Interview:"Glaube hält mich geistig fit"

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Humor habe sie schon immer gehabt, erzählt Angela Senft. Inzwischen bringt sie als Clownin "Schmucki Mucki" auch andere zum Lachen. (Foto: Marco Einfeldt)

Für Dekanatsjugendreferentin Angela Senft ist kirchliche Jugendarbeit wichtig und hochaktuell. Auch Flüchtlingskinder dürfen mit ins Zeltlager, weil es darum geht, künftig miteinander zu leben

Von Tobias Weiskopf, Freising

Angela Senft ist 47 Jahre alt und als Dekanatsjugendreferentin Ansprechpartnerin für Jugendliche, Pfarrerinnen, Pfarrer und Kirchengemeinden. Mit der Freisinger SZ spricht sie über ihre eigene Zeit in der evangelischen Jugend, erzählt, was sich seitdem verändert hat und erklärt, warum trotz aller Skepsis in der heutigen Zeit, Glauben für Jugendliche noch eine wichtige Rolle spielt.

SZ: Sie sind als Jugendliche selbst in der evangelischen Jugend (kurz: EJ) aktiv gewesen. Was waren denn Ihre persönlichen Highlights als Kind und Jugendliche?

Angela Senft: Das war zum einen einmal auf einer Kinderfreizeit ein Theaterstück zum Thema Tischmanieren. Die Ehrenamtlichen waren nicht mit uns zufrieden und haben uns quasi einen Spiegel vorgehalten. Zum anderen habe ich die Kindergottesdienste sehr geliebt und später auch organisiert. Insgesamt war vor allem die Gemeinschaft in der Jugendarbeit toll.

Wie und warum wurde aus dem Ehrenamt dann ein Beruf?

Als Jugendliche war ich gerade auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und den fand ich in der Kirche, weil ich für andere da sein wollte. Ich habe mich deshalb als Diakonin in Rummelsberg beworben und wurde genommen. Das Tolle: Man macht nicht alleine sein Ding, sondern ist während seiner Ausbildung und darüber hinaus Teil einer Gemeinschaft. Wir treffen uns heute noch monatlich zum fachlichen und spirituellen Austausch.

Seit dem Jahr 1990 machen Sie hauptberuflich Jugendarbeit, seit 1999 sind Sie nun schon Dekanatsjugendreferentin in Freising. Was sind Ihre Aufgaben?

Zum einen Freizeitmaßnahmen für Kinder und Jugendliche, wie Zeltlager oder Kanufreizeit, dann auch Bildungsmaßnahmen, auf denen wir unsere Ehrenamtlichen zu Gruppenleiterinnen und Gruppenleitern aus- und fortbilden. Als Dekanatsjugendreferentin bin ich auch vor Ort in den Kirchengemeinden, die ich zu Jugendfragen berate, und besuche die Jugendausschüsse. Ich bin die Geschäftsführung des evangelischen Jugendwerks, sitze in meiner Funktion im Jugendhilfeausschuss und im Kreisjugendring.

Was hat sich denn bei der Jugendarbeit im Vergleich zu früher, als Sie selbst als Jugendliche dabei waren, weiter über Ihre Anfänge als Hauptamtliche bis heute geändert ?

Verändert haben sich vor allem die Kommunikationsmittel. Alles wird schneller und fauler. Man denkt sich: "Das schicke ich kurz weg, dann hat sich das erledigt." Aber meist muss man noch mal ran. Vieles geht im Wust der Informationen einfach unter. Außerdem haben die jungen Leute einfach immer weniger Zeit und die Angebotspalette ist viel größer. Mir ist auch aufgefallen, dass erheblich weniger geraucht und Alkohol getrunken wird. Gleich geblieben ist, dass Ehrenamtliche sich gerne engagieren, einfach aus der Motivation heraus aktiv zu werden. Das Wichtigste über alle Jahre ist bis heute aber die Erfahrung von Gemeinschaft und sich mit Gleichaltrigen auszutauschen.

In der evangelischen Jugendarbeit spielt der Glaube eine wichtige Rolle. Was bedeutet Ihnen der Glaube persönlich?

Mein persönliches Glaubensmotto lautet: "Alles hat seine Zeit und jedes Tun unter dem Himmel hat seine Stunde." Dieser Satz ist das, was man als Christ in der Moderne braucht. Glaube hält mich geistig fit, gibt Halt bei einer Krise oder wenn es anstrengend wird, und sorgt dafür, dass meine Meinung nicht einrostet.

Welche Rolle nimmt der Glaube in Ihrer Arbeit ein?

Die Gemeinschaft, die man in der Jugendarbeit erfährt, bringen wir vor Gott. Wir feiern Andachten oder Gottesdienste und sprechen Tischgebete. Die Jugendlichen beteiligen sich. Es wird laut gebetet und man tauscht sich über Glauben aus.

Wenn es um Gott geht, hört man - gerade unter jungen Menschen - immer wieder Skepsis und Kritik. Ist kirchliche Jugendarbeit denn noch zeitgemäß?

Die Außenwirkung ist: Wir sind so ein Betverein. Leute glauben lieber an alte Vorurteile, anstatt selbst zu beobachten, wie es ist. Kirchliche Jugendarbeit ist hochaktuell und wichtig, denn wir nehmen zum Beispiel Flüchtlingskinder aufs Zeltlager mit. Es geht darum, interreligiös zusammenzuarbeiten und in Zukunft miteinander zu leben. Eine muslimische Mutter hat mal zu mir gesagt: "Eine christliche Kirche nimmt unsere Kinder mit. Das ist nicht selbstverständlich." Für uns schon, denn die christliche Tradition, das christliche Werteverhalten bedingt unser Zusammenleben. Und diese Offenheit geben wir weiter.

Auf der anderen Seite haben wir auf dem letzten Konvent den Jugendlichen einen biblischen "Escape Room" angeboten, in dem die Teilnehmenden ganz neue Seiten einer Geschichte aus der Bibel kennengelernt haben. Zudem haben wir Lasertag ausprobiert und im Anschluss über das Gewaltpotenzial diskutiert. Dabei kam heraus, dass die jungen Christen die Aktion als sportliche Herausforderung, also wie ein Geländespiel, bewertet haben. Man muss kirchliche Jugendarbeit einfach zeitgemäß gestalten.

Viele Jugendliche, mit denen Sie zusammen arbeiten, sind in der Pubertät. Wie schafft man das und welchen Tipp haben Sie an verzweifelte Eltern?

Mit Humor! Ich bewundere die Eltern, die ein pubertierendes Kind haben. Die haben das die ganze Zeit, im Gegensatz dazu sind sie bei mir nur ein paar Stunden oder Tage. Mein Ratschlag: Eltern sollen Eltern bleiben und keine Kumpels werden. Sie sollten ruhig Reibungsfläche bieten, denn das gehört zum Erwachsenwerden dazu. Ich würde aber auch gerne den Jugendlichen etwas sagen: Den Sinn des Lebens kann man sich nur selber geben. Wenn man sich zum Beispiel - wie ich damals - in einem Verband für eine Sache einbringt, sich engagiert, plant und organisiert.

Regelmäßig schlüpfen Sie in die Rolle der Clownin Schmucki Mucki und bringen Ihr Publikum zum Lachen. Waren Sie schon immer der Spaßvogel und warum finden Sie, dass der Clown in der Kirche nicht fehlen darf?

Humor habe ich schon immer gehabt. Vor ein paar Jahren habe ich mit der "Kunst des Stolperns" als Clown so richtig angefangen und in der Kirche ein Feld mit Humorpotenzial gefunden. Natürlich muss Kirche Trost spenden und soll in schwierigen Situationen begleiten. Aber es darf auch gelacht werden. Alles hat seine Zeit! Und in der Bibel heißt es: Jeder Mensch ist ein Ebenbild Gottes. Und wenn ich ein Geschöpf Gottes bin, wenn ich also in Gott bin, dann muss in ihm auch etwas Humorvolles sein.

Wo sehen Sie noch Mauern, die die Jugendarbeit einschränken, wo müsste sich noch etwas verändern?

Immer mehr Zeit wird den Jugendlichen durch die Schule genommen. Auch die Studierenden, die ihre Prüfungen in den Ferien schreiben müssen, spüren so permanent den Stress und Druck. Man muss wieder mehr Freiraum schaffen - und die Erwachsenen brauchen wieder mehr Mut und Gelassenheit, die jungen Menschen eigenständig machen zu lassen.

© SZ vom 10.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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