Heimatgeschichten:Bilder vom Freisinger Soldaten-Alltag

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Training ist alles: Die Aufnahmen gewähren einen interessanten Einblick in das Kasernenleben vor über 100 Jahren und werfen einen Blick auf das alte Neustift. (Foto: Landratsamt)

Das Landratsamt startet auf seiner Webseite eine neue Serie zur Heimatgeschichte: Teil eins zeigt Fotografien aus dem Jahr 1900 - im ehemaligen Kloster Neustift hausten damals Kanoniere.

Von Peter Becker, Freising

"Heimatgeschichten - den Landkreis kennenlernen" heißt eine neue Serie, welche die Geschichte des Landkreises Freising in Erinnerung rufen will. Sie ist Ende Oktober unter www.kreis-fs.de auf der Homepage des Landratsamtes gestartet worden. Im monatlichen Rhythmus werden dort Beiträge zu finden sein. Kreisarchäologin Delia Hurka und Bernd Feiler, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Heimat- und Kulturpflege im Landratsamt, stellen in der neuen Serie Zeugnisse dieses kulturellen Reichtums vor: Los geht's mit Bildern aus der Zeit, als das heutige Landratsamt noch eine Kaserne war.

Den Mönchen im Kloster Neustift schwante nichts Gutes, als am 4. November 1802 kurfürstliche Beamte erschienen. Sie kündigten dem amtierenden Prior Adrianus Vogel die bevorstehende Aufhebung des Klosters an. So beschreibt Günther Lehrmann in seiner Chronik einer Vorstadtpfarrei jene schicksalhaften Tage. Die Boten forderten die Inventarisierung von Vermögen und Besitz. Das offizielle Ende des Klosters wurde am 23. April 1803 verkündet. Nachdem das Inventar von Freising nach München gebracht oder versteigert worden war, zogen Soldaten der Cheveaulegers in das Gebäude ein. Sie blieben dort bis zum 12. August 1905, dann wurde die neue Jägerkaserne auf dem Vimyberg eröffnet.

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(Foto: Landratsamt)

Die richtige Reithaltung übten die Soldaten im Brunnenhof auf einem Turngerät.

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(Foto: Landratsamt)

An den steilen Neustifter Hängen lernten die Soldaten, schwere Kanonengeschütze durch schwieriges Gelände zu transportieren.

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(Foto: Landratsamt)

Löschübungen gehörten zum Alltag in der Kaserne.

Nach dem missglückten Russlandfeldzug Napoleons 1812 hatte der bayerische König Max I. Joseph ein neues Heer zusammengestellt. In Neustift wurde das "Nationale Chevauleger-Regiment Prinz Carl von Bayern" einquartiert. Später zogen wohl Kanoniere ein. Denn Ende des 19. Jahrhunderts fotografierten Hauptmann J. Baumann und J. Wasum den Alltag der Soldaten in der Kaserne des Königlich Bayerischen Feldartillerie-Regiments "Prinzregent Luitpold". Aus diesem Fundus haben Delia Hurka und Bernd Feiler eine Auswahl zur Illustration herausgegriffen. Die Fotos wurden im Jahr 1900 unter dem Titel "Unsere Kanoniere" als Drucke bei den Vereinigten Kunstanstalten München veröffentlicht. "Die Aufnahmen gewähren einen interessanten Einblick vom Kasernenleben vor über 100 Jahren und werfen einen Blick auf das alte Neustift", kommentieren die Mitarbeiter des Landratsamts die Zusammenstellung.

Im Brunnenhof des Landratsamts übten die Soldaten auf einem "Pferd" die richtige Reithaltung. Gemeint ist dabei nicht etwa ein geduldiges Ross, sondern das Turngerät. Klimmzüge sollten die Kondition verbessern, das Balancieren auf einem Balken das Gleichgewicht trainieren. Weil Sportbekleidung damals noch unbekannt war, trugen die Soldaten dabei ihre Uniform. Der Waffengebrauch und die richtige Körperhaltung wurden auf dem Exerzierplatz geübt. Der öde Platz ist heutzutage wieder ein blühender Klostergarten. Das erlernte militärische Wissen durften die Soldaten bei Manövern unter realistischen Bedingungen zeigen. An den steilen Neustifter Hängen lernten sie, schwere Kanonengeschütze durch schwieriges Gelände zu transportieren. Das war kein leichtes Unterfangen, wenn die Soldaten dabei durch enge Gassen, wie etwa die Grottenau, ziehen mussten.

Der gemeine Soldat musste sich sein Essen selber kochen. Der Offizier speiste hingegen im Restaurant

Natürlich herrschte damals strikte Trennung von Mannschaften und Offiziersdienstgraden. Der gemeine Soldat musste sich in der Mannschaftsküche sein Essen selber kochen. Diese befand sich im Erdgeschoss des östlichen Flügels des Landratsamts. Die Offiziere speisten hingegen im Restaurant. Zum Kasernendasein gehörten Löschübungen, mit denen sich die Soldaten auf den Ernstfall vorbereiteten. Es gab eine Löschpumpe und Löscheimer. Eine Rettungsleiter und ein Schlauchwagen vervollständigten das Inventar.

Die Säkularisation hatte zwar dem Kloster Neustift ein Ende gesetzt, der tägliche Gottesdienstbesuch gehörte dennoch zum Kasernenalltag. In der Pfarrkirche Sankt Peter und Paul versammelten sich die Soldaten - auch dort wieder streng nach Dienstgraden getrennt. Der Platz im Chorgestühl gebührte den Offizieren und Unteroffizieren, während Kanoniere und Fahrer auf den Kirchenbänken Platz nehmen mussten. In den hintersten Reihen konnten auch die Neustifter an der Messe teilnehmen.

© SZ vom 02.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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