Klimaschutz:"Die Klimakrise ist viel zu drängend"

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Fridays for Future ziehen Mitte September am "Globalen Klimastreik" mit einem Demonstrationszug durch die Bahnhofstraße in Freising. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Freisinger Ortsgruppe von "Fridays for Future" distanziert sich klar von antisemitischen Äußerungen. Die Aktivisten sind besorgt, dass das eigentliche Anliegen der Bewegung in den Hintergrund rücken könnte.

Von Ella Rendtorff, Freising

Mit einer kontroversen Positionierung zum Nahostkonflikt hat der Internationale Account von "Fridays for Future" heftige Kritik auf sich gezogen. Der deutsche Teil der Klimabewegung reagierte mit einer öffentlichen Distanzierung von antisemitischen Aussagen. In der Ortsgruppe in Freising mache sich die Spaltung bislang nicht bemerkbar, Sorge über die Zukunft der Bewegung besteht aber dennoch.

"Wir haben keine Zeit mehr", so lautet die Parole, mit der "Fridays for Future" Anfang dieses Jahres noch durch die Freisinger Innenstadt zog. Der Nachdruck, mit dem die junge Bewegung seit 2019 international für eine Rettung des Weltklimas einsteht, hat aber offenkundig nur ein leises Echo in den Plenarsälen der globalen Klimakonferenz in Dubai hervorgerufen. Tagelang wurde weit entfernt von Freising darüber diskutiert, weshalb Klimaschutz entgegen aller wissenschaftlichen Erkenntnisse politisch verhandelbar sei.

Wenngleich die schleppenden Ergebnisse der Konferenz etwas anderes suggerieren, die Uhr tickt. Das wissen vor allem jene, die sich in der weltweiten Graswurzelbewegung für Klimaschutz engagieren. Allerdings sah es jüngst so aus, als stünden die Zeiger auch bei "Fridays for Future" auf kurz vor zwölf. Seit der Abspaltung des deutschen Trägers von der internationalen Dachorganisation in der Debatte um den Krieg im Nahen Osten steht die Bewegung vor großen Herausforderungen.

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Immer wieder ist von Spaltung die Rede, seitdem Leitfigur Greta Thunberg durch ihre Positionierung zum Konflikt in Nahost in die Kritik geriet. Brüche entlang politisch aufgeladener Konfliktlinien sind ein klassisches Symptom breitgefächerter sozialer Bewegungen mit verschiedenen Interessengruppen, wie "Fridays for Future" eine ist.

Aber steht es wirklich so schlimm um die Klimabewegung? Nein, zumindest nicht in Freising, lautet die einstimmige Antwort der jungen Klimaschützerinnen Pia (20) und Carmen (26), die hier nur mit Vornamen genannt werden möchten. Sie beide engagieren sich für "Fridays for Future" in Freising: "Von einer Spaltung innerhalb unserer Ortsgruppe kann nicht die Rede sein", sagen sie im Gespräch mit der SZ. Der Aufschrei, den ein höchst kontroverser Post der internationalen Bewegung zu der Situation in Gaza auf Social-Media-Kanälen auslöste, sei allerdings auch an Freising nicht spurlos vorbeigegangen.

Nach einem internen Plenum sei aber schnell klar gewesen, dass sich die Ortsgruppe dem bundesweiten Statement des deutschen Ablegers von "Fridays for Future" anschließt. "Wir sind uneingeschränkt solidarisch mit Jüdinnen und Juden, die weltweit und auch hier antisemitische Gewalt erleben", steht in der Pressemitteilung vom 21. Oktober, auf die sich Pia und Carmen berufen. "Wir sehen das Leid der Zivilbevölkerung und insbesondere der Kinder in Gaza", heißt es darin weiter. Dass in dieser Haltung kein Widerspruch liege, betonte Luisa Neubauer als Vertreterin von "Fridays for Future" Deutschland zuletzt im Oktober bei einer öffentlichen Kundgebung in Berlin.

"Durch solche Aktionen zersetzt man die Bewegung"

Ob sich in Freising trotz der klaren Abgrenzung von antisemitischen sowie rassistischen Aussagen eine negative Veränderung im Stimmungsbild gegenüber der Bewegung abzeichne, sei aktuell noch schwer einzuschätzen, berichten Carmen und Pia. "Wir hoffen, dass die Gesellschaft wahrnimmt, dass wir nicht der Twitter-Account von FFF International sind." In der Debatte um den Nahostkonflikt werde "Fridays for Future" ein Stempel aufgedrückt, der die breitgefächerten Strukturen und lose zusammenhängenden Netzwerke der Bewegung nicht berücksichtige.

"Es ist ja nicht so, als wären wir ein zentral organisierter Konzern, bei dem jeder immer genau weiß, was der oder die andere tut", räumt Carmen ein. Dass einzelne Personen in der Lage dazu seien, das Sprachrohr von "Fridays for Future" auf internationaler Ebene für die Verbreitung von Partikularinteressen zu nutzen, sei ihr als lokaler Aktivistin gar nicht so bewusst gewesen. "Ich denke, durch solche Aktionen zersetzt man sich als Bewegung." Das trage natürlich nicht gerade dazu bei, den Planeten zu schützen und Treibhausgasemissionen einzubremsen, die tickende Uhr stets im Hintergrund.

Für "Fridays for Future" gilt es nun, sich im politischen Strudel der Polykrisen über Wasser zu halten und dabei nicht den Fokus zu verlieren. "Wir können nicht warten, bis politische Krisen vorbei sind", betont Carmen. "Das Narrativ, dass man erst eine Krise und dann die nächste lösen könnte, ist Augenwischerei". In diesem Punkt gehen die Meinungen in der Bewegung allerdings spürbar auseinander, ein Blick auf die vielen verschiedenen Accounts der Untergruppen von FFF bestätigt das.

Wie es mit den globalen Protestaktionen weitergeht, ist noch unklar

Das Gemeinschaftsgefühl, das bei dem letzten Streik von "Fridays for Future" in Freising über den selbstbewusst hochgehaltenen Bannern und Plakaten schwebte, steht gerade international gesehen auf dem Prüfstand. Wie es mit den globalen Protestaktionen und Streiks nun weitergehen soll, sei noch unklar, berichtet Pia. Die Zusammenarbeit mit "Fridays for Future" International sei für die nächsten zweieinhalb Monate ausgesetzt. Währenddessen werde ausgewertet, wie die Bewegung bundesweit und auf lokaler Ebene weiter verfährt.

Dass die Klimabewegung nun aber in Splitter zerfällt und dem Klimaschutz, der sie doch einst zusammenführte, nicht mehr gerecht werde, daran wollen Pia und Carmen nicht glauben: "Wir müssen uns jetzt auf unser Kernthema konzentrieren und das ist das Klima und die faktenbezogene Wissenschaft." Die Stärke von "Fridays for Future" habe schon immer in der Einigkeit darüber gelegen, dass dieses Kernthema eben nicht verhandelbar sei. Für Zweifel am Großen und Ganzen der Bewegung bleibe da schlichtweg keine Zeit, betont Carmen: "Dazu ist die Klimakrise viel zu drängend."

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