Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit ist das frühere Müller-Brot-Gelände in den vergangenen Monaten zu einem regelrechten Kulturzentrum geworden. Wo früher Semmeln und Brezen gebacken wurden, sind heute unter anderem wertvolle Bühnendekorationen und antike Bücher gelagert. Denn zu den Mietern gehören a die Bayerische Staatsbibliothek und die Erzdiözese München und Freising. Letztere hat in der ehemaligen Brotfabrik umfangreiche Bestände aus der sanierungsbedürftigen Freisinger Dombibliothek gelagert.
370 000 Bände sind es nach Angaben eines Ordinariatssprechers, dazu kommen "mehrere Regalkilometer Archivgut". Eine besondere Herausforderung bedeutet das auch für den Vermieter. Damit die historischen Bücher nicht Schaden nehmen, ist eine aufwendige Klimatisierung nötig, wie Joachim Häring von der JMH Immobilien Projekt GmbH erklärt. An 40 Punkten werde die Feuchtigkeit regelmäßig genau gemessen.
In der Nachbarschaft sind Romeo, Julia und Carmen eingezogen. Die Bayerische Staatsoper hat in Neufahrn ein 5500 Quadratmeter großes Außenlager eingerichtet und bewahrt dort Dekorationen verschiedener Opern- und Ballettproduktionen auf - je nachdem, was auf der Bühne in München gerade nicht gebraucht wird.
Wo früher das Müller-Brot-Logo zu sehen war, stehen jetzt die Namen vieler Firmen, die nach dem Aus der Brotfabrik eingezogen sind.
Dort, wo einst Müller-Brot beheimatet war, befinden sich jetzt unter anderem der Lagerraum der BC Restoration Products GmbH.
Auch der Ausbildungsraum der Sanierungsfirma Belfor hat hier Platz gefunden.
Einen zweistelligen Millionenbetrag hat JMH in die Um- und Ausbauten sowie die Errichtung eine Parkhauses investiert, seit sie das frühere Müller-Brot-Gelände gekauft hat. Gebäude wurden komplett entkernt, Dächer und Fassaden erneuert. "Wir haben die neue Energiesparverordnung zum Teil noch getoppt", erzählt Häring stolz. Mit einem guten Dutzend Mietern hat sein Unternehmen Verträge abgeschlossen. Darunter sind auch Firmen, von deren Existenz die meisten Neufahrner bisher wohl noch nicht einmal etwas geahnt haben.
Die Inline Animals GmbH zum Beispiel bezeichnet sich selbst als "erster und größter Distributor für Aufsitzspielzeuge". Sie wirbt mit einem "revolutionären Prinzip", das einen "echten Ritt" auf dem Schaukelpferd ermöglichen und dabei gleich die Koordination und Motorik von Kindern trainieren soll. Väter werden sich womöglich eher für den bekannteren Nachbarn gleich an der Pforte interessieren: Über "Wirkaufendeinauto.de" lassen sich Gebrauchtwagen veräußern.
Die Vital Aire GmbH wiederum hat sich auf die "respiratorische Heimtherapie" spezialisiert. Von Neufahrn aus "versorgen wir Patienten mit flüssigem, tief kalten medizinischem Sauerstoff", erklärt Projektleiter Christian Weis. Mit Power-Drinks handelt das Start-up-Unternehmen "The Rootine". Die Firma " VCA Logistik + Services" kümmert sich unter anderem um Zeitungen und Zeitschriften, die von Bahnhofsbuchhändlern nicht verkauft wurden und als Remissionen zurückkommen. Auf die Sanierung von Brand-, Wasser- und Sturmschäden hat sich die Firma Belfor spezialisiert. Das Unternehmen entwickelt in Neufahrn etwa spezielle Sanierungschemikalien. Es finden aber auch Mitarbeiter-Schulungen und Kunden-Seminare statt. "Davon profitiert auch die Hotellerie und Gastronomie", ist Joachim Häring überzeugt.
Mit Sprinkler- und Montagebau befasst sich Hansa. Auch Speditionen haben sich auf dem früheren Müller-Brot-Gelände angesiedelt: Hendricks transportiert Felgen und Reifen für BMW, und Roll-Safe versorgt Logistiker der Tiefkühl- und Frischdienstbranche mit Waren.
Längst bekannt ist in Neufahrn das Programm "KidsPro", das Andreas Busche 2002 gegründet hat. Kinder und Jugendliche können damit etwa in Kindergärten und Schulen die Konfliktbewältigung trainieren und lernen, wie sie kritischen Situationen vorbeugen können. Busche ist auch Inhaber einer Kampfsportschule, die aber weiterhin am Fürholzer Weg bleibt, wie er auf Anfrage erklärte.
Insgesamt rund 250 Arbeitsplätze befinden sich auf dem 4,3 Hektar großen früheren Müller-Brot-Gelände. Ein Teil entfällt auch auf die Höflinger Müller GmbH, die nach dem Aus von Müller-Brot das Filialnetz übernommen und in Neufahrn ihre Firmenzentrale eingerichtet hat. Auch die Bäckerei neben der Gelände-Pforte gibt es weiterhin - sie soll laut Häring sogar zu einem richtigen Café ausgebaut werden.