Kita-Krise in Freising:"Wir wünschen uns einen adäquaten, altersgerechten Betreuungsplatz"

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Vielen Freisinger Eltern reicht es: Sie haben erneut auf dem Marienplatz gegen die Kita-Misere demonstriert. (Foto: Marco Einfeldt)

Etwa 680 Freisinger Familien stehen auf der Warteliste, sie haben noch immer keinen Kita-Platz bekommen. Erneut demonstrieren Eltern deshalb auf dem Marienplatz, immer häufiger aber klagen sie ihren Rechtsanspruch auch ein.

Von Gudrun Regelein, Freising

Die Trillerpfeifen und Tröten waren schon von Weitem zu hören. An diesem Donnerstagnachmittag demonstrierten erneut viele Eltern - viele davon waren mit ihren Kindern gekommen - gegen die Kita-Krise. Insgesamt waren es laut dem Veranstalter, der Bürgerinitiative für Freisings Kinder, etwa 150 Demonstranten. "Wir sind viele - und wir sind gemeinsam stark", sagte eine Sprecherin unter dem Beifall der Eltern.

"Wir werden so lange Demos organisieren und vor der Tür des Rathauses stehen, bis sich endlich etwas tut und sich die Betreuungssituation deutlich verbessert", sagt Annalisa Fischer, Mitinitiatorin der Bürgerinitiative. Als nächster Schritt werde man nun der Stadt Freising einen Forderungskatalog schicken - unter anderem will man subventionierten Wohnraum für das Kita-Personal und einen Kita-Manager als Ansprechpartner für alle.

Die ersten Eltern klagen schon

Vielen jungen Eltern aus Freising und dem Landkreis reicht es, sie lassen es nicht mehr auf sich beruhen, dass sie für ihr Kind im laufenden Betreuungsjahr keinen Platz bekommen haben. Alleine 684 Freisinger Eltern standen Ende Mai auf der Warteliste - und an dieser Zahl habe sich auch nach Monaten nicht wirklich viel geändert, heißt es aus dem Rathaus. Die betroffenen Eltern demonstrieren aber nicht nur, immer mehr klagen inzwischen ihren Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ein.

Am Verwaltungsgericht München sind derzeit laut dem stellvertretenden Pressesprecher Florian Huber Verfahren für sechs Kinder aus dem Landkreis Freising anhängig. Annalisa Fischer rechnet damit, dass es noch deutlich mehr werden: "Die dafür notwendige Bedarfsmeldung beim Jugendamt zumindest haben schon viele eingereicht - insgesamt sind es gut 150 Eltern", sagt sie.

Auch viele Kinder waren bei der Demo auf dem Marienplatz dabei. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Familie Buchmüller aus Freising beispielsweise. Die Bedarfsmeldung habe man schon Anfang Juli gestellt. "Wenn wir jetzt noch immer keinen Platz bekommen, werden wir klagen", sagt Linda Buchmüller. Die Eltern sind beide berufstätig, ihr dreijähriger Sohn wird derzeit zumindest für einige Stunden von einer Tagesmutter betreut, aber: "Das funktioniert nicht mehr lange, er ist ja ready für den Kindergarten und die anderen Kinder sind teilweise noch im Babyalter. Wir wünschen uns einen adäquaten, altersgerechten Betreuungsplatz, der uns ja auch rechtlich zusteht."

Die Kosten für die Tagesmutter belaufen sich im Monat auf knapp 500 Euro, für den gewünschten Kita-Platz dagegen müsste die Familie deutlich weniger bezahlen. "Wir wissen natürlich, dass man keinen Platz herbeizaubern kann", sagt Linda Buchmüller. Aber so könne es nicht weitergehen. "Wir überlegen gerade, ob mein Mann, der Lehrer ist, weniger Stunden arbeitet, damit wir das covern können." Aber dann hätte dieser wiederum einen Verdienstausfall.

Inzwischen seien sie bereit zu klagen, sagt Linda Buchmüller. Auch wenn das Geld kosten werde, denn ihre Rechtsschutzversicherung übernehme nur die Kosten für die Klage - aber nicht die für die Anwaltsberatung. "Aber wenn wir unseren Rechtsanspruch nicht in Anspruch nehmen, ist er ja nichtig."

Kein transparentes Prozedere

Janja Michalski, die ihren echten Namen nicht in der Zeitung lesen will, und ihr Mann haben bereits im Sommer einen Anwalt kontaktiert. Der habe in ihrem Namen Klage gegen die Stadt Freising erhoben, erzählt sie. Von der Stadt kam dann ein Schreiben, dass eine Klage nicht möglich sei - da noch keine Bedarfsmeldung beim Jugendamt gestellt wurde. Gleichzeitig wurde der Familie aber für den einjährigen Sohn eine Tagesmutter in Zolling angeboten. Natürlich sei man trotz längerer Fahrtzeit froh um die Betreuung, sagt Michalski.

Was sie aber ärgert, sei, dass die Stadt das Prozedere nicht transparent mache. In dem Schreiben, in dem mitgeteilt wurde, dass ihr Sohn keinen Kita-Platz bekomme, stand beispielsweise nicht, dass diese Bedarfsmeldung überhaupt notwendig sei - oder dass landkreisweit Tagesmütter gesucht werden könnten. "Da hieß es nur, dass man auch bei den freien Trägern nach einem Krippenplatz schauen könne", erzählt sie. Sie haben nun zwar einen Betreuungsplatz - die Kosten für den Rechtsanwalt aber müsse die Familie selber tragen.

Eine andere Freisinger Familie, die anonym bleiben möchte, hat zwar noch immer keinen Kita-Platz für den eineinhalb Jahre alten Sohn bekommen, fand dafür aber nach langer Suche einen Platz bei einer Tagesmutter. Ansonsten hätte die Familie definitiv Klage eingereicht.

"Problem ist nur, dass man, solange man noch auf der Warteliste steht, nicht klagen kann", sagt der Vater. Für eine Klage nämlich brauche man einen rechtsmittelwirksamen Ablehnungsbescheid. Diesen aber habe die Familie von der Stadt nie bekommen. "Wir hätten ihn erst anfordern müssen, um dann entsprechend Widerspruch einlegen zu können." Erst wenn dieser Widerspruch ohne Erfolg geblieben wäre, hätte der Klageweg beschritten werden können. Der Vater befürchtet, dass viele betroffene Familien das alles gar nicht wissen.

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