SZ-Adventskalender:Leben am absoluten Existenzminimum

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Die Zahl der Menschen in finanziellen Schwierigkeiten, die eine Akuthilfe brauchen, steigt stark. (Foto: Catherina Hess)

Die steigenden Energiepreise und Lebenshaltungskosten bringen gerade in einem hochpreisigen Landkreis wie Freising viele Menschen in existenzielle Nöte. Die Zahl der Klienten bei der Caritas, die eine Akuthilfe brauchen, steigt deutlich an.

Von Gudrun Regelein, Freising

Claudia Becker, die eigentlich einen anderen Namen hat, hat sich erst als es gar nicht mehr anders ging, Hilfe gesucht. Becker ist alleinerziehende Mutter von zwei kleinen Kindern, vor Kurzem erhielt sie von ihrem Energieversorger die Nachricht, dass ihre Stromversorgung unterbrochen wird. Der Grund dafür waren Zahlungsrückstände. "Das war die Spitze des Eisbergs und der Auslöser, dass sie zu uns in die Beratung kam", berichtet Markus Mehner, Leiter der Sozialen Dienste der Caritas Freising.

Drohende Stromsperre

Tränenüberströmt saß sie dann dort, die Vorstellung, bald ohne Strom, im Dunkeln, leben zu müssen, löste bei ihr existenzielle Ängste aus. Die drohende Stromsperre war aber nur eines von vielen Problemen der jungen Frau. Die Alleinerziehende arbeitet in Teilzeit, sie bekommt aufstockende Hartz-IV-Leistungen. Ihr Budget ist sehr knapp, reicht vorne und hinten nicht für die kleine Familie aus. Sie lieh sich von Verwandten und Freunden Geld, konnte es aber nie zurückzahlen. Dann bekam sie auch noch von einem Inkasso-Büro wegen Altschulden enormen Druck, sie zahlte deshalb Raten, die für sie eigentlich viel zu hoch waren. Als zuletzt noch die Lebensmittel immer teurer wurden und die Energiepreise immer weiter anstiegen, wurde es für die junge Mutter alles zu viel. "Sie ignorierte die Stromrechnungen und die Mahnungen, was natürlich Folgen hatte", berichtet Mehner. Claudia Becker war verzweifelt. "Worte helfen in einer solchen Notlage auch nicht mehr viel weiter", sagt Mehner. Die Caritas half der Alleinerziehenden zunächst einmal mit Spendengeldern, so konnte die drohende Stromsperre verhindert werden.

Leben am Existenzminimum

"Sie ist nur eine von sehr vielen", sagt Mehner. "Wir stellen inzwischen deutlich mehr Anträge für Spenden- oder Stiftungsgelder als früher." Die Zahl der Hilfesuchenden in der Beratung, die eine Akuthilfe brauchen, steige stark. So auch Herr M., der wegen seiner chronischen Erkrankungen schon vor einigen Jahren in Frührente gehen musste. Er konnte seine Kredite nicht mehr bedienen und geriet in eine Schuldenspirale. Derzeit hat der Mann Rückstände bei seinen Miet- und Stromzahlungen, berichtet Mehner. Es droht die Pfändung seiner Rente. Ansprüche auf eine zusätzliche Unterstützung aber hat der Frührentner keine. Wie er sein Leben finanzieren soll, weiß er nicht. Er lebt inzwischen in vollständiger Isolation, hat psychische Probleme. "Das Leben am absoluten Existenzminimum macht etwas mit den Menschen", sagt Mehner.

Bei vielen ist alles auf Kante genäht

Die Klienten kommen aber nicht mehr nur aus dem "klassischen" Hartz-IV-Bereich. Mittlerweile gerieten Menschen in finanzielle Not, die zuvor nie eine Unterstützung vom Staat gebraucht haben. Selbst mit einem geregelten Einkommen seien die steigenden Energiepreise und explodierenden Lebenshaltungskosten in einem ohnehin hochpreisigen Landkreis wie Freising nicht mehr für alle zu finanzieren. "Bei vielen ist alles auf Kante genäht, das Geld komplett verplant", schildert Mehner. Unerwartete Ausgaben oder Rechnungen würden diese Menschen komplett überfordern. Staatliche Hilfen, wie die einmalige ausgezahlte Energiepauschale in Höhe von 300 Euro, bedeuteten da nur einen Tropfen auf dem heißen Stein. Auch das Bürgergeld, das ab Januar Hartz IV ablösen werde, bedeutete letztendlich nur 50 Euro mehr, auch das sei keine wirkliche Hilfe. "Das wird doch alleine schon von der Teuerungsrate aufgefressen", sagt Mehner.

Wartezeit für die Beratung

Schon jetzt steigen die Anfragen bei der Sozialen Beratung deutlich, berichtet er. "Wir haben Wartezeiten und müssen abwägen, welcher Fall dringlicher ist." Für die kommenden Monate erwartet sich Mehner noch einmal deutlich mehr Klientinnen und Klienten. Auch für die Mitarbeiter in der Beratung sei das eine schwierige Situation. "Wir sind da ein Stück weit ratlos." Zwar könne man in Einzelfällen Spenden- und Stiftungsanträge für eine finanzielle Hilfe stellen, aber eine derartige Preissteigerung könne mit diesen Geldern langfristig nicht kompensiert werden. "Letztendlich geht es auch um gesellschaftliche Teilhabe, darum, dass ein Teil der Menschen nicht komplett abgehängt oder isoliert wird", sagt Mehner. Damit meine er nicht nur Hartz-IV-Empfänger und Langzeitarbeitslose. Sondern auch Alleinerziehende wie Claudia Becker beispielsweise, oder Senioren mit einer kleinen Rente.

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