SZ-Adventskalender:Ohne Geld keine Inklusion

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Die erste Etappe ist geschafft. Aber der Weg zu einer wirklichen Teilhabe von Menschen mit Behinderung am öffentlichen Leben sei lang, sagt Saskia Hobmeier von der Lebenshilfe Freising. Es fehlen die Finanzmittel

Von Gudrun Regelein, Freising

Vor gut zehn Jahren, im März 2009, wurde in Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert. Ein wichtiger Punkt dabei ist die Inklusion, also das Recht auf Teilhabe von Menschen mit Behinderung am öffentlichen und gesellschaftlichen Leben. "Die erste Etappe haben wir inzwischen erreicht", sagt Saskia Hobmeier. Der Weg zu einer wirklichen Teilhabe aber sei noch lange und anstrengend, ergänzt die Leiterin der Offene Behindertenarbeit (OBA) der Lebenshilfe Freising. Eine Selbstverständlichkeit sei diese für Menschen mit Behinderung nach wie vor nicht.

Das scheitert an vielen Gründen - und häufig am Geld. Denn die Finanzierung des Lebens behinderter Menschen erfolgt in vielen Fällen auf Sozialhilfeniveau. Ein Besuch eines Konzerts, ein Kinoabend oder ein Ausflug seien für diese Menschen keine Selbstverständlichkeit, sondern ein absoluter Luxus, sagt Hobmeier. Denn abhängig von dem Grad ihrer Behinderung brauchen viele bei individuellen Ausflügen eine persönliche Assistenz oder den Fahrdienst. Diese Unterstützung werde im Normalfall nicht finanziert. Der Assistenzdienst kostet sechs Euro, der Fahrdienst vier Euro. "Die finanzielle Kapazitäten unserer Kunden sind da schnell erreicht, und auch die Selbstständigkeit hat schnell ein Ende", sagt Hobmeier. Zwar habe sich in den vergangenen Jahren einiges bei der Finanzierung verbessert, "aber eine uneingeschränkte Teilnahme gibt es sicher noch immer nicht".

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(Foto: SZ)

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In der Offenen Behindertenarbeit der Lebenshilfe gibt es im Freizeitbereich ein breites Programm, erzählt Saskia Hobmeier. Ein Jugendtreff beispielsweise, die Erwachsenenbildung, ein Seniorentagestreff, Kegelabende und Ausflüge werden angeboten. "Wir möchten in der Gesellschaft präsent sein, dabei sein, wo es nur geht", betont Hobmeier. Derzeit frage sie beispielsweise bei verschiedenen Vereinen an, ob ihre Kunden dort mitmachen können.

Stephan Kraus ist ein Mensch mit Behinderung. Der 29-Jährige lebt noch bei seinen Eltern in Gammelsdorf. Er hat ein ausgefülltes Leben, sagt Kraus. Er arbeitet in den Isar-Sempt-Werkstätten in der Metallabteilung, hat viele Freunde und ist in einem Judoverein aktiv, erzählt er stolz. Zur Arbeit fährt er mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Nur manchmal braucht er den Fahrdienst der OBA, wie vor Kurzem, als er sich in der Allianzarena ein Fußballspiel anschaute. Bei Stephan Kraus laufe es optimal, er könne ein sehr selbständiges Leben führen - aber er sei eine ganz große Ausnahme, betont Saskia Hobmeier. "Im Normalfall schaut das ganz anders aus. Je schwerer die Behinderung, umso mehr Unterstützung ist auch notwendig." In der Offenen Behindertenarbeit werden etwa 200 Menschen regelmäßig betreut. Die allermeisten von ihnen seien bei ihren Freizeitaktivitäten auf den Fahrdienst angewiesen. "Diesen können wir nur dank der Spendengelder anbieten, die Finanzierung wäre sonst nicht gesichert", sagt Hobmeier.

Ohne den Fahrdienst käme sie abends, wenn es einmal später wird, nicht mehr nach Hause, berichtet Michaela Schwallach. Sie lebt im Betreuten Wohnen in Lerchenfeld. Zu ihrem Arbeitsplatz in den Werkstätten fährt sie zwar mit dem Bus. Abends aber braucht sie den Fahrdienst, ansonsten müsste sie zu Fuß gehen, erzählt die junge Frau. Teilhabe kostet eben Geld, sagt Saskia Hobmeier, "aber die derzeitigen Mittel sind nicht ausreichend". Umso wichtiger seien die Spenden: "Ohne diese könnten wir vieles nicht anbieten", betont sie.

© SZ vom 21.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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