Pilgern in Freising:"Ein Weg zu sich selbst"

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Die Pilgerbegleiterin Silvia Thalhammer auf dem Isardamm. (Foto: Marco Einfeldt)

Das Interesse für das Pilgern wächst, auch vonseiten junger Menschen. Deshalb will das Ordinariat neue Wege erforschen und markieren. Auch im Landkreis Freising.

Von Francesca Polistina, Freising

Silvia Thalhammer nennt sie ihre "Kraftorte". Orte, die beruhigend und zugleich stärkend wirken, die Emotionen auslösen und inspirieren. So wie der Domberg, das Korbiniansbrünnlein am Weihenstephaner Berg oder der Kreuzweg zur Wies. Oder die monumentale Rotbuche, die neben der Turnhalle an der Luitpoldanlage in Freising steht.

An diesem heißen Nachmittag bietet die Rotbuche angenehmen Schatten, ihre Blätter rascheln in der leichten Brise. Hier beginnt Silvia Thalhammer, die bei der Diözese eine Ausbildung zur Pilgerbegleiterin absolviert hat und beim Kreisbildungswerk tätig ist, ihre "Kraftorte to go": Kurze Pilgeretappen à zirka acht Kilometer, die leicht zu gehen sind und zu jenen Orten führen, die für sie eine besondere "Ausstrahlung" haben. Manchmal, wie eben bei der Rotbuche, gehören sie zur Natur, manchmal sind es vom Menschen erschaffen worden und mit Spiritualität aufgeladen. Eine feste Definition dieser Kraftorte gibt es nicht, auch eine endgültige Liste fehlt. "Kraftorte sind sehr individuell", sagt Silvia Thalhammer. Und sowieso geht es beim Pilgern nicht nur darum, einen festgelegten Wallfahrtsort oder eine heilige Stätte zu erreichen, sondern auch darum, beim Gehen in sich zu gehen. Ein Pilgerweg, sagt sie, ist immer auch "ein Weg zu sich selbst".

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Pilgern ist beliebt. Mit seinem Buch "Ich bin dann mal weg" hat Hape Kerkeling 2006 den Jakobsweg in Deutschland bekannt gemacht, seitdem sind zigtausende losgelaufen. Und das tun sie immer noch: "Das Interesse wächst, auch von Seiten junger Menschen", sagt Gabriela Grunden, Theologin und Leiterin der Abteilung Spiritualität im erzbischöflichen Ordinariat München und Freising. Ihrer Meinung nach sehnen sich viele Menschen danach, ihre eigene innere Stimme zu finden, die im hektischen Alltag manchmal untergeht. Das Gehen in der Natur erlaube einen Kontakt mit dem eigenen Körper und mit der eigenen Seele, auf dem Weg kommen viele "zur Ruhe und zu Gott", wie sie sagt. Und gesund nach einem Tag vor dem Computer ist es sowieso.

Eine Etappe des Martinusweges endet in Marzling

Seit 2015 verläuft eine Etappe des Münchner Jakobsweges auch durch den Landkreis Freising: sie startet am Domberg und führt über Hohenbachern nach Kranzberg, dann weiter in Richtung Ampermoching. Auch eine Strecke der Via Sancti Martini, auch Martinusweg genannt, führt von Oberding im Erdinger Moos bis nach Marzling, wo sie an der Martinskirche endet. Danach unterbricht sich der Martinusweg bis nach Augsburg. Das Ordinariat habe dies allerdings auf dem Schirm, versichert Gabriela Grunden: "Wir haben vor, fehlende Strecken auf dem Martinusweg nachzumarkieren". Einen zeitlichen Rahmen für dieses Projekt gibt es aber noch nicht.

Der Martinusweg wurde 2016 eingeweiht. Er beginnt in der ungarischen Stadt Szombathely, der Geburtsstadt des Heiligen Martins, und verläuft durch Österreich, Deutschland, Luxemburg, Belgien und Frankreich bis nach Tours, wo der Heilige Martin Bischof war und gestorben ist. Der Weg ist deutlich jünger und unbekannter als der an manchen Strecken überfüllte Jakobsweg, doch viele Pilger scheinen genau das zu suchen: "Viele Menschen sind offen und neugierig auf neue Erkundungen", sagt Grunden. Deshalb nimmt die Abteilung Spiritualität des Ordinariats das Pilgern sehr ernst und erforscht immer wieder neue Routen. Auch die Idee eines Korbinianswegs sei schon geboren worden und wird gerade geprüft, so Grunden. Anlass sei das Korbinians-Jubiläumsjahr in Freising nächstes Jahr.

Der große Erfolg der Pilgerwege wirft allerdings eine Frage auf: führt diese Popularität nicht zum Verschwinden der spirituellen Dimension? Gabriela Grunden antwortet: "Deshalb bilden wir ja Pilgerbegleiter und -begleiterinnen aus". Menschen wie Silvia Thalhammer eben, die den Weg kennen und geschult werden, um auf der Strecke geistliche Impulse zu geben: Sie planen Pausen und Momente der Meditation ein, sie haben ein Gespür für die Gruppe, sie rezitieren Gebete. Obwohl das nicht bedeutet, dass Pilgerwege nur für streng Gläubige sind, im Gegenteil. "Ich erlebe, dass es viele Menschen gibt, die sich zu Gott hin öffnen wollen, aber nicht mehr den Weg über die Kirche finden oder ihn verlassen haben", so Grunden. Andere sind eher auf der Suche nach der inneren Balance und nach der Stille in der Natur. Hauptsache: Man macht sich auf den Weg. Denn bestimmte Antworten oder Gedanken, davon ist Pilgerbegleiterin Silvia Thalhammer überzeugt, findet man nur im Gehen.

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