Prozess am Landshuter Landgericht:Psychisch Kranker traumatisiert zwei Frauen

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Vom Vorwurf des versuchten Totschlags ist ein Neufahrner freigesprochen worden. Wegen seiner psychischen Erkrankung hat das Schwurgericht allerdings eine Unterbringung in einer Psychiatrie angeordnet. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Eine Angestellte in einer Behörde belästigte er als Exhibitionist. Die Mitarbeiterin einer Institution verletzte er mit einer Glaskugel. Das Landshuter Landgericht ordnet die Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung an.

Von Peter Becker, Landshut/Freising

Einer Frau trat ein 29-jähriger Mann laut Anklageschrift als Exhibitionist gegenüber, der anderen warf er mit Wucht eine Glaskugel in den Rücken und verletzte sie auf diese Weise schwer. Beide Opfer leiden bis heute unter den Attacken, sie sind in ihrem Alltagsleben beeinträchtigt. Der Täter ist allerdings aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht schuldfähig. Die 1. Strafkammer am Landshuter Landgericht ordnete jetzt eine Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung an. Zuletzt befand sich der Mann in einem Bezirkskrankenhaus.

Der Angeklagte gab sowohl die exhibitionistische Handlung als auch die gefährliche Körperverletzung zu. Er räumte ein, sich in beiden Fällen nicht unter Kontrolle gehabt zu haben. Anfang März des vergangenen Jahres war er in einer Freisinger Behörde erschienen und verlangte entweder eine Wohnung oder die Unterbringung in einer Obdachlosenunterkunft. Der Sachbearbeiterin fiel auf, dass der ungebetene Besucher auf seinem Sitz nervös hin und her rutschte. Als sie seinen Antrag erstellt hatte und ihn kopieren wollte, fiel ihr auf, dass der Mann seine Hose geöffnet hatte.

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"Ich bin mir vorgekommen wie im falschen Film", sagte die als Zeugin geladene Frau. Sie habe in ihren PC gestarrt, sei wie gelähmt gewesen. Sie habe sogar vergessen, einen Alarmknopf zu drücken. Erst nachdem der Mann ihr Büro verlassen hatte, informierte die Frau ihre Vorgesetzte, die Anzeige erstattete. Noch heute zucke sie zusammen, wenn jemand ins Zimmer komme oder ihr auf der Straße entgegenkomme, der dem Angeklagten ähnele.

Ebenso geht es dem zweiten Opfer. Die Frau arbeitet in einer sozialen Einrichtung in Freising. Zehn Tage nach dem ersten Vorfall wurde der Angeklagte bei ihr vorstellig, um eine Wohnung zugewiesen zu bekommen. Sie gab ihm die Telefonnummer einer Kollegin, die er anrufen solle. In der Annahme, der Mann würde ihr Zimmer verlassen, drehte sie sich von ihm weg und verspürte kurz darauf einen heftigen Schmerz: Er hatte eine 750 Gramm schwere Glaskugel, die als Briefbeschwerer dient, nach ihr geworfen.

Die Angegriffene erlitt mehrere Rippenbrüche und dadurch potenziell lebensgefährliche Verletzungen. Sie musste auf der Intensivstation des Freisinger Krankenhauses behandelt werden. Die als Zeugin geladene Frau gab an, dass der Mann ihr latent aggressiv vorkam. Dann sei er total ausgeflippt und habe gebrüllt, er lasse sich nicht behandeln wie ein Tier. Die Kugel sei dann überraschend gekommen.

Die als Zeugin geladene Frau sagt hinter einem Sichtschutz aus, der den Angeklagten verbirgt

Auch diese Frau gab an, unter den Folgen der Attacke zu leiden. Sie betätige den Türöffner der Einrichtung nicht mehr und nehme auch keine ihr fremden Männer mehr als Klienten an. Das Erlebnis ploppe immer wieder auf, sagte sie. Die Frau leidet unter einer Angststörung, die sie in ihrem Alltag beeinträchtigt. So schreckt sie etwa jedes Mal bei bestimmten Geräuschen oder fliegenden Gegenständen auf. Etwa, wenn Kinder Steine in einen Fluss werfen. Die Entschuldigung des Angeklagten akzeptierte sie nicht. Das Gericht hatte auch eigens einen Sichtschutz installiert, damit sie diesen nicht ansehen musste.

Der Angeklagte begründete die Attacke damit, dass er wieder die Kontrolle über sich verloren habe. "Ich war sauer", sagte er. Deshalb habe er die Kugel genommen und nach der Frau geworfen. Er habe sie aber nicht verletzen wollen. Eine andere Frau habe ihn dann von hinten gepackt. Er habe sich losgerissen und sei geflüchtet. Festgenommen wurde der 29-Jährige erst Tage später, als er am Landratsamt einen Disput mit einer Sicherheitskraft anfing.

Erst nach einer medikamentösen Einstellung lassen die Wutanfälle des Mannes nach

Der Angeklagte gab an, er habe zu dieser Zeit immer wieder unter Wutanfällen gelitten. Aus einem Bericht der Landshuter Justizvollzugsanstalt geht hervor, dass sich der psychische Zustand des Inhaftierten verschlimmerte. Er beschimpfte das Personal, warf mit Gegenständen um sich oder starrte in sein Bettzeug gewickelt an die Wand. Erst unter dem Einfluss von Medikamenten, deren Einnahme er dann doch akzeptierte, besserte sich sein Zustand.

Die Strafkammer unter dem Vorsitz von Ralph Reiter ordnete eine Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung an sowie 5000 Euro Schmerzensgeld. Der Verteidiger hatte eine Unterbringung auf Bewährung ins Ermessen gestellt. Weil der Angeklagte aber in seiner Therapie noch nicht weit genug sei, sagte Reiter, und es keine geschützte Wohneinheit für ihn gebe, sei dies nicht in Frage gekommen.

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