Jubiläum einer Institution:Wichtige Beratung in lästigen Fragen

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Auch in Freising kann man sich jetzt über die ortsübliche Miete informieren. (Foto: Johannes Simon)

Seit fast 50 Jahren kümmert sich der Mieterverein in Freising nun schon um Mietfragen und -probleme seiner gut 3200 Mitglieder. Die Arbeit ist professioneller geworden, anders als früher reicht "Küchenlatein" heutzutage nicht mehr aus.

Von Matthias Vogel, Freising

Es sind lästige Fragen: Stimmt die Nebenkostenabrechnung für die Mietwohnung? Hat der Vermieter die Miete zu Recht erhöht? Darf er mir einfach kündigen? Bei der Suche nach den Antworten helfen Mietervereine. Der in Freising macht das schon seit 50 Jahren. Vorsitzender Markus Grill - selber seit 30 Jahren Mieter - ist Überzeugungstäter. Er sagt: "Die Bedeutung unseres Vereins ist hoch, gestern so wie heute."

Volker Zinkernagel, 85 Jahre alt, ist ein Mann der ersten Stunde. Er erinnert sich noch ganz genau an die Entstehung des Freisinger Mietervereins. "Angefangen hat alles mit dem Gewerkschafter Aloys Eberhard", sagt er. Als Beschäftigter der Firma Hawe Hydraulik in Freising seien ihm die Mietprobleme seiner Kollegen aufgefallen. In Rücksprache mit seinem Vorgesetzten habe er daraufhin im Sommer 1973 den Verein ins Leben gerufen. "Im Herbst desselben Jahres fand dann die Gründungsversammlung statt und 1974 die Eintragung in das Vereinsregister. Daher rührt das Jubiläum im kommenden Jahr", so Zinkernagel.

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Der Vorsitzende Eberhard beriet also fortan Mieter - bei sich zu Hause. Weil der Andrang schnell größer wurde, bekamen er und sein Stellvertreter Zinkernagel Hilfe von der Stadt und durften an der Realschule im Asamgebäude das Zimmer des Hausmeisters für die Beratungen nutzen. "Wir saßen dort Rücken an Rücken mit jeweils den Mietratsuchenden vor uns", erzählt Zinkernagel. Auch die nächste Station war nicht optimal. Zwar durfte der Verein ein Klassenzimmer nutzen, der Raum für Unterlagen beschränkte sich aber auf einen kleinen Kasten. Wenig später dann die Erlösung: Die Stadt wies dem Verein drei Räume an der Gartenstraße 9 zu, dort sitzt der Mieterverein bis heute.

Ohne dass der Verein Werbung gemacht hätte, stieg die Nachfrage bis heute stetig an. "Da gab es keine Delle", berichtet Zinkernagel, der 2006 den Vorsitz übernahm. Aktuell ist man bei etwa 3200 Mitgliedern gelandet.

Der größte Erfolg der Geschichte könnte eventuell pünktlich zum Jubiläum gefeiert werden. Bereits seit dem Jahr 2000 versucht der Verein, in Freising einen Mietspiegel zu etablieren. Dabei scheiterte er nicht nur einmal am Votum des Stadtrats. "SPD und Grüne haben uns immer unterstützt, aber die Mehrheit war einfach dagegen", sagt Zinkernagel. Auch Markus Grill, der 2019 vom Stellvertreter zum Nachfolger Zinkernagels gewählt wurde, war intensiv mit diesem Instrument - Vermieter können die Miete nur erhöhen, solange die ortsübliche Vergleichsmiete nicht überschritten wird - befasst. "Im Stadtrat sitzen nun einmal auch Leute mit mehr als nur einer Eigentumswohnung. Es war einfach keine Mehrheit für den Mietspiegel zu bekommen."

Der Mietspiegel kommt im Vergleich zu anderen Städten viel zu spät

Seit dem 1. Juli 2022 sind Städte mit mehr als 50 000 Einwohnern gesetzlich dazu verpflichtet, einen Mietspiegel zu erstellen - bei Gewährung einer Übergangsfrist. Freising kam also nicht mehr drumherum und entschloss sich sogar für den qualifizierten Mietspiegel, der im Vergleich zum einfachen Mietspiegel Rechtssicherheit bietet. "Die Vorbereitungen haben im Frühjahr dieses Jahres begonnen, ab 1. Januar soll er kommen", sagt Grill. "Sehr gut", findet er, aber viel zu spät. "In Erding gibt es den schon seit zehn Jahren."

Der Arbeit des Mietervereins misst der aktuelle Vorsitzende heute genauso viel Bedeutung bei wie früher. Es sei wichtig, dass die Leute "gscheit" beraten werden. Aber die Arbeit hat sich auch verändert. Hätten damals noch "Küchenlatein" und Lebenserfahrung für die Beratung ausgereicht, müsse heute rechtlich alles sitzen. "Man darf da keine Fehler mehr machen, man ist schneller in der Haftbarkeit als früher", so Grill. Deshalb arbeiten mittlerweile drei Beratungsanwälte für den Verein, zwei davon hauptamtlich. Und Grills Aufgabe besteht nach eigenen Angaben vor allem darin, ihnen und dem Rest der Belegschaft ein vernünftiges Arbeiten zu ermöglichen.

Was dem früheren SPD-Mitglied noch aufgefallen ist: "Ein wenig hat auch bei uns die To-Go-Mentalität Einzug gehalten. Manche unterschreiben den Mitgliederantrag, nehmen die rechtliche Beratung in Anspruch und widerrufen dann gleich die Mitgliedschaft." An der menschlichen Logik zweifele er in anderen Einzelfällen. Etwa, wenn jemand nach der sechsten Beratungsstunde und dem siebten aufgesetzten Anwaltsschreiben an den fällig gewordenen Schreibgebühren von zehn Euro herumnörgelt. "So eine Beratung wäre bei einem Rechtsanwalt richtig teuer. Die Mitgliedschaft bei uns kostet mit Rechtsschutz 100 Euro im Jahr."

Fast unverändert arbeitet der Vorstand des Freisinger Mietervereins seit Jahren zusammen (von links): Vorsitzender Markus Grill, zweite Vorsitzende Anita Nowak, Beirätin Ulrike Maul, Schriftführerin Teresa Hillenbrand, Beirat Volker Zinkernagel und Kassierin Birgit Immler. (Foto: Johannes Simon)

Etwas mehr finanzielle Unterstützung würde sich Grill von der kommunalen Politik wünschen. Und einen von der Regierung auferlegten Mietenstopp, um den überhitzten Mietmarkt abzukühlen. Manchmal, wenn sich zu viel "Grant" angestaut habe, mache er seinem Frust auch mal öffentlich Luft. "Das hat aber nichts mit dem Verein an sich zu tun. Er steht finanziell solide da, die Zusammenarbeit mit den Partnervereinen in Garching und Erding läuft sehr gut", bilanziert Grill. Ein dickes Lob spricht er seiner Belegschaft aus: "Anita Nowak als meine Stellvertreterin, Kassiererin Birgit Immler und Schriftführerin Teresa Hillenbrand arbeiten wahnsinnig viel hinter den Kulissen. Großartig."

Natürlich gibt es zum Jubiläum des Freisinger Mietervereins im kommenden Jahr einen Festakt. Im großen Saal des Landratsamtes wollen Markus Grill und das Personal am 13. April zusammen mit Mitstreitern von Sozialorganisationen und natürlich den Mitgliedern anstoßen. Auf 50 Jahre Wahrung von Mieterinteressen, unzählige Antworten auf unliebsame Fragen und - so hoffen sie alle - dann auch schon auf den Freisinger Mietspiegel.

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