Im Umgang mit der AfD und ihren Anhängern:"Es wird Zeit, Flagge zu zeigen"

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Bildung, Begegnungen und Aufklärung sollen helfen, "rechte" Mitläufer von der Demokratie zu überzeugen

Von Thilo Schröder, Hallbergmoos

Was tun gegen Rechts? Das fragen sich die Grünen in Hallbergmoos. Etwa ein Dutzend Leute hat am Mittwoch in der Parkwirtschaft über Demokratiebildung an Schulen und Gesprächsforen für Bürger und Gemeindevertreter als Maßnahmen gegen rechtsextreme Gesinnungen in der Bevölkerung, die sich vor allem im ländlichen Raum ausbreiten, diskutiert. Neben dem Gemeinderat und Fraktionsvorsitzenden Robert Wäger sprechen Landtagskandidat Johannes Becher und Bezirkstagskandidatin Sabina Brosch. Der Schwerpunkt des Abends liegt nicht nur, aber auch bei der AfD. "Die sind in weiten Teilen rechtsextrem", sagt Johannes Becher, "da ist keine Diskussionsgrundlage". Zudem habe die Partei keine Inhalte. Anders sehe es dagegen bei den AfD-Wählern aus, darunter seien viele Protestler, die den sogenannten Altparteien eins auswischen wollten. "Mitläufer", so Wäger, "sind ja diejenigen, die wir erreichen können".

SPD und Grüne haben, um Rechtsextremismus zu bekämpfen, im Juli 2017 ein umfassendes Antragspaket im bayerischen Landtag vorgelegt, die CSU-Mehrheit lehnte es jedoch ab. Becher hebt daraus den Einbezug von Zivilgesellschaft und Kommunen hervor: Es müsse aufgeklärt werden darüber, wo "rechts" anfange und was in den sozialen Medien passiere. "Viele im Gemeinderat wissen gar nicht, was da los ist im Netz." Außerdem müsse es gebündelte demokratiebildende Maßnahmen von staatlicher Seite geben, momentan mache jeder sein eigenes Ding. Eine "Koordinierungsstelle Demokratie" sei dafür notwendig.

Ein weiterer Punkt: Demokratiebildung an Schulen. Den Schülern müsse Politik nähergebracht werden. "Was ist eigentlich Politik? Wie kann ich mich engagieren?" Und dabei gehe es nicht darum, das Wahlsystem auswendig zu lernen, sagt Becher. Außerhalb des Unterrichts müsse es Jugendbildungsstätten für die politische Bildung geben, über den ganzen Freistaat verteilt. In Jugendzentren könnte es Workshops zu der Thematik geben, mit dafür ausgebildeten Mitarbeitern, schlägt ein Mann vor. Für Opfer rechter Gewalt bedürfe es einer weiteren Anlauf- und Beratungsstelle, fährt Becher fort. Auf der anderen Seite müsse es eine Ausstiegsberatung geben für jene, die sich von der rechten Szene abwenden.

Welche konkreten Strategien man anwenden könne, will eine Besucherin wissen. "Bei Protestlern fehlt die persönliche Ansprache aus der Politik", so Becher. "Da reicht es nicht, Pressemitteilungen zu schreiben und Reden zu halten. Wir müssen raus, mit den Menschen reden und sie von der Demokratie überzeugen." Ein junger Offenburger, der für seinen Bundesfreiwilligendienst nach Hallbergmoos gezogen ist, berichtet von einem Format, das sich "Hausparlamente" nennt. Dabei lade man Leute ein, mit denen man sonst nicht am Tisch sitzen würde, diskutiere zu einem Thema, halte die Standpunkte fest und habe so eine gemeinsame Dialogbasis. Bezirkstagskandidatin Brosch gibt ihm recht: Man verliere in Zeiten der Digitalisierung sonst das direkte Gespräch. Man müsse Begegnungen schaffen, pflichtet Becher bei.

Sie erlebe das zum Beispiel bei der Tafel, erklärt Besucherin Martina Wilkowski. Die Leiterin der Nachbarschaftshilfe Hallbergmoos/Goldach erzählt von einem alteingesessenen Bayern, der zur Tafel komme und dort durch die Begegnung mit Geflüchteten "mittlerweile ein anderes Verhältnis zu diesen hat als jemand, der so eine Erfahrung nicht gemacht hat".

Auch die Presse sei "angreifbar geworden" in der schnellen Nachrichtenwelt, meint Wäger. Begriffe wie "Lügenpresse" zeigten das. Aber: "Der Trend kehrt sich langsam um", es gehe wieder mehr um Fakten. Und um eine klare Haltung, mahnt Becher. Eine Besucherin aus dem Ruhrpott, die seit fünf Jahren im Landkreis lebt, erzählt, sie müsse immer wieder Rückgrat beweisen, gerade wenn sie mit ältere Menschen spreche. "Aber ich bereue das nicht." Ihre Kinder sagten, dass ihnen die derzeitige Entwicklung Angst bereite. "Es wird Zeit, da anders Flagge zu zeigen." Das findet auch Bezirkstagskandidatin Brosch: Einen "Hättste was gesagt"-Moment, wolle man gar nicht erst erreichen.

© SZ vom 29.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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