Wohnortnah einkaufen in Haag:Lebensqualität als Rendite

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Marianne Schwaiger an der Kasse bedient ihre Kunden gerne. (Foto: Marco Einfeldt)

Seit zehn Jahren behauptet sich der kleine Dorfladen in Haag gegen die großen Discounter. Den Erfolg des Projekts können die Bürgerinnen und Bürger selbst steuern. Sie müssen nur regelmäßig dort einkaufen.

Von Katharina Aurich, Haag

Seit zehn Jahren behauptet sich der kleine Haager Dorfladen am Dorfplatz nun schon gegen die großen Supermarktketten. Das Geschäft gehört den Bürgern, die mit ihrem wohnortnahen Einkauf nicht nur ihre Grundbedürfnisse befriedigen, sie schaffen damit auch einen Treffpunkt für alle. 2020 wurde der Dorfladen Haag bei der "Grünen Woche" in Berlin sogar als "Dorfladen des Jahres" ausgezeichnet. Der Dorfladen gehört den Bürgern. 238 Teilhaber haben 678 000 Euro in den Laden investiert. Weitere seien willkommen, betont der ehrenamtliche Geschäftsführer Udo Marin. Dieser finanzielle Einsatz bringe als Rendite Lebensqualität für alle.

Natürlich bekämen die großen Ketten im Einkauf aufgrund der sehr viel größeren Abnahmemengen bessere Preise als so ein kleiner Laden, berichtet Geschäftsführer Udo Marin. Aber auch im Dorfladen gebe es Sonderangebote und dazu noch vieles mehr: eine Poststelle, ein kleines Café, die Reinigungsannahme, den Apothekenservice, Backwaren, Wurst- und Fleischwaren, das Bio-Sortiment sowie Obst und Gemüse. Seit Kurzem wird auch ein Mittagstisch angeboten. Dem Dorfladen gehe es aber nicht nur darum, Gewinn zu machen. Er sei vielmehr ein Projekt von den Bürgern für die Bürger, betont der Haager Bürgermeister Anton Geier, der sich von Anfang an für das Projekt stark gemacht hatte.

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Der Laden funktioniert wirtschaftlich nur, weil die Geschäftsführer Udo Marin und Micky Dehner ehrenamtlich tätig sind, jeder monatlich rund 60 Stunden. Sie sind neben den Bestellungen auch für das Personalmanagement verantwortlich. 13 Angestellte arbeiten in Teilzeit und erhalten den Mindestlohn. Unterstützt werden sie von zahlreichen ehrenamtlichen Helfern, die immer dann einspringen, wenn beispielsweise helfende Hände beim Wareneinräumen gebraucht werden. Eine von ihnen ist Monika Ruhland. Sie gehört zu denjenigen, die die Idee hatten, einen Dorfladen zu gründen.

"Mir ist der Dorfladen total wichtig", sagt sie. Ihre Mutter hatte kein Auto und bekam nun durch den Dorfladen die Möglichkeit, eigenständig einzukaufen. Das sei gerade für ältere Bürger sehr wichtig, betont Monika Ruhland. Nachdem die Idee, einen Dorfladen zu gründen, entstanden war und durch den Kauf der Gemeinde des "Alten Wirts" am Dorfplatz auch die Räume dafür zur Verfügung standen, begannen die Planungen.

"Früher war hier ja eine Kegelbahn", erinnert sich Ruhland. Gemeinsam mit vielen Mitstreitern richtete sie den Laden ein, besorgte günstige Möbel für die Kaffeeecke, denn es sollte alles nicht viel kosten, erinnert sie sich. Ein kleiner Dorfladen am Bodensee diente als Vorlage für das Projekt in Haag, kleine Tische und gemütliche Stühle sollten auch die Haager Kunden zum Verweilen einladen. Sogar eine Büchertauschecke wurde noch installiert.

Der Haager Dorfladen. (Foto: Marco Einfeldt)

Besonders stolz sind die Dorfladenmacher auf ihr Bio-Sortiment, das sei ihnen von Anfang an wichtig gewesen, schildert Micky Dehner, die für den Einkauf der Bio-Waren zuständig ist. Aber auch die Regionalität des Angebots stehe für sie im Vordergrund, beschreiben die Kundinnen Erika Kaupe und Christa Schauer, zwei alt-eingesessene Haager Bürgerinnen, die sich das Dorf ohne den Laden nicht mehr vorstellen können. "Der Dorfladen bedeutet mir sehr viel, ich werde immer freundlich behandelt, mit Namen angesprochen" beschreibt Kaupe. Auch für die Mitarbeiter sei die ruhige und persönliche Atmosphäre in dem Laden ein großes Plus, schildert Marin. Natürlich seien die Aufgaben im Dorfladen auch abwechslungsreicher und anspruchsvoller. Man sitze nicht nur an der Kasse.

Die stillen Gesellschafter entscheiden in der jährlichen Versammlung über wichtige Investitionen, denn natürlich müssten auch immer wieder neue Geräte wie Tiefkühltruhen oder Kühltheken angeschafft werden. Zum Glück müsse für den Laden keine Miete bezahlt werden, da das Gebäude der Gemeinde gehöre. Im vergangenen Jahr sei es jedoch wirtschaftlich eng geworden, so Marin.

Mindestlohn und Energiekosten belasten den Etat

Denn der Mindestlohn sei erhöht worden und die Stromkosten seien enorm gestiegen. Diese Ausgaben konnten mit dem Gewinn, den der Laden abwarf, nicht mehr gestemmt werden. Daher wurde ein Aufruf gestartet, dass der Umsatz steigen müsse, damit das Geschäft Bestand haben könne. Inzwischen sei er zufriedenstellend, sagt Marin. Bürgermeister Anton Geier ergänzt, der Gewinn des Dorfladens sei eine Stärkung des sozialen Lebens in der Gemeinde, das könne man nicht in Euro und Cent messen. Damit der Dorfladen aber auch einmal sein 20-jähriges Bestehen feiern könne, müsse der Umsatz noch weiter steigen.

Am Samstag, 17. Juni, feiern die Haager Bürger von 15 Uhr an auf dem Dorfplatz den Geburtstag ihres Dorfladens mit Musik von "Apollons Smile" (ab 19 Uhr) sowie Speis und Trank.

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