Wirtshaus und Kirche - diese beiden Institutionen bildeten Jahrzehnte in Dörfern und Städten quasi eine Einheit. War der Gottesdienst vorbei, gingen die Leute, zumindest die Männer, hinterher zum Frühschoppen zum Wirt. Und in der Tat: In Nandlstadt sind es von der Kirche St. Martin auch nur ein paar Schritte zum Oberbräu an der Freisinger Straße, der vergangene Woche seine Neueröffnung feierte. Ewald Zechner, leidenschaftlicher Gastronom aus dem Landkreis Dachau, hat das historische Gebäude übernommen und will dort künftig mit bayerischer Küche seine Gäste verwöhnen.
Beim Oberbräu handelt es sich um ein historisches Gemäuer von barockisierender Architektur. Er ist das einzig bestehende Wirtshaus als Einzeldenkmal in Nandlstadt. Das Gebäude gehörte einst zur Brauerei Penker. Der Oberbräu erhielt 1909 sein jetziges Aussehen. Im Jahr zuvor war er abgebrannt und dann neu gebaut worden. 1917 ist der Penkerbräu an die Münchner Spatenbrauerei verkauft worden.
Mitte der Sechzigerjahre haben Elfriede und Peter Schauer dem Spatenbräu die Wirtschaft abgekauft. In all den Jahren war der Oberbräu gesellschaftlicher Mittelpunkt in der Marktgemeinde. Zum Gasthaus gehörte ein Saal dazu, in dem gar manche Nandlstädter die Nächte durchgemacht haben. Nach der Familie Schauer haben weitere Pächter den Oberbräu übernommen. Die gaben sich in den vergangenen Jahren fast die Klinke in die Hand. Zuletzt residierten dort eine Pizzeria, diverse asiatische Restaurants und eine Tattoo&Piercing-Bar. Und immer wieder gab es Leerstand.
Der Oberbräu hatte über die Jahre seine Anziehungskraft verloren. Das Gebäude befand sich zuletzt in renovierungswürdigem Zustand. Peter Geiger, ein Enkel der Familie Schauer, wollte das ändern. Zusammen mit seiner Frau Mirjam beschloss er, den Oberbräu zu renovieren und wieder eine bayerische Wirtschaft daraus zu machen. Die Marktgemeinde war mit im Boot und unterstützte das Vorhaben finanziell.
Peter Geiger hat sich bewusst Zeit gelassen, einen geeigneten Pächter zu finden
Zu Hilfe kam dabei das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (Isek) der Regierung von Oberbayern. Die Marktgemeinde entwickelte eigens ein Konzept und erhielt dafür Geld, um Bürgerinnen und Bürger zu unterstützen, die zusammen mit dem Denkmalschutz erhaltenswerte Gebäude sanieren wollen. Auflage war allerdings, dass die Bevölkerung einen Mehrwert davon hat, was bei einem Wirtshaus als gesellschaftlicher Mittelpunkt natürlich der Fall ist. Die Marktgemeinde hatte zur Umsetzung des Isek-Projekts drei Jahre lang 100 000 Euro in den Haushalt gestellt und bekam 60 Prozent von der Regierung von Oberbayern zurück erstattet. Die Förderung des Oberbräu betrug dabei 25000 Euro.
Geiger hatte sich bewusst Zeit gelassen, einen neuen Pächter zu finden. Der fand sich schließlich im 45-jährigen Zechner, einem gebürtigen Österreicher, der seit langem in der Gastroszene im Landkreis Dachau unterwegs ist. Über Bekannte hatte er erfahren, dass der Oberbräu zu pachten ist. "Dann wurde der Kontakt hergestellt", sagt er auf Nachfrage. Corona hat das Engagement des neuen Pächters zunächst ausgebremst.
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Jetzt war es dann endlich soweit: Zechner, Josef Schrädler, Direktor der Staatsbrauerei Weihenstephan sowie der Nandlstädter Bürgermeister Gerhard Betz stachen die ersten drei Fässer Bier an. Zuvor erteilte Pfarrer Stephan Rauscher den kirchlichen Segen, bevor das Bier fließe, sagte er in seiner launigen Rede. "Der Mensch ist ein soziales Wesen", stellte Rauscher fest. Drum hoffe er, dass die Nandlstädterinen und Nandlstädter es zu schätzen wissen, dass es den Oberbräu wieder gibt. "Ich selbst gehe mit gutem Beispiel voran", versprach Rauscher. Er werde sich ab und zu mal im Wirtshaus sehen lassen.
Zechner wird sich die erste Zeit öfters im Oberbräu sehen lassen. Zu seinem Team gehören Daniela Hellmann (Mangement), Restaurantleiterin Anja Matthaes und Küchenchef Markus Schmeckenbecher. Die Speisekarte ist in Form eines Zeitungsständers gehalten. Der hungrige Gast kann unter verschiedenen Schnitzeln, Brotzeiten und anderen bayerischen Gerichten wählen. Natürlich gibt es auch Veganes und Vegetarisches. Was heutzutage nicht mehr selbstverständlich ist: Auch Schafkopfer sind im Oberbräu willkommen.