Prozess am Landgericht Landshut:Spät das Schweigen gebrochen

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Nach einer Messerstecherei in Erding hat die Staatsanwaltschaft überraschend das Verfahren gegen einen 29-Jährigen eingestellt, nun ermittelt sie gegen dessen Kontrahenten. (Foto: Uli Deck/dpa)

Ein 38-jähriger Familienvater soll in der gemeinsamen Wohnung im nördlichen Landkreis Freising seine Frau gewürgt, geschlagen und vergewaltigt haben. Erst nach mehr als einem Jahr vertraut diese sich ihrer Frauenärztin an, die zuvor keinerlei Zeichen körperlicher Gewalt festgestellt hatte.

Von Alexander Kappen, Landshut/Freising

Es ist alles ein wenig ins Stocken geraten im Prozess gegen einen 38-jährigen Angeklagten, der zwischen November 2020 und April 2022 bei mehreren Vorfällen seine Ehefrau in der gemeinsamen Wohnung im nördlichen Landkreis Freising gewürgt, geschlagen, die Treppe hinuntergestoßen und vergewaltigt haben soll. Eine im Raum stehende Verständigung scheiterte bereits zum Auftakt des Prozesses. Und am vierten Verhandlungstag am Mittwoch stellte Vorsitzender Richter Thomas Lindinger dann fest, dass man an diesem Tag wohl kein Glück mit den Zeugen habe - gleich deren zwei waren zunächst abgängig, konnten später aber noch vernommen werden.

Die laut Anklage von den Eltern arrangierte afghanisch-iranische Ehe zwischen dem Angeklagten und seiner Frau besteht seit 2003. Zwischen 2005 und 2022 bekamen sie fünf Kinder. Seit 2016 lebt die Familie in Deutschland. Im früheren Prozessverlauf hatte ein Beamter der Kriminalpolizei berichtet, die Frau des Angeklagten habe von "20 plus x Vorfällen" gesprochen, bei denen es Übergriffe durch den heute 38-Jährigen gegeben haben soll. Dass das Opfer erst im Mai 2022 zur Polizei ging, habe eine Flüchtlingshelferin, die auch als Dolmetscherin der Ehefrau fungierte, damit begründet, dass dieser nicht bewusst gewesen sei, dass so etwas in Deutschland verboten sei. Der Angeklagte bestreitet alle Vorwürfe, weshalb am ersten Verhandlungstag auch eine Verständigung zwischen Gericht, Verteidigung und Staatsanwaltschaft nicht zu Stande kam.

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Am Mittwochvormittag wurde - mit etwas Verspätung - die Frauenärztin der Ehefrau vernommen, die zuvor von ihrer Schweigepflicht entbunden worden war. Die Ehefrau sei von Februar 2021 bis Mai 2022 bei ihr in Behandlung gewesen, so die Ärztin. Blaue Flecken oder andere Anzeichen körperlicher Gewalt habe sie nie feststellen können. Auch habe die Patientin "ein ganzes Jahr lang keinen Piep gemacht". Sie habe im Januar 2022 nur erwähnt, dass sie wegen Panikattacken im Krankenhaus gewesen sei. Aber sie habe nie etwas von Gewalt in der Ehe erzählt - "bis auf das letzte Mal, als sie bei mir war". Laut ihren Notizen in der Patientinnen-Akte habe die Ehefrau im Mai 2022 gesagt, sie sei vom Angeklagten "sehr, sehr oft vergewaltigt worden", ehe sie ihn angezeigt und der Mann daraufhin ein Kontaktverbot bekommen habe. Der Ehemann sei während der Ehe wohl auch im Iran gewesen und habe dort eine weitere Frau geheiratet und mit ihr zwei Kinder bekommen.

Das hatte der Angeklagte in einer Erklärung zu Prozessbeginn auch als mutmaßlichen Grund für die Vorwürfe der Ehefrau angeführt: Diese hätten erst begonnen, als der Angeklagte noch eine zweite Ehefrau genommen habe, "was üblich ist in diesem Kulturkreis". Am Mittwochvormittag stellte der Verteidiger nun einen Beweisantrag - er wollte ein aussagepsychologisches Gutachten über die Ehefrau erstellen lassen, die im vorherigen Prozessverlauf unter Ausschluss der Öffentlichkeit befragt worden war. Die Frau, so der Verteidiger, habe aus Angst vor dem Verlust des Ehemanns "eine psychisch veränderte Wahrnehmung". Die Staatsanwältin sagte, der Antrag diene "allein der Verfahrensverzögerung". Die Kammer lehnte den Antrag ab, sie besitze "selbst die erforderliche Sachkunde zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin", so der Vorsitzende.

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