Haftstrafe für Familienvater:"Ein Klima der Gewalt und Angst"

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Das Landshuter Landgericht hat die Aussagen der Ehefrau des Angeklagten als glaubhaft eingestuft und diesen schuldig gesprochen. (Foto: Volker Hartmann/dpa)

Weil er nach Überzeugung des Gerichts seine Frau vergewaltigt und gewürgt hat, muss ein 38-Jähriger aus dem nördlichen Landkreis Freising jetzt viereinhalb Jahre ins Gefängnis.

Von Alexander Kappen, Landshut/Freising

Es standen, so sagte es Vorsitzender Richter Thomas Lindinger in seiner Urteilsbegründung, eigentlich nur zwei Varianten im Raum: Entweder die Vergewaltigungsvorwürfe durch die Ehefrau des Angeklagten waren "erfunden und erlogen", aufgrund ihrer Eifersucht, weil sich ihr Mann eine zweite Ehefrau im Iran genommen hatte. "Oder es war alles so", wie die Geschädigte es angegeben hatte. Die sechste Strafkammer des Landshuter Landgerichts war am Ende der zweiwöchigen Beweisaufnahme von letzterer Variante überzeugt.

Das Gericht verurteilte den 38-jährigen Angeklagten, der mit seiner Frau und den fünf Kindern im nördlichen Landkreis Freising gewohnt hatte, wegen vorsätzlicher Körperverletzung in einem Fall sowie jeweils Vergewaltigung mit vorsätzlicher Körperverletzung in zwei weiteren Fällen am Freitag zu vier Jahren und sechs Monaten Haft.

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Das Gericht habe die Ehefrau lange befragt und gehe davon aus, dass deren Aussage glaubhaft und die Zeugin glaubwürdig sei, ebenso weitere Zeugen aus der Familie oder deren Umfeld. "Es gab Gewalt in der Ehe und es herrschte ein Klima der Angst und Gewalt in der Familie", so fasste der Vorsitzende Richter die Aussagen des Opfers, aber auch ihrer Kinder und Bekannten zusammen. Die afghanisch-iranische Ehe zwischen dem heute 38-Jährigen und seiner Frau besteht seit 2003 und war von deren Eltern arrangiert worden. Zwischen 2005 und 2022 bekam das Paar fünf Kinder, die teilweise in Deutschland zur Welt kamen, wo die Familie seit 2016 lebt.

Im Laufe der Ehe soll es zu 20 oder mehr Vorfällen gekommen sein, wie die Ehefrau gegenüber einem Kripo-Beamten angeben hatte, nachdem sie im Mai 2022 zur Moosburger Polizei gegangen war, um Anzeige zu erstatten. Verurteilt wurde der Angeklagte schließlich wegen drei Taten in den Jahren 2020, 2021 und 2022. Im November 2020 würgte der 38-Jährige nach Überzeugung des Gerichts seine Ehefrau, nachdem es zu einem Streit gekommen war, weil er ihr Handy weggenommen hatte. Der 2005 geborene, älteste Sohn habe das als Zeuge so bestätigt, sagte der Richter, er habe wörtlich gesagt: "Er hat die Mutter bis zur Bewusstlosigkeit erwürgt." Die Geschädigte stürzte anschließend die Treppe runter und musste ins Krankenhaus. Ob sie aufgrund einer Handlung des Angeklagten die Treppe runtergefallen sei, könne man aber nicht eindeutig nachweisen, so der Richter.

Der Sohn habe bestätigt, "dass in der Familie ein Klima der Angst und Gewalt geherrscht hat - und er hat auch glaubhaft die Gewalt des Vaters gegenüber den Kindern geschildert", so der Richter. Auch die zwölfjährige Tochter habe bestätigt, dass es Gewalt in der Familie gegeben habe "und die Mutter und die Kinder Angst vor dem Vater hatten". Das Gericht stufte die Aussagen der Kinder als glaubhaft ein. Beim Sohn sei es offensichtlich gewesen, "dass ihm die Aussage gegen seinen Vater schwer gefallen ist". Das Gericht gehe daher davon aus, "dass das der Wahrheit entsprochen hat und er nicht von der Mutter beeinflusst war".

"Nein heißt Nein", das ist entscheidend

Als erwiesen sah das Gericht auch zwei Vergewaltigungen im Juni 2021 und April 2022 an, als es gegen den klar erkennbaren Willen der Geschädigten zu Anal- und Oralverkehr zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau gekommen sei. Nach dem Grundsatz "Nein heißt Nein" sei es nicht entscheidend, dass es zu keiner Gewaltanwendung gekommen sei, so der Richter, trotzdem sei es eine Vergewaltigung. Da die Frau in beiden Fällen Schmerzen gehabt habe, liege jeweils auch eine vorsätzliche Körperverletzung vor.

Der Angeklagte hatte die Vorwürfe in der Verhandlung bestritten. Er führte diese darauf zurück, dass seine Frau eifersüchtig gewesen sei, weil er sich - wie in seinem Kulturkreis üblich - im Iran eine zweite Ehefrau gesucht habe. Der Verteidiger beantragte daher auch Freispruch, während die Staatsanwältin sechs Jahre und zwei Monate Gefängnis forderte. Das Gericht sah die Aussagen der Ehefrau jedoch als glaubwürdig an. Sie habe während des Verfahrens "über eine große Zeitspanne die Äußerungen im Kern aufrecht erhalten". Laut einer Zeugin habe die Frau die Geschichte auch nicht nur einmal bei der Anzeige in Moosburg, sondern auch danach noch viermal gleichlautend und ohne Widersprüche wiedergegeben. Der Richter stellte zudem fest, die Aussagen der Geschädigten seien "immer ohne Belastungseifer gewesen, das spricht gegen ein vollständiges Erfinden und Rachegedanken".

Das Gericht ist überzeugt, dass die Ehefrau des Angeklagten im Mai 2022 Anzeige erstattete, weil sie zu diesem Zeitpunkt die Kenntnis erlangt hatte, "dass in Deutschland eine Strafbarkeit besteht". Die Abwesenheit ihres Mannes, der zu der Zeit im Iran war, habe sie genutzt und gesagt: "Jetzt reicht es, ich packe aus."

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