SZ-Adventskalender:Ein Leben voller Schicksalsschläge

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54-Jährige hat in ihrer Ehe jahrelang physische und psychische Gewalt ertragen. Nach diesen traumatischen Erlebnissen ist sie gesundheitlich schwer angeschlagen, auch alte Schulden muss sie noch abbauen.

Von Gudrun Regelein

Ihren glanzlosen Augen sieht man an, dass sie schlimme Erfahrungen gemacht hat, dass es ihr auch heute noch nicht gut geht. Die 54-jährige Manuela Richter (Name geändert) ist eine starke Frau. "Aber einige Male in den vergangenen Jahren war ich soweit, dass ich mir dachte, jetzt mache ich Schluss", sagt die schmale Frau.

Manuela Richter ist schwerbehindert - inzwischen zu 70 Prozent. Die Liste ihrer Erkrankungen ist lang. Mit Morbus Crohn, einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung, begann es vor vielen Jahren. Das war bald nach der Geburt ihres zweiten Kindes. Danach erlebte sie zahllose gesundheitliche Krisen. So hatte sie eine Not-OP wegen eines Gallenverschlusses, später dann zwei schwere epileptische Anfälle und vor etwa einem Jahr einen Schlaganfall. "Mittlerweile habe ich auch noch Arthrose", sagt sie müde. Etwa zehn Tabletten muss sie täglich schlucken - darunter auch die, die sie wegen ihrer Depressionen verschrieben bekam.

Trotzdem arbeitet Manuela Richter noch. Und zwar in Vollzeit. Bis vor etwa einem Jahr hatte sie zusätzlich noch einen Nebenjob. Und dennoch ist sie arm. Sie hat gerade einmal 400 Euro zum Leben zur Verfügung, das ist eine Summe unter dem derzeitigen Hartz-IV-Satz. Manuela Richter muss noch alte Schulden abbauen, das hat sie ihrem Ex-Mann zu verdanken. An ihn muss sie auch Unterhalt zahlen, 200 Euro sind das monatlich.

Manuela Richter hatte eine glückliche Kindheit, sie machte dann eine Ausbildung, begann zu arbeiten. Und lernte mit 18 Jahren ihren späteren Mann kennen. Nach sechs Jahren heirateten die beiden. Anfangs lief es noch gut, erzählt sie. Das veränderte sich, als das erste Kind geboren wurde. Damals begann ihr Mann, sie und ihr Leben zunehmend zu kontrollieren. Aus dem Haus ging sie nur noch, um halbtags zu arbeiten, danach kümmerte sie sich um den Sohn und machte die Hausarbeit. "Ich versuchte, alles richtig zu machen. Aber mein Ex-Mann hat mich kontinuierlich klein gehalten. Hat mir immer wieder gesagt, dass ich dumm und ohne ihn nicht lebensfähig bin", erzählt sie. Im Laufe der Jahre wurde das immer schlimmer. Auch nach der Geburt des zweiten Sohnes, über die sie sich so freute, wurde es nicht besser. Trotzdem machte sie weiter, "in der Hoffnung, dass alles wieder anders wird". Das wurde es aber nicht - im Gegenteil. Die Situation wurde immer unerträglicher. Vor vier Jahren dann kam es zum Bruch. Ihr Ex-Mann kam nach einem Reha-Aufenthalt nach Hause und setzte sie und ihren jüngeren Sohn vor die Tür - innerhalb von einer Stunde mussten sie gehen. 2015 folgte schließlich die Scheidung - eigentlich sollte das eine Befreiung für Manuela Richter sein.

"Nach außen hin hat sie über viele Jahre hinweg ein normales Leben geführt, aber sie hatte eine Vielzahl von Problemen. Sie war wegen der häuslichen Gewalt psychisch belastet. Das alles führte zu einer absoluten Überlastung und letztendlich zu all den Erkrankungen", sagt Christian Jotter, Leiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes des Caritas-Zentrums Freising. Manuela Richter habe 25 Jahre lang verbale und psychische Gewalt erlebt. Das seien traumatische Jahre gewesen, "das macht einen Menschen kaputt".

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(Foto: Catherina Hess)

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Nach der Scheidung, so erzählt Manuela Richter, sei sie physisch und psychisch am Ende gewesen. Die epileptischen Anfälle waren für sie ein Warnsignal, sie suchte sich Hilfe bei der Caritas. Inzwischen gehe es ihr wieder besser, sagt sie. "Ich habe überlebt." Manuela Richter sei eine Kämpferin, sagt Roswitha Kuhn, ihre Psychologin bei der Caritas Freising, die sie seit Langem begleitet. Zwei Jahre müsse sie diese Situation noch irgendwie durchstehen, dann sei sie wieder schuldenfrei, berichtet Manuela Richter. "Wenn man sparsam lebt, geht es irgendwie. Aber mir etwas leisten, kann ich nicht. Mir mal etwas Schönes gönnen, ist nicht drin." Irgendwann aber werde sie sich ihren größten Wunsch erfüllen und mit ihren Kindern ein paar Tage wegfahren, sagt sie und ein Leuchten kommt in ihre Augen.

© SZ vom 22.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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