Die Vorwürfe, die im Raum stehen, wiegen schwer. Und der Angeklagte - ein gebürtiger Münchner, der zur Tatzeit im Landkreis Freising wohnte - wirkte nicht so, als ließe ihn das Ganze kalt. Dennoch hinterließ der 31-Jährige, der sich seit Donnerstag vor der ersten Strafkammer des Landshuter Landgerichts wegen zweifacher Vergewaltigung verantworten muss, bei den Richtern einige Fragezeichen. "Es ist nicht richtig ein Bestreiten der Taten, aber es ist auch kein Geständnis", fasste Beisitzender Richter Konrad Lackner seine Eindrücke zusammen, als der Prozess schon ein paar Stunden lief.
Dem Angeklagten, der momentan in Untersuchungshaft sitzt, wird vorgeworfen, Anfang Februar seine damals beste Freundin bei einem Ski-Wochenende in Österreich mit der Hand an der Brust angefasst und mit seinen Fingern in ihren Intimbereich eingedrungen zu sein, als sie schlief. Mitte März, so lautet die Anklage weiter, soll er dann bei einer Bekannten in Freising übernachtet und gegen deren Willen den Geschlechtsverkehr mit ihr vollzogen haben.
Der Angeklagte hat nur noch "Momentaufnahmen" im Kopf
Zum Prozessauftakt ließ der 31-Jährige zunächst seinen Verteidiger eine Erklärung vorlesen, beantwortete danach aber auch selbst die Fragen von Richtern und Staatsanwalt. Nach seinen eigenen Angaben hatte er an den potenziellen Tattagen jeweils mehrere Halbe Bier und einige Schnäpse intus. Auf der Skihütte will er zudem zwei Joints geraucht haben. An die beide Abende habe er aber nur noch teilweise Erinnerungen, er nannte es "Momentaufnahmen". Vorsitzender Richter Ralph Reiter bedauerte, dass der Angeklagte sich ausgerechnet an die entscheidenden Stellen nicht mehr erinnerte: "Das ist eine partielle Amnesie, die nicht ganz nachvollziehbar ist."
Die heute 23-Jährige, an der sich der Angeklagte auf der Skihütte vergangen haben soll, war seine Arbeitskollegin. Die beiden hatten ein paar Monate lang eine sexuelle Beziehung, während der Angeklagte noch mit einer anderen Frau liiert war, von der er sich aber nicht trennen wollte. Dann beendeten die beiden ihre Affäre, wurden aber zu besten Freunden. Die 23-Jährige hatte zwischenzeitlich einen anderen Lebensgefährten. Kurz vor dem besagten Hüttenwochenende hatte sie sich von diesem getrennt. Und der Angeklagte, damals selbst Single, machte sich offenbar wieder Hoffnungen. Unberechtigterweise, wie die junge Frau vor Gericht sagte. Sie habe dem Angeklagten gesagt, sie müsse ihre soeben beendete Beziehung erst verarbeiten - das habe sie ihm auch noch mal klargemacht, als er sie am Abend vor der Tatnacht habe küssen wollen. Das habe er ohne Probleme akzeptiert.
In der Erklärung teilte der 31-Jährige dennoch mit, das Verhalten seiner besten Freundin vielleicht fehlgedeutet zu haben. Von dem Vorfall in der Nacht will er nur mitbekommen haben, dass die 23-Jährige ihn weggedrückt habe. Am nächsten Tag erzählte sie ihm den Grund: Er habe sie "angefasst". Genauer habe sie es nie erläutert, sagte sie selbst. Trotzdem sei der Angeklagte sauer auf sich selbst gewesen. "Er hat sich danach mehrmals entschuldigt- und ich hatte den Eindruck, dass er sich dafür hasst, was er getan hat", sagte die Frau, die danach an Schlafstörungen und Panik-Attacken litt und sich in Psychotherapie begab. Angezeigt hat sie ihn damals nicht, "weil ich mir gedacht habe: Wir hatten mal was miteinander und er hat in dem Moment vielleicht nicht unterscheiden können zwischen Liebe und Freundschaft".
"Dann habe ich gemerkt, dass er wohl doch nichts daraus gelernt hat."
Umso schockierter sei sie gewesen, als sie von der Polizei mit der anderen Sache Mitte März konfrontiert worden sei: "Dann habe ich gemerkt, dass er wohl nichts daraus gelernt hat." In zweiten Fall übernachtete der Beschuldigte nach einem durchzechten Abend in einem Freisinger Lokal bei einer Bekannten und holte dafür sogar das Einverständnis von deren Freund ein. Der Angeklagte schlief bei der Bekannten im Bett. Irgendwann habe man sich einvernehmlich geküsst, sagte der Angeklagte. Die Bekannte habe sinngemäß gesagt: "Wir sollten so was nicht tun." Trotzdem sei es danach zum sexuellen Kontakt gekommen, den er beendet habe, als die Bekannte sich zu ihm umgedreht und "überrascht geschaut" habe. Der Angeklagte soll mit dem Handy der Frau auch Videos während der sexuellen Handlungen gedreht haben. Die Frau hat sich laut der Anklage im Halbschlaf befunden.
Er könne sich an den Beginn der Handlungen nicht mehr erinnern, sagte der Angeklagte im Prozess. Die Bekannte habe danach gesagt, er habe sie vergewaltigt. "Aber ich sehe es so, dass zwei alkoholisierte Personen gemeinsam einen Fehler begangen haben - den Fehler, dass sie ihren Freund betrogen hat. Und ich habe da sicher eine Mitschuld." Wenn er dabei bleibe, stelle er die Geschädigte als Lügnerin dar, "die schuld ist, dass Sie jetzt im Knast sind", sagte der Vorsitzend Richter. Bis zur Fortsetzung des Prozesses am 8. Dezember könne der Angeklagte seine Aussage noch einmal überdenken.