Klotz im "Turbo-Massiv-XXL-Format":Nicht filigran genug

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Den Blick auf die Kirche in Reichertshausen will sich die knappe Mehrheit im Auer Marktgemeinderat nicht durch ein Boardinghaus vermiesen lassen. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Mehrheit des Marktrats Au lehnt die Pläne für ein in ihren Augen überdimensioniertes Boardinghauses am Rand von Reichertshausen ab. Auch für die Kreisbaumeisterin Antonia Seubert sprengt des Gebäude "das dörfliche Maß"

Von Peter Becker, Au

Wenn das Gebäude von etwas filigranerer Gestalt wäre, hätten wohl weniger Auer Markträte etwas gegen das Boardinghaus gehabt, das da am Rand des Ortsteils Reichertshausen entstehen sollte. Möglicherweise lag es ja nur an der schlechten Fotomontage, wie einige Mitglieder des Gremiums bemängelten. Zwölf davon, inklusive Bürgermeister Karl Ecker (FWG), empfanden jedenfalls, dass der Klotz im "Turbo-Massiv-XXL-Format" (Martin Hellerbrand/CSU/PfW) das Erscheinungsbild des Dorfes erheblich beeinträchtigt. Acht Markträte fanden in der jüngsten Sitzung das Erscheinungsbild des Gebäudes trotz seines wuchtigen Aussehens als durchaus mit seiner Umgebung verträglich.

Wie auch immer, der Marktgemeinderat lehnt den vorgesehenen Standort mit knapper Mehrheit ab. Die zwölf Mitglieder des Gremiums, die dem Projekt ihre Zustimmung versagten, schlossen sich der Ansicht der Kreisbaumeisterin Antonia Seubert an. Diese hatte der Marktgemeinde auf Anfrage mitgeteilt, dass sich das Boardinghaus ihrer Ansicht nach an einer ortsplanerisch sehr wichtigen Stelle von Reichertshausen befinde. Diese sei topografisch markant. Das geplante Gebäude schaffe eine neue Situation am Ortseingang, die allerdings als "äußerst negativ zu bewerten ist". Das Vorhaben sprenge in seinem Ausmaß den dörflichen Maßstab, was durch die Lage am Hang noch verstärkt werde. Das Gebäude beherbergt 15 kleine Wohnungen mit einer Größe von 20 bis 35 Quadratmetern. Nach der Einschätzung der Kreisbaumeisterin passt so ein Gebäude eher nach Au selbst. Dort seien auch die passenden Infrastruktureinrichtungen vorhanden. Antonia Seubert beurteilt die Zufahrt zu dem Boardinghaus als "nicht lösbar", eine Ansicht, die das Staatliche Bauamt Freising indes nicht teilt.

Der Marktgemeinderat hatte sich bereits im Januar mit dem Bau des Boardinghauses beschäftigt, hatte die Diskussion aber vertagt. Zum einen wollte das Gremium die Ansichten der Kreisbaumeisterin und des Staatlichen Bauamts ergründen, zum anderen erschien ihm die Informationen zum Projekt zu dürftig. Die Antragsteller lieferten nun ein Nutzungskonzept nach.

Demnach soll das Boardinghaus über bestimmte Internetportale beworben werden. Zielgruppe sind Firmen, die ihre Mitarbeiter für eine absehbare Zeit in der Region unterbringen wollen: Montagearbeiter, Handlungsreisende und Messepersonal. Aber auch Touristen, die für ein paar Tage in der Hallertau weilen, sollen dort unterkommen. Die Zimmer sind einfach ausgestattet, verfügen aber über einen Fernseher, eine Kochnische und Wlan-Anschluss. Die maximale Mietdauer beträgt sechs Monate. Im Außenbereich sind Schatten spendende Bäume vorgesehen. Für Radfahrer wäre eine Druckluftvorrichtung für das Aufpumpen von Reifen, eine Trinkwasserstation zum Auffüllen von Wasserflaschen, eine Servicestation, eine abschließbare Fahrradgarage sowie eine Ladestation für E-Bikes vorgesehen.

Das Boardinghaus ist als Niedrigenergiehaus konzipiert und wird mit nachwachsenden Brennstoffen beheizt. Zu seiner Bewirtschaftung sind drei Teilzeitstellen vorgesehen.

Barbara Prügl (GOL) sprach wohl stellvertretend für die meisten Gemeinderäte, die das Boardinghaus letztlich wegen seines riegelhaften, wuchtigen Erscheinungsbildes ablehnten. "Prinzipiell habe ich nichts dagegen", stellte sie fest. Der Doblwirt mit seinem Zimmerangebot am anderen Ortsende von Reichertshausen sei ja im Prinzip eine ähnliche Einrichtung. "Der Bedarf ist da." Allerdings sei ihr das Gebäude an dieser Stelle des Ortseingangs zu wenig filigran. Hans Sailer (FWG) bezeichnete den Komplex als "Riegel, der nicht an diese Stelle passt". Gerade sei das Raiffeisen-Gebäude abgerissen worden, das die Sicht auf die Reichertshausener Kirche versperrt habe. Und dann werde diese Sicht wieder verbaut. "Die Kreisbaumeisterin spricht mir aus der Seele", sagte Sailer. Als nicht "integrierbar" und die "Ortsansicht ad absurdum stellend" bezeichneten Klaus Stuhlreiter (GOL) und Erika Wittstock-Spona (FWG) das Vorhaben, gleichwohl sie die Idee an sich gut fanden.

Was die Reichertshausener angeht, herrsche dort eine geteilte Meinung, beantwortete Ecker eine entsprechende Frage von Josef Zellner (FWG). Beatrix Sebald (FWG) vermisst die nötige Infrastruktur wie etwa Einkaufsmöglichkeiten im Dorf. Ähnlich wie Lucia Schmidbaur-Kaindl (CSU/PfW) kann sie keine Auswirkungen auf den Tourismus erkennen. Martin Linseisen (CSU/PfW) kann mit dem Gebäude an der Stelle leben, ebenso wie Andreas Baumann (FWG) und weitere Markträte - ungeachtet aller Ästhetik.

© SZ vom 12.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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