Prozess:Drama über den Wolken

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Psychisch gestörter Mann steht wegen Bombendrohung im Flugzeug vor Gericht

Von Peter Becker, Landshut/Flughafen

Dramatische Szenen haben sich im Mai des vergangenen Jahres auf Flug FHY7972 der Gesellschaft "Free-Bird" von Brüssel nach Antalya über dem Rheinland abgespielt. Ein heute 51-jähriger Mann war wiederholt Richtung Cockpit gegangen und hatte Einlass begehrt. Als ihn eine Stewardess erneut abgewiesen hatte, nahm er seine Tasche an sich und drohte laut Anklageschrift der Staatsanwalt sinngemäß: "Ihr seid keine Moslems. Ich werde euch umbringen, mit einer Bombe umbringen." Der Mann wurde von Passagieren überwältigt und muss sich seit diesem Dienstag wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr vor dem Landshuter Landgericht verantworten.

Der Pilot hatte die Vorgänge über Bordkameras mitverfolgt und leitete die Landung auf dem Flughafen im Erdinger Moos ein. Dort übergab das Personal den mit Kabelbindern gefesselten Mann der wartenden Polizei. Die war vom Landeskriminalamt im Zusammenhang mit einem Anschlag auf ein jüdisches Museum in Brüssel in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden. Dort hatte ein bis dahin unbekannter Täter, der sich noch auf freiem Fuß befand, drei Menschen erschossen. Die Polizisten mussten damit rechnen, den Attentäter gefasst zu haben. Im Zuge der Vernehmungen stellte sich allerdings heraus, dass der festgenommene Belgier türkischer Abstammung nichts mit dem Geschehen in Brüssel zu tun hatte. Bei einer Untersuchung fanden Spürhunde keinen Hinweis auf Sprengstoff. Das Gepäck des Mannes bestand aus Kaffeepaketen, Konservenbüchsen und Medikamenten sowie einige Tausend Euro. Die habe er bei sich geführt, um in der Türkei zu heiraten, sagte der 51-Jährige auf Nachfrage von Vorsitzendem Richter Konrad Lackner. In seiner Tasche fand sich außerdem ein Koran. Dieser veranlasste eine Stewardess zu dem Verdacht, es handele sich tatsächlich um einen islamistischen Attentäter.

Der Passagier war einer als Zeugin vernommenen Flugbegleiterin schon beim Boarding unangenehm aufgefallen. "Er hat wütend oder aufgeregt um sich geblickt", sagte die Frau. "So als ob er gleich etwas anstellen würde." Nachdem ihr der Passagier durch sein Verhalten immer unheimlicher erschienen war, bat sie Passagiere einzugreifen, falls der Mann gewalttätig werde. Was diese dann auch taten.

Bei den Vernehmungen durch die Polizei stellte sich heraus, dass der vermeintliche Attentäter wohl unter einer psychischen Störung leiden musste. Ein als Zeuge geladener Polizist beobachtete, dass er beim Anziehen erst in seine Schuhe schlüpfte und dann erst seine Hose anziehen wollte. Außerdem behauptete der 51-Jährige, er habe ein Fahrrad erfunden, mit dem er die Welt beglücken wolle.

In der Brüssel hatte der Beschuldigte ein sehr isoliertes Leben geführt. Seit Jahren war er arbeitslos. Sein Anwalt Helmut Oertel gab für seinen Mandanten eine Erklärung ab. "Er leidet unter einer Angststörung." Bei der Bombendrohung handele es sich im Übrigen um ein Missverständnis: Der Beschuldigte habe nicht mit einer Bombe gedroht, sondern wollte vor einem Anschlag warnen, der seiner Ansicht nach kurz bevor stand. Dem steht die Aussage der als Zeugin geladenen Stewardess gegenüber. Diese sagte, sie habe deutlich gehört, wie der Angeklagte alle ehrlosen Ungläubigen mit dem Tod bedroht habe. Dabei wiederholte er, dass er eine Bombe bei sich habe. Eine Sachverständige gab weitere Hinweise auf eine psychische Störung des Beschuldigten. Dieser habe zuletzt noch nicht einmal Radio gehört, weil er fürchtete, über dieses ausspioniert zu werden. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.

© SZ vom 20.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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