Arbeitgeber verweigert Tarifverhandlungen:Beschäftigte des Hofbrauhauses im Warnstreik

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Die Beschäftigten des Hofbrauhauses Freising streiken für eine Lohnerhöhung, der Arbeitgeber will darüber nicht verhandeln. (Foto: Johannes Simon)

Das Unternehmen verweigert nicht nur Gespräche über Lohnerhöhungen, es hat auch alle Tarifverträge inklusive dem wichtigen Manteltarifvertrag zum Jahresende gekündigt und nennt das "unternehmerische Gestaltungsfreiheit".

Von Petra Schnirch, Freising

Etwa 30 Beschäftigte des Hofbrauhauses Freising sind am Mittwoch in einen achtstündigen Warnstreik getreten. Mit gelb-orangen Streikwesten und Trillerpfeifen protestierten sie am Vormittag an der Einfahrt zum Brauereigelände an der Mainburger Straße. "In der Produktion steht fast alles", bilanzierte Gewerkschaftsvertreter Manuel Halbmeier.

"Die Frühschicht fällt aus." Seit Monaten fordere die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) das Unternehmen zu Lohnverhandlungen auf, bisher ohne Erfolg. Halbmeier spricht von einem "Dreivierteljahr Hinhaltetaktik". Die Brauerei verweist unterdessen in einer Pressemitteilung auf die angespannte wirtschaftliche Lage des Unternehmens.

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Die Stimmung in der Belegschaft sei sehr schlecht, schilderten mehrere der Streikenden. Das Unternehmen verweigert offenkundig nicht nur Gespräche über Lohnerhöhungen, es hat auch alle Tarifverträge inklusive dem wichtigen Manteltarifvertrag zum Jahresende gekündigt. Der regelt unter anderem Urlaubstage, Weihnachts- und Urlaubsgeld und Arbeitszeiten.

Angesichts der hohen Inflation gehe es nicht, dass die rund 80 Beschäftigten des Hofbrauhauses keine Lohnerhöhung bekommen, kritisierte Maik Sedlmeier, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender und NGG-Kreisvorsitzender. Er befürchtet zudem, dass ohne Tarifvertrag künftig bei der Bezahlung ein Zwei-Klassen-System entstehen könnte. Die NGG Rosenheim-Oberbayern will mit dem Warnstreik gegen das "Grafen-Geiz-ist-geil-Prinzip", so der provokante Titel des Protesttags, nach eigenen Angaben erreichen, dass auch das Gräfliche Hofbrauhaus Freising den neuen Tarifabschluss für die bayerische Brauwirtschaft übernimmt.

Klare Botschaft: Die Belegschaft streikte, die Produktion stand still. (Foto: Johannes Simon)

Dieser sieht vor, dass die Beschäftigten jetzt gleich 285 Euro mehr bekommen und von Frühjahr an ein Lohn-Plus von 3,9 Prozent. Außerdem zahlen andere Brauereien laut Halbmeier die Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro in drei Tranchen aus. Das sei das Ziel auch für Freising.

Doch die Situation ist verfahren, in einer ausführlichen Pressemitteilung des Unternehmens heißt es, Inhaber, Geschäftsführung und Beirat sähen sich nicht in der Lage, die Forderungen zu erfüllen. Die Brauerei kämpft bereits seit Jahren mit wirtschaftlichen Problemen. "Durch die Corona-Krise und den Ukraine-Krieg befeuert, ist eine mit erheblichen Absatzverlusten verbundene und sich massiv in allen Bereichen des Unternehmens verschärfende Kostensituation eingetreten, die das Unternehmen in seinen existenziellen Grundfesten erschüttert", so Geschäftsführer Michael Metz. Er hat Anfang Juli die Geschäftsführung übernommen, nachdem sein Vorgänger Jürgen Charrois bereits Anfang des Jahres gehen musste.

Priorität habe für ihn, den im vergangenen Jahr durch den neuen Beirat eingeleiteten Konsolidierungskurs fortzusetzen, schreibt er weiter. Spätestens 2025 soll die Brauerei wieder schwarze Zahlen schreiben. Dies sei ein "forderndes Unterfangen", welches allen Beteiligten einiges abverlange. Neben "unabdingbaren Investitionen" gibt es laut Metz keinen Spielraum für zusätzliche Kostensteigerungen.

Die Streikversammlung war nicht zu übersehen. (Foto: Johannes Simon)

Es sei bereits viel Positives passiert, bilanziert der Geschäftsführer: Die Kunden akzeptierten das neue Preis- und Konditionenmodell, die "stringente Kernmarkenstrategie" stärke den Absatz in Handel und Gastronomie, "die Trendwende ist trotz schwieriger Marktverhältnisse in Sicht", so Metz. Den Ausstieg aus dem Manteltarifvertrag begründet er mit einer größeren Flexibilität und unternehmerischen Gestaltungsfreiheit. Alle Vereinbarungen für die zum Zeitpunkt der Kündigung Beschäftigten behielten ihre Gültigkeit.

Während Metz von "abstrusen Vorstellungen der Gewerkschaft" spricht, die existenzgefährdend für die Brauerei seien, fühlen sich viele Beschäftigte offenkundig nicht ausreichend respektiert, auch das zeigten die Gespräche am Mittwoch. "Mit den Leuten muss anders geredet werden", sagte Betriebsratsmitglied Maik Sedlmeier. Es gehe nicht an, dass sich ein Verantwortlicher hinstelle und sage, es gebe keinen Cent mehr, solange er da sei. Die Leute hätten das Gefühl, dass die Brauerei in den Keller gefahren werde.

"Wir fühlen uns nicht ernst genommen"

Brauerin Silvia Tromba schilderte, dass die Stimmung unter den Kollegen zunehmend schlechter werde. "Wir fühlen uns nicht ernst genommen." Ihr geht es nicht nur um eine Lohnerhöhung, sondern auch um die Tarifverträge. Die jetzigen Auszubildenden würden schon andere Arbeitsverträge bekommen. Und sie wünscht sich ehrliche Worte des Inhabers der Brauerei, Graf zu Toerring-Jettenbach. "Ich verstehe nicht, warum sich der Graf nicht selbst vor uns hinstellt und mit uns redet", sagte Tromba.

Als unter den Streikenden die Runde machte, dass die Unternehmensführung eine Pressemitteilung verschickt hat, nahm Manuel Halbmeier kurz das Mikrofon in die Hand. Die hohe Inflation sei für die Mitarbeitenden trotz allem vorhanden. Der Gewerkschaftler betonte, dass ein Verzicht der Arbeitnehmer noch kein einziges Unternehmen gerettet habe. Er geht davon aus, dass die Proteste weitergehen werden. Geschäftsführer Metz kritisierte den Warnstreik dagegen als "Beleg einer verfehlten populistischen Interessensvertretung". Halbmeier verwies darauf, dass die Tarifverhandlungen vor zwei Jahren sehr wohl zu einem Erfolg geführt hätten. Damals sei man bereit gewesen, "auf einen gewissen Teil" zu verzichten, weil man sich der schwierigen Lage bewusst gewesen sei.

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