Oldtimer:Auf dem Bulldog nach Nordhorn

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Um die rot-silbernen Schlepper ihrer favorisierten Marke zu bestaunen, ist den Mitgliedern des Freisinger Schlüter-Clubs kein Weg zu weit. Einige von ihnen haben früher bei dem Traktorenbauer gearbeitet

Von Thilo Schröder, Freising

Die beiden Schlütertürme sind ein Wahrzeichen der Stadt Freising. Heutzutage weisen sie Besuchern den Weg in ein Einkaufszentrum. Doch bis in die Neunzigerjahre ist auf dem Werksgelände die Traktorenfirma Anton Schlüter beheimatet gewesen, die ihre Schlepper europaweit vermarktet hat. Als das fast 100-jährige Familienunternehmen 1993 schließt, geht eine Ära zu Ende. Fans der Bulldogs mit der markanten rot-silbernen Lackierung und der kantigen Karosserie haben sich im Jahr 2000 entschlossen, den "1. Schlüter-Club Freising e. V." zu gründen. Der zählt mittlerweile etwa 380 Mitglieder.

Hans Helminger, erster Vorsitzender des Schlüter-Clubs Freising, und Ludwig Auberger, zweiter Vorsitzender (rechts) nebst zweier Schlüter-Traktoren. Der rechte, Baujahr 1957 und 45 PS stark, ist Hans Helmingers ältestes Modell. (Foto: Marco Einfeldt)

Hans Helmingers Augen beginnen zu leuchten und ein Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus, als er den Traktormotor startet. Marke: natürlich Schlüter. Baujahr: 1957. Helminger ist seit 2008 Vorsitzender des Schlüter-Clubs Freising. Mit der Marke ist er jedoch schon viel länger verbunden. 1979, mit Anfang zwanzig, beginnt er als Lastwagenfahrer in den Schlüterwerken. Damit geht für ihn ein Traum in Erfüllung - oder besser: nimmt seinen Anfang. Schon immer habe er eine Verbindung zur Marke Schlüter gehabt, erzählt der heute 61-Jährige. Nun durfte er die geliebten Bulldogs ausliefern. Vorerst.

An Werkzeug mangelt es Helminger nicht, um in seiner Werkstatt alte Schlüter-Schlepper zu reparieren. (Foto: Marco Einfeldt)

Neben der Produktion sind die groß angelegten Feldvorführungen ein Aushängeschild der Firma. Bald stößt Helminger zu den Vorführtrupps und wird Teil dieses öffentlichen Höhepunktes, den der Schlüter-Club heute noch regelmäßig zelebriert. Helminger ist in dieser Zeit auch mit vielen Schlüter-Ausstellungen unterwegs. Von der Konkurrenz abgehängt, muss das Freisinger Werk dennoch im Dezember 1993 schließen. Der damalige und letzte Chef, Anton Schlüter junior, habe sich dagegen entschieden, dass eine andere Firma einsteigt, so Helminger. Am Ende wird das Unternehmen an die Landtechnik Schönebeck in Sachsen-Anhalt verkauft. "Das war für uns ein Tiefschlag."

Der Schlüter-Club Freising verfügt über einen ganzen Fuhrpark der berühmten Traktoren. (Foto: Marco Einfeldt)

An eine Vereinsgründung habe damals noch niemand gedacht, die Preise für Schlüter-Bulldogs waren im Keller. "Da waren auch die Bauern selbst dran schuld, weil jeder Angstverkauf gemacht hat", sagt Helminger. Man habe das mitbekommen und mit dem Gedanken gespielt: "Jetzt ist der Schlüter billig, da kaufen wir uns noch mal einen. Aber nicht mit dem Gedanken, dass die vielleicht mal viel wert sind, das haben wir noch nicht gewusst."

In den Folgejahren hatte es einige Gründungen von Schlüter-Fanklubs gegeben. Den ersten davon in Norddeutschland, zum Erstaunen Anton Schlüters, erinnert sich Helminger. Auf die Gründungswelle reagiert hätten Alfred Weichenrieder und weitere Schlüter-Liebhaber in der Region. "Die haben sich zusammengesetzt und gesagt: Es kann nicht sein, dass das Schlüterwerk so sang- und klanglos untergeht und von der Bildfläche verschwindet - und haben dann einen Verein gegründet."

Helminger fasziniert an der Marke Schlüter die Form. "Die ist ja zeitlos. Wenn ich heute mein Getreide wegfahre, nehme ich einen Schlüter-Schlepper, da wirst du bestaunt." Vor 20 Jahren habe das keinen interessiert, heute sei das anders. Faszinierend sei vor allem die damalige Technik. Beispielhaft nennt er die ab 1974 verbaute hydraulisch kippbare Fahrerkabine. Damit kann der Arbeitsbereich vom Motor bis zur Hinterachse in wenigen Minuten freigelegt und Reparaturarbeiten können wesentlich leichter durchgeführt werden.

Plaketten erinnern an die Ausflüge der Vereinsmitglieder. 2012 beispielsweise ging es zum Großglockner. (Foto: Marco Einfeldt)

Es ist auch die Typenvielfalt, die Helminger begeistert. "Compact, Super, Super Trac, Euro Trac, Profi Trac", zählt er verschiedene Baureihen auf. Er hat selbst einige Modelle auf dem familieneigenen Hof in Goldach stehen. Der Schlüter-Motor der Siebzigerjahre sei damals "das Nonplusultra" gewesen im Vergleich mit der Konkurrenz, schwärmt Helminger.

Viele Gründe also, um einen Verein auf die Beine zu stellen. Highlight des Schlüter-Clubs ist die große Feldvorführung, die alle vier Jahre organisiert wird. Die Schlüter-Fans treffen sich außerdem monatlich zum Stammtisch im Hausler-Hof in Hallbergmoos. Dort schaut auch gerne mal die Hallertauer Hopfenkönigin vorbei, so geschehen 2012 in Person von Elisabeth Fuß. Des Weiteren unternehme man viele Ausflüge, man besuche große landwirtschaftliche Betriebe und Firmen - 2013 zum Beispiel das Mannheimer Werk des amerikanischen Landtechnikunternehmens John Deere oder 2014 die Firma Pöttinger in Oberösterreich.

Um Schlüter-Schlepper zu bestaunen, ist den Fans kein Weg zu weit: 2016 fuhren 48 Mitglieder, acht von ihnen mit ihren eigenen Bulldogs, zu einem Schlüter-Treffen ins niedersächsische Nordhorn. Und wenn eines der Mitglieder Hochzeit feiert, wie 2011 das damalige Vorstandsmitglied Sepp Lanzinger, sind die Schlüter-Freunde natürlich auch dabei, um den mit einem Schlüter-Tretbulldog verzierten Hochzeitsbaum aufzustellen.

Mitglieder seien einerseits ehemalige Mitarbeiter der Schlüterwerke sowie Landwirte, die der Marke immer noch sehr verbunden seien. Es seien andererseits "ganz gewöhnliche Leute, die mit Landwirtschaft eigentlich nichts zu tun haben, aber von der Marke Schlüter fasziniert sind". Und die kommen nicht nur aus der Region: 2015 begrüßte Helminger drei Mitglieder aus der Nähe von Bremen und Hannover. Wie viel Zeit er in den Verein investiere? "Viel." Das Engagement laufe zwar nebenher, und heuer gebe es auch keine Feldvorführung. Aber wenn so ein Treffen anstehe, koste das "sehr viel Zeit". Die Planungen beginnen dann schon ein Jahr im Voraus. "Unter'm Jahr, bis das so weit ist, das sind ja viele Stunden, viele Wochenenden." Heuer stünden noch ein Grillfest und ein Ehemaligen-Treffen an. Letzteres schließt an einen Informationsabend zur Geschichte der Firma Schlüter im März an, bei dem ehemalige Mitarbeiter aus höheren Positionen referiert haben. "Brutal gut" sei das gewesen, "über 500 Leute waren da".

Eine Schlüter-Galerie, die dem Andenken der Firma noch mehr Ausdruck im öffentlichen Raum verleihen würde, das kann sich Helminger gut vorstellen. Dafür braucht es allerdings den passenden Ort; derzeit habe man lediglich eine kleine Glasvitrine im Hausler-Hof. Die Schlüterhallen stehen dafür nicht zur Verfügung. Dort erinnern zumindest auf alt gemachte Fotos und ein Schlüter-Traktor an die glorreiche Vergangenheit der einstigen Werkshallen.

© SZ vom 11.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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