Prozess in Landshut:"Ersatzopa" wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt

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Ein 72-jähriger Rentner muss ins Gefängnis, weil er sich an einer Zehnjährigen vergangen und Filmaufnahmen gemacht hat

Von Alexander Kappen, Landshut

An seiner Schuld gab es für die Jugendkammer des Landgerichts Landshut um den Vorsitzenden Richter Theo Ziegler nach vier Hauptverhandlungstagen keinen Zweifel mehr. Sie verurteilte am Donnerstag einen Rentner aus dem Landkreis Pfaffenhofen wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes, sexuellen Kindesmissbrauchs in 22 Fällen und Herstellung kinderpornografischer Schriften in 13 Fällen zu vier Jahren und vier Monaten Gefängnis. Der 72-Jährige, der seine Rente als Busfahrer aufbesserte, hatte zwischen Januar und Dezember 2017 eine zehnjährige Schülerin aus dem Kreis Freising missbraucht und dabei Foto- und Filmaufnahmen gemacht.

Zwischen dem Angeklagten und dem Opfer bestand ein freundschaftliches Verhältnis. Er war eine Art Ersatzopa für das Mädchen, das er zunächst nur zur Schule und wieder nach Hause fuhr und später mit Einverständnis der Eltern auch privat traf, ehe die Sache "aus dem Gleis rutschte", wie der Rentner selbst sagte. Er gab an, sich in das Mädchen verliebt zu haben und beharrte darauf, die Taten nicht begangen zu haben, um sich sexuell zu erregen - was das Gericht nicht glaubte.

Drei Sachverständige trugen am Donnerstag ihre Gutachten vor, um die Schuldfähigkeit des Angeklagten zu klären. Sie attestierten dem 72-Jährigen organische Hirnschädigungen und kognitive Beeinträchtigungen, die auf eine beginnende Demenz hindeuteten. Eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit "kann vorliegen, muss aber nicht, aus psychiatrischer Sicht kann man das nicht ausschließen, aber auch nicht belegen", sagte einer der Sachverständigen. Schuldunfähigkeit wegen einer seelischen Störung konnte keiner der Gutachter definitiv feststellen. Auch eine Pädophilie liege nicht vor. Vielmehr sei der Angeklagte, der, gerade in sexueller Hinsicht, aus einem sehr restriktiven Elternhaus stamme und seine sexuellen Verlangen sein Leben lang unterdrückt habe, aufgrund der organischen Störungen im Alter enthemmt gewesen. Das Mädchen sei nicht das eigentliche Objekt der Begierde, sondern Mittel zum Zweck gewesen, hieß es. Der nicht vorbestrafte Rentner war zuvor noch nie als pädophil auffällig geworden.

Der Staatsanwalt unterstellte dem Angeklagten zu seinen Gunsten eine eingeschränkte Steuerungsfähigkeit, "weil sie nicht auszuschließen ist". Zudem habe er ein Teilgeständnis abgelegt und "eine gewisse Reue und Schuldeinsicht" gezeigt. Allerdings neige der Angeklagte dazu, "seine eigene Rolle bei den Taten zu bagatellisieren". Die Folgen für das Opfer seien "derzeit Gott sei Dank noch nicht so schlimm, aber man weiß nicht, wie das Mädchen mit den Vorfällen umgeht, wenn es 16, 17 oder 18 Jahre alt ist". Er beantragte eine Gesamtstrafe von vier Jahren und acht Monaten.

Für die Familie des Mädchens, die als Nebenklägerin auftrat, schloss sich deren Anwältin diesem Antrag an. Sie verwies auf die sichergestellten Fotos und die Videos, in denen der Angeklagte "auf ganz, abstoßende Weise wie in einem Pornofilm Regie geführt hat - mir hat es teilweise den Magen umgedreht". Welche psychischen Folgen die Vorfälle für das Mädchen in Zukunft hätten, "können wir heute noch nicht im Ansatz sagen".

Der Richter sprach von einer potenziellen "Schneise der Verwüstung, es besteht eine sehr hohe Gefahr, dass die Taten für das Mädchen eine seelische Belastung darstellen werden". Gegen den Rentner spreche auch die Vielzahl der Taten, der lange Zeitraum und "die sehr intensive Art des Missbrauchs". Auch das Gericht konnte jedoch eine verminderte Steuerungsfähigkeit nicht ausschließen und wertete zudem den finanziellen Täter-Opfer-Ausgleich durch den Rentner zu dessen Gunsten. Es liege keine Vergewaltigung vor, der Angeklagte habe keine Gewalt angewendet. Man gehe nach Ansicht der Videos davon aus, dass das Mädchen "mitgemacht hat, weil es die Freundschaft nicht gefährden wollte".

© SZ vom 05.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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