Prozess in Landshut:Blutiges Ende eines Geburtstagsfests

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Ein 34-Jähriger muss sich vor Gericht wegen versuchten Totschlags verantworten. Bei einer Feier in Neufahrn, bei der viel Alkohol floss, verletzte er zwei Kontrahenten, mit denen er in Streit geraten war, mit dem Messer

Von Alexander Kappen, Landshut/Neufahrn

Es war ein ausgelassenes, rauschendes Geburtstagsfest in einer Neufahrner Bar. Mit Musik und viel Alkohol. Beides sorgte dafür, dass die Feier im Oktober vergangenen Jahres ein blutiges Ende nahm und ein heute 34-jähriger Mann, der zuletzt in Essenbach wohnte, sich jetzt wegen versuchten Totschlags vor der Schwurgerichtskammer des Landshuter Landgerichts verantworten muss.

Zu fortgeschrittener Stunde kam es zunächst in und dann vor dem Lokal offenbar zu einem Streit darüber, wer an dem Abend singen darf und wer nicht. Als sich ein Freund des Angeklagten in einer Pause das Mikrofon schnappte, um selbst zu singen, fand das der Sänger, der eigentlich mit seiner Band auftrat, laut Zeugenaussagen offenbar nicht so lustig. Es kam zum Disput zwischen den beiden Männern, ehe der Angeklagte draußen vor der Bar handfest ins Geschehen eingriff und am Ende der Auseinandersetzung zwei Kontrahenten mit einem Messer verletzte.

Der 34-Jährige ist kein unbeschriebenes Blatt. In seiner rumänischen Heimat sowie in Tschechien ist er schon zwei Mal wegen Totschlags verurteilt worden. Einmal, so berichtete er bei der Untersuchung beim Landgerichtsarzt, ist er mit dem Messer auf den Bruder seines Stiefvaters losgegangen, weil der im Rausch seine Mutter geschlagen haben soll. Im anderen Fall stach er einen Mann in den Brustkorb, der ihn vor einer tschechischen Diskothek angegriffen haben soll.

Bei der Auseinandersetzung in Neufahrn soll der Beschuldigte laut Anklage vor der Bar dem heute 40-jährigen Sänger der Band ein Glas gegen die linke Seite des Kopfes und mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben. Nachdem zwei Söhne des Sängers und andere Barbesucher die beiden getrennt hatten, gerieten die Kontrahenten erneut aneinander. Dabei, so der Vorwurf, zog der Angeklagte ein Messer und fügte einem der Söhne, mit dem er befreundet war, eine Wunde am Oberschenkel zu. Den Sänger traf er mit dem Messer in Bauch und Oberarm. Dabei handelte es sich laut Anklage um Stichbewegungen Richtung des 40-Jährigen, "die geeignet waren, bei diesem erhebliche und auch tödliche Verletzungen zu verursachen".

Der Angeklagte war an dem Abend nach eigenen Angaben und nach den Schilderungen von Zeugen sehr stark betrunken - so wie angeblich fast immer in der Vergangenheit. So hatte er es jedenfalls selbst gegenüber dem Landgerichtsarzt angegeben, wie den Vorhaltungen des Vorsitzenden Richters Markus Kring zu entnehmen war. Der Angeklagte hatte da von schwierigen Verhältnissen während seiner Kindheit und Jugend berichtet. Die Eltern ließen sich wegen das starken Alkoholkonsums des gewalttätigen Vaters scheiden, bei dem der Angeklagte nach der Trennung lebte, bis es zum Streit kam und er auszog.

Der Beschuldigte tingelte dann durch ganz Europa und hielt sich als Saison- und Gelegenheitsarbeiter sowie durch Betteln und Diebstähle über Wasser. Unter anderem saß er schon in Schottland, Holland, Frankreich und Rumänien im Gefängnis. Seinen täglichen Alkoholkonsum gab der Angeklagte folgendermaßen an: drei, vier Bier und eine Flasche Whisky, wenn es wenig war. Vier Flaschen Whisky, wenn es viel war.

Den Vorfall in Neufahrn schilderte der 34-Jährige anders, als es in der Anklage steht. Er sagte zum Prozessauftakt am Dienstag, beim Streit mit dem Sänger habe zunächst er selbst von diesem ein Glas an den Kopf und einen Faustschlag ins Gesicht bekommen. Das hatten offenbar auch Zeugen so gesehen. Dass vielleicht auch er mit Glas und Faust zugeschlagen habe, bestritt er nicht, "aber nicht als Erster". Nach einer Pause seien sieben, acht Leute um ihn rum gestanden, hätten ihn geschlagen und getreten, als er am Boden lag, "auch auf den Kopf und ins Gesicht". Dann habe er mit dem Messer zwei Personen "geschlagen" und erst von seinem Verteidiger erfahren, wen er getroffen habe.

Eine Freundin der beiden Opfer - vom Richter nachdrücklich an ihre Wahrheitspflicht erinnert - sagte, dass der Sänger nach der kurzen Unterbrechung der Auseinandersetzung den Angeklagten angesprungen habe. Dann sei es zu einer Massenschlägerei und den Messerattacken gekommen. Dem Richter wollte "nicht in den Kopf", warum der Angeklagte überhaupt ein Messer dabei hatte: "Sie sind zwei Mal in anderen Staaten wegen der Tötung eines Menschen mit einem Messer verurteilt worden und rennen trotzdem wieder mit so einem vermaledeiten Ding in der Tasche rum." Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ vom 20.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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