Kirchbergers Woche:Investitionen in Visitenkarten

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Wenn im Sitzungssaal die Plätze ausgehen, wird es teuer

Von Johann Kirchberger

Wie viele Einwohner wohl die 24 Städte und Gemeinde im Landkreis haben? Das Landratsamt weiß es nicht so genau. Wissen müsste es das Landesamt für Statistik. Weil das aber Adam Riese misstraut und an "grundlegenden Neuerungen in der Bevölkerungsstatistik" arbeitet, stammen die neuesten Zahlen vom 31.12.2015. Neufahrn hatte damals exakt 19 468 Einwohner. Im Rathaus hat man unabhängig von möglichen Neuerungen einfach mal weitergezählt und ist - Stand 3. April 2017 - auf 21 429 Menschen gekommen, die aktuell in Neufahrn leben. So etwas bleibt nicht ohne Folgen. Kindergärten, Schulen und andere gemeindlichen Einrichtungen sind zu klein geworden, es muss investiert werden. Nun zählt aber Neufahrn nicht gerade zu den reichsten Gemeinden, deshalb müssen die 24 Gemeinderäte gut abwägen, was sie sich leisten können und wollen. Einen neuen Sitzungssaal zum Beispiel wollen sie. Denn im Jahr 2020 sind Kommunalwahlen und wenn das Landesamt für Statistik bis dahin weiß, wie richtig gezählt wird, dürften den Neufahrner bei mehr als 20 000 Einwohnern 30 Gemeinderäte zustehen. Da wird es eng im Rathaussaal.

Das Karree einfach um sechs Stühle zu erweitern ist angeblich nicht möglich. Also muss umgebaut werden, so ein Sitzungssaal ist schließlich die Visitenkarte einer Gemeinde, sagt der Bürgermeister. Deshalb sollen nicht nur Wand-, Boden- und Deckenbekleidungen erneuert, sondern auch neue Möbel angeschafft werden. 350 000 Euro will man sich den Spaß kosten lassen. Beinahe wäre es noch teuerer geworden. Aus dem Neufahrner Bauamt nämlich wurde die Idee vorgetragen, erst einmal mit einer "Grundlagenermittlung" zu beginnen und dafür drei Architekturbüros zu beauftragen. Für 70 000 Euro. Nur gut, dass es da noch so etwas wie einen kollektiven Verstand gibt. Den Gemeinderäten gefällt nämlich eine andere Idee viel besser. Sie wollen sich von Büroausstattern Vorschläge unterbreiten lassen, wie man einen solchen Sitzungssaal einrichten könnte. Und der gute Rat der Büroausstatter ist sogar umsonst.

In Eching wollen die Gemeinderäte eine radikale Lösung, dort wird gleich das ganze Rathaus umgebaut, für 14 Millionen Euro. Die Kasse der Echinger ist ja auch etwas besser gefüllt als die der Nachbarn. Der Sitzungssaal soll repräsentativ, behindertengerecht und gläsern werden, damit die Bürger auch sehen, wie die Gemeinderäte im Schweiße ihres Angesichts nach weisen Entscheidungen ringen. Allerdings ist dieses Vergnügen nur von kurzer Dauer, denn vor dem gläsernen Sitzungssaal soll als Sichtschutz ein Pflanzbeet angelegt werden. Über die gesamte Länge der Fassade soll sich zudem ein Wasserbecken ziehen, so eine Art Burggraben, damit niemand gegen die Scheiben klopft. Über dem Sitzungssaal, in einem Erker, soll das Büro des Bürgermeisters entstehen, 40 Quadratmeter groß, vier Meter hoch, mit Vollverglasung. Der will das zwar nicht, CSU und Freie Wähler aber schon, und die stellen in Eching die Mehrheit.

Wie viele Einwohner Eching hat, ist übrigens auch nicht so genau bekannt. Auf der Homepage der Gemeinde werden 13 285 angegeben, Stand 30.6.2013. Das Landesamt für Statistik kommt auf 13 809, Stand 31.12.2015. So gesehen, dürfte es trotz aller Neubaugebiete eher unwahrscheinlich sein, dass bis zum Jahr 2020 die 20 000-Schallgrenze fällt. Es wird also bei 24 Gemeinderäten bleiben. Und wenn es anders kommt? Umbauen und erweitern kann man immer wieder.

© SZ vom 13.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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