Kita-Krise:Für berufstätige Eltern eine Katastrophe

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Die Kita-Krise beschäftigt auch die Agenda-Gruppe. (Foto: Johannes Simon)

Viele Familien haben für das kommende Betreuungsjahr keinen Kita-Platz bekommen - alleine in der Stadt Freising stehen 684 auf der Warteliste. Zumeist sind es die Frauen, die deswegen zurückstecken. Zwei Mütter erzählen, was das für sie bedeutet.

Von Gudrun Regelein, Freising

684 Freisinger Familien werden im kommenden Betreuungsjahr, das im September beginnt, ein Problem haben. Manche vielleicht ein nur kleines, andere aber ein sehr großes. Denn 684 Familien haben keinen Kita-Platz für ihr Kind bekommen und stehen nun auf der Warteliste. Das wollen die betroffenen Eltern nicht länger einfach so hinnehmen. Unter dem Motto "Keine Kompromisse mehr: Kita-Krise Freising stoppen!" starteten Freisinger Mütter und Väter auf der Online-Plattform Change.org vor Kurzem eine Petition, die 1502 Unterstützerinnen und Unterstützer fand. Bei einer Demonstration auf dem Marienplatz wurde die Petition, die einen konkreten Aktionsplan fordert, an Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher überreicht.

Ob er wirklich eine "strukturell verankerte Frauenfeindlichkeit in Freising" wolle, wurde Eschenbacher von einem der Initiatoren gefragt. Denn das Problem fehlender Kita-Plätze treffe noch immer in erster Linie Frauen, die auf einen Wiedereinstieg in den Beruf verzichten oder diesen aufgeben müssen. Janja Michalski, die ihren echten Namen nicht in der Zeitung lesen will, ist eine dieser Mütter.

Bis Ende August ist sie noch in Elternzeit, dann wollte sie wieder arbeiten, sie ist in der Projektorganisation tätig, erzählt die 41-Jährige. "Mein Mann, der momentan auch in Elternzeit ist, und ich wollten beide wieder in Teilzeit anfangen." So zumindest war der Plan - aus dem nun aber nichts wird. Denn für den knapp einjährigen Sohn hat die Familie keinen Krippenplatz bekommen - die Absage kam sehr überraschend, sagt Janja Michalski. "Damit haben wir nicht gerechnet."

Die Verlängerung der Elternzeit wurde abgelehnt

Für sie bedeute es die "volle Katastrophe". Denn abgesehen davon, dass sie eigentlich wieder unbedingt arbeiten wollte, könne sie ihre Elternzeit nicht verlängern. Sie habe das bei ihrem Arbeitgeber beantragt - dieser aber habe abgelehnt. "Das läuft jetzt auf einen Konflikt hinaus", befürchtet Michalski. Sie habe bereits einen Anwalt kontaktiert.

Großeltern, die die Betreuung des Sohnes übernehmen könnten, hat das Paar nicht: Die eine Großmutter wohnt 300 Kilometer weit weg, die andere arbeitet noch in Vollzeit. Sie und ihr Mann wollen sich nun - bis sie endlich einen Krippenplatz bekommen - die Elternzeit aufteilen. Bis Ende Januar will sie bei dem Kind zu Hause bleiben, danach geht dann notfalls wieder ihr Mann in Elternzeit. Die Reihenfolge hat einen einfachen Grund: "Der Arbeitgeber meines Mannes hat ihm das Zurückkommen einfacher und deutlich attraktiver im Vergleich zu meinem gemacht. Mein Vorgesetzter sagte mir, er wisse gar nicht, ob mir wieder die gleiche Stelle angeboten werden kann."

Sie werde nun also zunächst einmal zurückstecken. Falls sie hier in Freising aber für ihr Kind sehr lange keinen Platz bekommen sollte, überlege sie, zu ihrer Mutter zu ziehen und dann von dort aus im Home-Office zu arbeiten. Aber auch dort sehe es bei der Kinderbetreuung nicht gut aus, auch dort gebe es Wartelisten.

Die Stadt hätte vorausschauend handeln müssen

Sie kenne die Situation, wisse um den Mangel an Erziehungspersonal, sagt Michalski. "Aber es hätte einfach ein vorausschauendes Handeln von der Stadt Freising gebraucht, das hat die Stadt aber versäumt." Sie gehe davon aus, dass es viele Mütter wie sie gebe, die eine super Ausbildung, die promoviert haben und eigentlich gebraucht werden - und dennoch nicht arbeiten können.

"Ich finde es richtig, dass sich immer mehr Eltern nicht mehr alles gefallen lassen und die Stadt verklagen." Auch sie überlege sich, ihren Gehaltsausfall einzuklagen, sagt Michalski. Schließlich gebe es einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. "Je mehr Eltern etwas unternehmen, umso größer wird hoffentlich der Druck auf die Stadt."

Beatrice Gut, auch sie heißt im wirklichen Leben anders, ist zwar keine Freisinger Mutter - die Familie lebt in Fahrenzhausen, hat aber das gleiche Problem. "Wir haben für unsere Tochter, die vor Kurzem ein Jahr alt wurde, keinen Krippenplatz bekommen." Der sechsjährige Sohn ist seit einigen Tagen kein Kindergarten-Kind mehr. Er besucht von September an die Grundschule, der "Geschwisterkind-Bonus" entfällt also.

Priorisierung bei der Platzvergabe müsste geändert werden

"Im Vergleich zu den anderen Kindern, deren Eltern sich für einen Krippenplatz angemeldet haben, ist unsere Tochter das jüngste Kind. Die anderen haben also Priorität", sagt Beatrice Gut. Bei der Kita, die die Eltern als Wunsch-Einrichtung nannten, gibt es verschiedene Kriterien, nach denen ein Platz vergeben wurde: Alter des Kindes, Berufstätigkeit, Geschwisterkind und Alleinerziehend stehen auf dieser Liste. Die Priorisierung müsse geändert werden, sagt Gut. Denn es wurde beispielsweise nicht gefragt, wie viele Stunden jemand arbeitet. "Das Traurige ist, dass die Nachrücker nicht wie ich Vollzeit 40 Stunden arbeiten, sondern nur zwei- oder dreimal drei Stunden in der Woche und dann sogar noch Familie, also die Großeltern, im gleichen Ort haben."

Bis Mitte September ist Gut noch in Elternzeit, danach wird es kritisch: "Ich kann leider kein weiteres Jahr Elternzeit mehr machen." Die 37-Jährige ist Berufssoldatin und in München stationiert. Falls sie länger Elternzeit nehmen würde, was ihr zustünde, wird ihre Stelle neu ausgeschrieben - und sie sehr wahrscheinlich versetzt. Da sie eine spezielle Ausbildung hat entweder nach Hamburg oder nach Koblenz. "Und das ist für mich und meinen Mann mit zwei Kindern undenkbar."

Bald ist sie quasi alleinerziehend

Ihr Plan ist, dass sie und ihr Mann, der auch Berufssoldat ist, die Tochter von September an zunächst abwechselnd mit zur Arbeit nehmen, ihr Mann werde versuchen, Home-Office zu machen. Bald aber wird er für längere Zeit wegen verschiedener Auslandseinsätze weg sein: "Ich bin dann quasi alleinerziehend." Vormittags muss sie - mit Tochter - in München arbeiten, nachmittags steht dann Home-Office mit beiden Kindern an und abends, wenn sie schlafen, muss sie die Arbeit nachholen, die sie tagsüber, als die Kinder dabei waren, nicht geschafft hat. "Ich werde auf dem Zahnfleisch gehen."

Eine Tagesmutter sei für die Familie keine Option, die nächste mit einem freien Platz wohne eine Stunde Fahrzeit entfernt Richtung Ingolstadt, von dort müsste Gut dann nach München fahren und mittags die Tochter wieder abholen. Die Großeltern leben beide gut 400 Kilometer entfernt, auch die können nicht einspringen. "Wir haben uns schon überlegt, von hier wegzuziehen, in eine andere Gemeinde, wo es noch Plätze gibt", sagt Gut. Aber zum einen sei die Situation fast überall die gleiche, zum anderen sei der Sohn in Fahrenzhausen verwurzelt. Nicht mehr zu arbeiten ist für Gut aber auch keine Lösung, "ich liebe meine Arbeit."

Ein Anwalt ist schon eingeschaltet

"Wir haben ganz oft in der Gemeinde angefragt und um Hilfe oder Ideen gebeten, was wir tun könnten", erzählt Gut. Sogar die Kita-Leiterin in der früheren Einrichtung ihres Sohnes habe versucht, sich für die Familie bei der zuständigen Sachbearbeiterin in der Gemeinde stark zu machen. "Die meinte daraufhin nur, da könne ja jeder kommen und es sei bei jedem ja irgendetwas."

Mittlerweile steht die Familie mit einem Anwalt in Kontakt. Bevor dieser aktiv werden kann, müsse aber noch die offizielle Absage abgewartet werden, sagt Gut. Sie findet es absolut richtig, dass sich Eltern zur Wehr setzen und nicht nur alles schlucken. "Uns steht ja ein Platz zu."

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