Junge Menschen in der Lokalpolitik:Noch mehr lernen als sonst

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Die jungen Leute, die im März in die Kommunalparlamente gewählt worden sind, bereiten sich teilweise neben ihrer Ausbildung her auf ihre neuen Aufgaben vor. Das bedeutet bei den meisten in erster Linie Freizeitverzicht.

Von Thilo Schröder, Freising/Moosburg

Morgens einen wissenschaftlichen Aufsatz lesen, nachmittags die Gemeindeordnung, tagsüber in der Werkstatt stehen, abends einem Workshop lauschen. Für viele neue Kommunalpolitikerinnen und -politiker im Landkreis Freising sieht so derzeit der Alltag aus. Bunter, weiblicher und jünger: Was vor den Wahlen von Politik und Wissenschaft für die Kommunalparlamente prognostiziert worden war, ist nun vielerorts Realität. So sind auch in den Stadträten in Freising und Moosburg nun viele Nachwuchspolitiker vertreten. Vier von ihnen berichten über ihren neuen Alltag, den vor allem eines bestimmt: lernen, lernen, lernen.

Gerade sei Reifenwechselzeit, es stehe viel körperliche Arbeit im Betrieb an, sagt beispielsweise Thomas Wittmann. "Und wir sind von der Arbeit nicht befreit worden wegen Corona, die Werkstätten sind ja offen." Der 23-Jährige ist im vierten Ausbildungsjahr als Kfz-Mechatroniker, im Juni steht die Abschlussprüfung an. Berichtshefte warteten darauf, gefüllt zu werden. "Viel Schreibarbeit, da hat sich bisserl was angestaut. Und jetzt kommt auch noch der Stadtrat dazu."

Thomas Wittmann (Foto: privat)

Wittmann ist für die vor der Kommunalwahl neugegründete Gruppierung Fresh angetreten und hat einen Sitz im Moosburger Stadtrat ergattert. Die Bayerische Gemeindeordnung habe er vorausschauend gleich nach der Wahl gelesen, "das hab ich schon hinter mir". Auch über die Geschäftsordnung des Stadtrats und den Haushalt der Stadt Moosburg weiß er inzwischen Bescheid. Der Grünen-Landtagsabgeordnete und Stadtrat Johannes Becher habe zuletzt abendliche parteiübergreifende Workshops für den Nachwuchs angeboten. "Da hat man ja doch ein bisserl Erklärungsbedarf, wenn man nicht BWL studiert hat", sagt Wittmann.

Die Vorbereitung auf das Mandat habe gerade Priorität, sagt Emilia Kirner

Zumindest von ihrer Arbeit im Labor befreit ist derzeit Emilia Kirner. Die neue Freisinger ÖDP-Stadträtin studiert Lebensmittelchemie an der TU in Weihenstephan. "Praktisch ist natürlich gerade, dass das Semester digital stattfindet. Ich bin im sechsten Semester, da ist es sehr ruhig", sagt die 22-Jährige. "Ich schreib jetzt bald dann meine Bachelorarbeit." Damit liegt sie in der Regelstudienzeit. Im Masterstudium wolle sie diese aber gegebenenfalls verlängern, um der Politik genug Raum zu geben. Morgens zwei bis drei Stunden Uni ("Ich bin vormittags am produktivsten"), nachmittags und abends Vorbereitung auf das Mandat - "das hat gerade Priorität".

Emilia Kirner. (Foto: privat)

Ebenfalls vergleichsweise entspannt ist die Situation für den neuen Freisinger Grünen-Stadtrat Nico Heitz. Der 22-Jährige studiert Sozialkunde, Politikwissenschaft und Englisch auf Gymnasiallehramt an der LMU in München. Zehn Stunden Transfer pro Wochen entfielen derzeit durch das Corona-bedingte Online-Semester, sagt er. Bleibt also mehr Zeit für Studium und Stadtrat. Natürlich helfe ihm sein Studium in diesem Fall, aber das Wissen über die kameralistische Haushaltsführung in Freising etwa müsse er sich schon erst aneignen. Denn in seinem überregional ausgerichteten Studium geht es vorrangig um politische Systeme und Internationale Beziehungen.

Nico Heitz (Foto: privat)

Kommunalpolitik als Chance

"Ich mache jetzt noch keine inhaltliche Arbeit, aber ich beschäftige mich mit Stadtentwicklungsplänen, mit Budgetverteilungen, bringe mich auf den Status Quo der Stadtpolitik", sagt Heitz. Ähnlich wie bei Kirner wird anderes bei ihm zur Nebensache. "Ich schaue, so schnell wie möglich die Arbeit und den Unikram geregelt zu bekommen. Der Rest der Zeit geht gerade für die Kommunalpolitik drauf. Ich bin da natürlich in einer sehr privilegierten Situation und sehe das als Chance."

Viele Möglichkeiten bietet der frühe Einstieg in die Kommunalpolitik für die mit 19 Jahren nunmehr jüngste Stadträtin aus den Reihen der Freisinger Mitte. Dabei ist sie schon jetzt gut beschäftigt: Philomena Böhme wird derzeit zur Erzieherin ausgebildet, nach einer Kinderpflege-Ausbildung absolviert sie derzeit die Fachakademie, es folgen ein Anerkennungsjahr und die Facharbeit. Klappt alles, darf sie sich mit 21 Jahren Erzieherin nennen, während im Freisinger Stadtrat ihr zweites Jahr der Wahlperiode läuft. "Ich hab verdammt viel zu lernen gerade", sagt sie. "Aber ich hab ja auch eine große politische Verantwortung. Der freizeitliche Aspekt steht jetzt gerade zurück." Dieser Verzicht, der mutmaßlich viele vom politischen Ehrenamt abschreckt, falle ihr wegen der momentan noch bis 10. Mai andauernden Ausgangsbeschränkungen natürlich leicht. "Aber das wird auch so ähnlich bleiben", vermutet die junge Frau.

© SZ vom 04.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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