Der Freisinger Domberg wird von alters her als "Mons doctus" bezeichnet. Wörtlich übersetzt heißt dies "gelehrter Berg". Eine Geländeform kann zwar nicht gebildet oder gar weise sein, ihre Bewohner aber sehr wohl. Einer von ihnen ist Professor Peter Steiner, von 1979 bis 2007 Direktor des Diözesanmuseums. An diesem Samstag feiert er seinen 80. Geburtstag.
Verhaltene Begeisterung rief die Ankündigung eines Museumsbesuches in den 70er Jahren beim Verfasser dieser Zeilen und seinen Mitschülern der Freisinger Knabenschule St. Georg hervor. Das war vor der Visite der Rosenkranzausstellung im Diözesanmuseum. Danach machten wir uns voller Eifer daran, Rosenkränze zu basteln. Ein junger Kunsthistoriker namens Peter Steiner hatte nämlich nicht nur die Freude am Schauen, sondern auch das Verständnis und die Begeisterung für alte Gebetsschnüre in uns geweckt. Kunstgeschichte ist eine sinnliche Wissenschaft.
Sie erfordert die Fähigkeit, vom sichtbaren Objekt auszugehen und ihm nicht abgegriffene Ideen überzustülpen. Letzteres käme Peter Steiner nie in den Sinn, auch bei religiöser Kunst. Sso wurde er zu einem exzellenten Kunstexperten und Kunstvermittler, dessen Führungen und Vorträge bis heute fesseln. In Freising kann ihm keiner, im deutschsprachigen Raum nur wenige das Wasser reichen.
Freising:Stadt ohne Gesicht
Der ehemalige Leiter des Diözesanmuseums Peter B. Steiner wirft Planern in Freising "Kahlschlagsanierung" vor. Er fordert einen Stadtbaumeister, den Erhalt von Baudenkmälern und eine Gestaltungssatzung.
Von 1979 bis 2007 war Peter Steiner Direktor des Diözesanmuseums in Freising. In dieser Zeit verwandelte sich das Haus von einer Sammlung kirchlicher Kunstaltertümer zu einem lebendigen Kulturort mit überregionaler Ausstrahlung. Zahlreiche Ausstellungen wie "Gottesbild", "Sankt Georg, der Ritter mit dem Drachen", "Madonna" oder "Kreuz und Kruzifix" durchbrachen wissenschaftlich fundiert und didaktisch beherzt den eurozentrischen Blick auf die Kunst. Dieser Weitblick war damals noch nicht selbstverständlich, zeigten doch viele große deutsche Museen immer noch brave Werkschauen der alten Schule. Ein Höhepunkt war die Ausstellungstrilogie mit Werken zeitgenössischer Künstler zum Millennium in den Jahren 1998 bis 2000.
Peter Steiner holte international renommierte Künstler wie Marina Abramović oder Ólafur Elíasson nach Freising, lange bevor das Museum of Modern Art in New York, die Tate Modern in London oder die Bayerische Staatsoper auf sie aufmerksam wurden. Das Diözesanmuseum unter Peter Steiner war seinerzeit ein international beachteter Ausstellungsort, die dort gezeigte Kunst hat allerdings so manchen kirchlichen Amtsträger verschreckt.
"Suchen sie in Texten von Kunsthistorikern nicht nach einem Sinn, den es oft nicht gibt". Diesen Ratschlag erteilte eine bekannte Professorin für Kunstgeschichte ihren Münchner Studierenden vor fast 40 Jahren. In der Tat ist es nicht einfach, ein Bild in Sprache zu übersetzten. Peter Steiner gelingt dies scheinbar mühelos in seinen Aufsätzen und Büchern. Steiners analytischer Verstand spiegelt sich in einer einleuchtenden Sprache mit klaren Worten wider. Diese gefallen nicht jedem, denn Peter Steiner nimmt kein Blatt vor den Mund, vor allem wenn es um die Belange des Denkmalschutzes und die Ignoranz von Städteplanern geht.
Vieles hat sich in den letzten Jahren auf dem Freisinger Domberg verändert, einiges wird sich noch ändern. Vielleicht macht der Inselberg zwischen den Moosach-Armen gegenwärtig den Eindruck eines Mons dormiens: Den Qualitätsanspruch eines Mons doctus wird er durch Persönlichkeiten wie Peter Steiner noch immer gerecht.
Der Autor ist Kreisheimatpfleger im Landkreis Freising.