Autor lächelt verschmitzt. "Man darf ihn nicht ärgern." Gemeinsamkeiten hätten er und der Protagonist keine. Dass beide Männer in Ruhestand sind und vorher in der Software-Branche gearbeitet haben, habe den einfachen Grund, dass Böhm dann leichter über Petermann schreiben kann. "Da kenne ich mich einfach aus."

Schon als kleiner Junge dachte sich Böhm Geschichten fürs Kasperltheater aus, die er mit seinen Freunden nachspielte. Mit zwölf Jahren schrieb er seinen ersten Roman, der so dick wie ein Schulheft war. Doch die Schule ging vor, anschließend das Studium, dann der Beruf in der Automobilindustrie. Erst im Sommer 2011, als Böhm in den Ruhestand ging, konnte er sich endlich seinem Traum, dem Schreiben, voll und ganz zuwenden. Sein zweiter Traum, das Reisen, lässt sich wunderbar mit dem Schreiben verbinden.

Mit seiner Frau reist der Dachauer um die ganze Welt. Mindestens das halbe Jahr sind die zwei unterwegs, mal auf Hawaii, mal in Frankreich. Während seiner Reisen schreibt der 71-Jährige Tagebücher, in denen er alles notiert, was er "mal gebrauchen" könnte. 25 dicke Ordner hat er bereits mit Reisetagebüchern gefüllt. Dass Böhm keinen festen Arbeitsplatz hat, ergibt sich so von selbst. Lieber schreibt er unterwegs. Schreibblockaden kennt er nicht. "Dafür habe ich gar keine Zeit. Ich habe doch noch so viel vor!" Da wäre sein neuestes Werk mit dem Untertitel "Miniaturen unsterblicher Namen", das im Frühjahr erscheinen wird. Und seine Geschichten über Hugo Feuerbach, eine Art Agenten, der für die Kirche und das Gute arbeitet.

Zuletzt hatte Böhm eine Weihnachtsgeschichte für einen Sammelband geschrieben. Außerdem erscheint nächstes Jahr ein neuer Krimi, der in Böhms Heimatstadt spielt. Was für Donna Leon Venedig ist, ist für ihn Dachau, wo er seit 45 Jahren lebt. Den Namen Dachau nennt der Autor allerdings nie. Nicht zu vergessen natürlich, dass da auch noch Petermann wartet, obwohl die Trilogie bereits beendet ist. Aber Böhm sieht das nicht so eng, er ist sich sicher, dass er noch einen vierten Teil schreiben wird. Für jedes Buch legt sich Böhm eine Art "Bauplan" für seine Erzählung zurecht. An diesem erkennt er dann, ob die Geschichte funktioniert, erst dann greift er zum Stift. Der Dachauer schreibt seine Geschichten schon immer mit der Hand, die erste Fassung mit dem Bleistift, die zweite mit dem Füller. Die letzte Fassung tippt seine Frau in den Computer.

Während er schreibt, hört Böhm oft Musik, Opern von Verdi oder Bellini. Er schreibt nur für sich selbst und nicht für ein bestimmtes Publikum. Ein Erfolgsrezept hat er keines, aber für ihn gehört viel Fleiß dazu. Böhm spricht von 95 Prozent Sitzfleisch und fünf Prozent Inspiration. Ob einem das Talent zum Schreiben in die Wiege gelegt wird oder man es erlernen kann, darauf kennt der Dachauer keine Antwort. "Ich weiß nur, bei mir klappt's." Vielleicht liegt es auch daran, dass er Zeit hat und sich nicht zum Schreiben drängt. Er hat sich seine Leidenschaft aufgehoben, bis zu dem Punkt, an dem er sie genießen und ausleben kann. "Ich muss ja nicht", erklärt er entspannt. "Schreiben ist nicht mein Beruf, sondern eine Berufung." Und er wird dieser Berufung so lange wie möglich nachgehen. "Bis mir der Bleistift aus der Hand fällt", sagt er mit fester Stimme

© SZ vom 28.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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