Keiner weiß, was kommt:Der Brexit wirft seine Schatten voraus

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Auch was die Sicherheitskontrollen betrifft, müsste man am Flughafen bei einem ungeregelten Brexit wohl einiges ändern. (Foto: Marco Einfeldt)

Ein EU-Austritt Großbritanniens wirkt sich auch auf den Landkreis Freising aus: Firmen bereiten sich vor, Austauschschüler rätseln, ob der Personalausweis genügt, der Zoll rechnet mit mehr Arbeit.

Von Nadja Tausche, Landkreis

Seit 15 Jahren fliegt Lucie Albert jedes Jahr mit Schülern des Camerloher-Gymnasiums nach England. Die Flüge für den Schüleraustausch in diesem Jahr sind gebucht, am 28. März soll es losgehen. Als sie vor einigen Tagen von den neuesten Entwicklungen beim Brexit gehört habe, sei ihr "heiß und kalt geworden", sagt die Englischlehrerin: "Wir müssen schauen, dass die Schüler ein gültiges Dokument haben." Sollte es tatsächlich zum ungeregelten Brexit kommen, wisse sie nicht, ob die Schüler noch mit Personalausweis nach Großbritannien einreisen dürfen oder ob sie stattdessen einen Reisepass brauchen.

An vielen Stellen im Landkreis macht sich der Brexit schon bemerkbar, obwohl er noch gar nicht eingetreten ist. Seit dem Referendum im Juni 2016 ist die Zahl der Briten, die sich einbürgern lassen wollen, sprunghaft angestiegen. 116 britische Staatsangehörige haben seit Bekanntwerden des Brexit einen Antrag auf Einbürgerung gestellt, berichtet Edmund Muskatewitz von der Einbürgerungsstelle des Landratsamtes. In den gut vier Jahren davor verzeichnete die Behörde nur sieben solcher Anträge. Rund 600 britische Staatsbürger lebten insgesamt im Landkreis Freising, so Muskatewitz.

Krones hortet "kritische Einzelteile"

Für die Unternehmen im Landkreis heißt der Brexit teilweise schon jetzt: Vorbereitungen treffen. Die Firma Krones etwa erhöht derzeit den Bestand "kritischer Einzelteile" in der Niederlassung in Großbritannien, heißt es von Pressesprecherin Danuta Kessler-Zieroth. Die Firma produziert Anlagen für die Herstellung von Getränken und betreibt in Freising das Werk Steinecker. Bei einem ungeregelten Brexit rechnet sie damit, dass sich Aufträge verzögern: Weil sich die Regularien für Einreise und Import wohl ändern, "werden wir einen erhöhten Aufwand haben, um Techniker und Maschinenteile ins Land zu bekommen", sagt Kessler-Zieroth.

Für die Sperrer-Bank in Freising hätte der Brexit dagegen keine direkten Folgen. Zwar dürfte dies den Wert des britischen Pfundes insgesamt deutlich schwächen. Aber: "Für eine regional tätige, unabhängige Bank - wie die Sperrer Privatbank - ergeben sich mit einem EU-Austritt Großbritanniens weder Vor- noch Nachteile", erklärt Marketing-Leiter Gerhard Rovan.

Am Flughafen gibt es beim harten Brexit Zollbeschränkungen

Wie und ob die Briten überhaupt aus der EU austreten, ist immer noch unklar. Dabei steigt die Gefahr, dass die beiden Seiten sich nicht auf einen Deal einigen. Sollte es tatsächlich zum sogenannten ungeordneten Brexit kommen, träfe das den Landkreis besonders an einer Stelle: dem Flughafen. "Mit dem Brexit wird im Endeffekt eine Hürde eingebaut", erklärt Thomas Meister, Pressesprecher des Hauptzollamts München. Bei einem harten Brexit könne man nicht im Vorfeld Abkommen mit Großbritannien schließen, wie es sie mit der Schweiz oder der Türkei gebe, um etwa die Preise für den Import von Waren festzulegen. Man müsste das Land wie ein Drittland behandeln, die Beschränkungen wären vergleichbar mit denen bei der Einreise aus den USA, so Meister.

Auch wer zum Beispiel von London nach München fliegt, müsste sich an neue Vorgaben halten. Passagiere, die von Großbritannien einreisen, dürften Meister zufolge nur noch Waren im Wert von 430 Euro nach Deutschland einführen. Beim Import von Alkohol wäre nur noch ein Liter statt wie bisher zehn Liter erlaubt, statt vier Stangen Zigaretten nur noch eine. Für den Zoll bedeutet das einen erheblichen Mehraufwand. Deshalb habe man bundesweit Projektgruppen gegründet, in denen man sich auf verschiedene Szenarien vorbereite, berichtet Meister. Er sagt, man hoffe, dass es nicht zu einem harten Brexit komme - sei aber vorbereitet.

200 000 Passagiere aus Großbritannien steigen jährlich in München um

Auch was die Sicherheitskontrollen betrifft, müsste man am Flughafen bei einem ungeregelten Austritt wohl einiges ändern. Das betreffe vor allem Passagiere, die aus Großbritannien kommen und in München umsteigen, sagt Pressesprecher Ingo Anspach. Konkret seien das über 200 000 Passagiere pro Jahr. Die müssten auf dem Weg zu ihrem Anschlussflug - anders als bisher - eine Sicherheitskontrolle passieren. Zwar habe der Passagier bereits an anderen Flughäfen Kontrollen durchlaufen, aber Großbritannien wäre formal kein EU-Mitglied mehr, "deshalb können wir nicht davon ausgehen, dass das EU-Standards waren", erklärt Anspach. Müssten Passagiere innerhalb des Terminals auf anderen Wegen geleitet werden, könnte der Brexit "einige Dinge erschweren", so seine Einschätzung, die Änderungen seien aber prinzipiell recht schnell umzusetzen.

Jemand, bei dem der Brexit auch im persönlichen Umfeld eine Rolle spielt, ist Niall Palfreyman. Er kommt aus England, unterrichtet an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf und lebt seit fast 30 Jahren in Deutschland. "Ich finde es enorm traurig, dass mein Heimatland entscheidet, dass Unabhängigkeit wichtiger ist als das Friedensprojekt Europa", sagt Palfreyman. Trotz allem werde er auch in Zukunft regelmäßig nach England fliegen. Er habe Familie und Freunde dort, sagt er, wenn er sich mit ihnen unterhalte, gehe es oft auch um den Brexit.

Beim Schüleraustausch des Camerloher-Gymnasiums dagegen soll der Brexit keine große Rolle spielen. Die Schüler wollen Land und Leute kennenlernen, die Nationalität solle dabei keine Rolle spielen, sagt Lehrerin Albert: "Sie sollen die Leute nehmen, wie sie sind."

© SZ vom 25.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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