Trinkwasserschutz:Wasser-Streit schlägt hohe Wellen

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Trinkwasser aus dem Hahn - das ist in Bayern eine Selbstverständlichkeit. Doch die Wasservorräte werden auch hierzulande knapper. (Foto: Florian Peljak)

Staatskanzlei-Chef Florian Herrmann greift Hörgertshausens Bürgermeister Michael Hobmaier nach dessen Kritik an der Staatsregierung scharf an - der fordert nun eine Entschuldigung. Mehrere Bürgermeister stellen sich hinter ihn.

Von Petra Schnirch, Freising

Einfach den Hahn aufdrehen, schon fließt sauberes Wasser. Hierzulande eine Selbstverständlichkeit. Nahezu alle Haushalte in Bayern sind an die öffentliche Trinkwasserversorgung angeschlossen. Doch in einigen Regionen wird das Grundwasser in heißen Sommern bereits knapp. Die Sorge um die lebenswichtige Ressource wächst und der Ton wird rauer - auch im Landkreis Freising. Im Fokus steht die Frage, wie das Grundwasser geschützt wird und wer Zugriff darauf hat. Michael Hobmaier, Bürgermeister (FW) und Vorsitzender des Wasserzweckverbands Hörgertshausen, fühlt sich nach Kritik an der Staatsregierung zu Unrecht von Staatsminister Florian Herrmann (CSU) attackiert und fordert nun eine Entschuldigung.

Anlässlich des Weltwassertags Ende März hatte sich Hobmaier besorgt gezeigt über mehrere von der Regierungskoalition geplante Änderungen zum Grundwasserschutz. So sollte es bei der Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms (LEP) künftig heißen: "Grundwasser soll insbesondere der Trinkwasserversorgung dienen." Bisher steht dort: bevorzugt. Für Hobmaier ein Schritt in die falsche Richtung, "mit Signalwirkung", wie er damals schrieb. In erster Linie müsse es um den Schutz des Trinkwassers für die Allgemeinheit gehen. Mit der neuen Formulierung würden "bestehende Anforderungen zum Vorteil privater beziehungsweise gewerblicher Interessen aufgeweicht", befürchtete Hobmaier. Davon profitiert hätten etwa Mineralwasserabfüller. Außerdem wollten die Regierungsfraktionen in die Schutzvorschriften für Wasserschutzgebiete und den Abbau von Rohstoffen eingreifen.

In seiner Kritik folgte Hobmaier in weiten Teilen der Argumentation mehrerer kommunaler Verbände, die sich in einem Brief an die Landtagsabgeordneten wandten. In einigen Formulierungen allerdings war er etwas direkter, etwa wenn er schreibt: "Wenn jedoch unsere Regierung bei keinem der Wasserversorger nachfragt und sich über die Probleme und Sorgen zur Wassergewinnung informiert, kann es zu Unstimmigkeiten kommen", so Hobmaier. Gerade die Brunnen in der Hallertau seien "durch die übermäßig landwirtschaftliche Nutzung sehr stark den Umweltbelastungen ausgeliefert und durch diese Anträge noch stärkerer Belastung preisgegeben", monierte der Vorsitzende des Wasserzweckverbands. Sein Fazit: "Wenn kommerzielle Betriebe Tiefengrundwasser fördern dürfen, aber die öffentlichen Wasserversorger nicht mehr, kann das nicht sein."

Vor den geplanten Änderungen beim Grundwasserschutz warnte Michael Hobmaier, Vorsitzender des Wasserzweckverbands Hörgertshausen, mit deutlichen Worten. (Foto: Marco Einfeldt)
Staatskanzlei-Chef Florian Herrmann griff Michael Hobmaier nach dessen Kritik scharf an. (Foto: Leonhard Simon/SZ Photo)

Unruhe unter den Kritikern der geplanten Neuerungen hatte vor allem die Begründung eines der drei Anträge ausgelöst. Dort hieß es: "Eine Priorisierung der Grundwassernutzung zur Trinkwasserversorgung ist gegenüber Nutzungen wie Freizeit und Bewässerung bei Knappheit geboten. Allerdings muss auch gesichert sein, dass für die Lebensmittel- und Getränkeherstellung dort Wasser in Trinkwasserqualität zur Verfügung steht, wo dies zwingend geboten ist." Was das bedeutet, sei nicht eindeutig definiert, warnten die Kommunalverbände.

Bei der Staatsregierung haben sie offenkundig einen Nerv getroffen. Der Ministerpräsident ruderte schnell zurück und stoppte die umstrittenen Änderungen. Staatskanzlei-Chef Florian Herrmann griff Hobmaier unterdessen in einer Stellungnahme, die auch zwei seiner CSU-Kreistagskollegen, Fraktionschef Manuel Mück und Fraktionsgeschäftsführer Gregor Wild, unterzeichnet hatten, scharf an. Er sprach von "hanebüchenem Unsinn", den "Herr Bürgermeister Michael Hobmaier" verbreite, "wenn er wild zusammenfantasierte Dinge" über Wasserschutz und Wasserversorgung zum Besten gebe und behaupte, die CSU wolle den Trinkwasserschutz aufweichen. "Das Gegenteil ist richtig."

Zu beachten sei aber, so Herrmann, dass "neben der unbestritten sehr wichtigen, leitungsgebundenen Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser" auch die Getränke- und Lebensmittelwirtschaft sowie die Bewässerung landwirtschaftlicher Kulturen dieser Grundversorgung diene. Gerade in Zeiten des Klimawandels und der knapperen Wasserressourcen gelte es, zahlreiche Zielkonflikte aufzulösen. "Plumpe Emotionalisierung und billige polemische Stimmungsmache durch frei erfundene Horrorszenarien im Stile Hobmaier" würden dem nicht gerecht, heißt es in dem Schreiben weiter. Sie seien "geradezu verantwortungslos", so Herrmann.

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Mit diesen harschen Worten brachten die CSU-Kreisräte wiederum Hobmaier und weitere Bürgermeister gegen sich auf, die flugs eine Pressekonferenz einberiefen und eine Entschuldigung Herrmanns forderten. Auch Tage danach reagiert Hobmaier noch sehr emotional. Seit 33 Jahren engagiere er sich im Wasserzweckverband, seit acht Jahren sei er Vorsitzender. "Ein bisschen kenn ich mich schon aus", sagt er - und werde als "Depp" hingestellt. Kritik mache ihm nichts aus, betont er, doch "der Ton macht die Musik". Er selbst habe niemanden angegriffen und werde so abgekanzelt. Die Wasserversorger im Landkreis stünden hinter ihm. Es gehe einfach nicht, einem so ins Gesicht zu schlagen - zumal von jemandem, "der auch Jurist ist".

Der Ton ist sehr giftig geworden, die Landtagswahl rückt näher

Es ist wohl dem Landtagswahlkampf geschuldet, dass der Ton so giftig geworden ist. Manuel Mück erklärt, er habe das Schreiben mit unterzeichnet, weil Hobmaier, der die Freien Wähler im Kreistag vertritt, "vergessen" habe zu erwähnen, dass die Freien Wähler die Änderungen im Landtag mittragen wollten. Hobmaier entgegnet, dass die Anträge von Seiten der CSU gekommen seien. Außerdem sei er kein Parteimitglied. Die Kritik habe er nicht als Kreisrat, sondern ausdrücklich als Zweckverbandsvorsitzender formuliert.

FW-Bezirksrat Rainer Schneider, der ebenso wie Neufahrns Bürgermeister Franz Heilmeier (Grüne) bei besagter Pressekonferenz dabei war, stellt sich hinter Hobmaier. Der persönliche Angriff gegen ein Kreistagsmitglied, "der in der Sache völlig daneben liegt", sei ungewöhnlich und habe ihn sehr bewegt, so Schneider. Er sei selbst 16 Jahre lang Vorsitzender des Wasserzweckverbands Freising-Süd gewesen. Deshalb sei es für ihn nicht neu, dass Wirtschaftsverbände versuchten, den Fuß in die Tür zu bekommen, "da ist viel Geld zu verdienen". Im Flughafenumland sei die Luftverschmutzung bereits ein großes Problem, es könne nicht sein, dass auch Wasser zum "Spielball wirtschaftlicher Interessen" werde. In seine Kritik schließt er auch die FW-Landtagsfraktion ein.

Franz Heilmeier spricht von einem Tabubruch

Franz Heilmeier übermittelt Hobmaier in seiner Funktion als stellvertretender Kreisvorsitzender des Gemeindetags die "Solidarität und Unterstützung" der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Landkreis. Er spricht von einer "sachlich völlig berechtigten Kritik". Als Vorsitzender des Zweckverbands sei es nicht nur Hobmaiers Recht, sondern "seine Pflicht, die mit dieser Aufweichung verbundenen Risiken deutlich zu machen". Für ihn hat Herrmann eindeutig eine Grenze überschritten: "Wenn ein Kollege daraufhin vom Leiter der Staatskanzlei so unsachlich angegriffen wird, dann ist es nicht nur ein Angriff auf ihn, sondern ein Angriff und ein Tabubruch gegenüber uns Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen des Landkreises insgesamt", sagt Heilmeier. Zufrieden zeigt er sich mit Söders Kehrtwende noch nicht. Den angekündigten runden Tisch und die Wasserstrategie nennt er "schwammige Begriffe", es bleibe eine "Portion Misstrauen".

Florian Herrmann äußert sich inzwischen deutlich zurückhaltender und betont, Wasser habe in Bayern höchste Priorität, "daran darf es keinen Zweifel geben". Mit der Rücknahme der Anträge "haben wir Spekulationen beendet, die - obwohl sachlich unzutreffend - den Schutzcharakter des Wassers in Frage hätten stellen können". Michael Hobmaier aber habe die geplanten Änderungen im LEP "sachlich falsch und völlig überspitzt dargestellt. Seine Unterstellung, die CSU würde mit dem LEP den Trinkwasserschutz aufweichen, war schlicht falsch". Darauf habe er "in aller Klarheit" hinweisen wollen.

Auch der Freisinger FW-Landtagsabgeordneter Benno Zierer betont, dass die umstrittenen Anträge keine nachteiligen Auswirkungen auf den Schutz des Trinkwassers oder Regelungen zur Wasserentnahme gehabt hätten. Ziel sei es gewesen, neben der leitungsgebundenen Versorgung mit Trinkwasser auch die Versorgung der Bevölkerung durch Getränke und lokale landwirtschaftliche Erzeugnisse langfristig zu sichern. "Wir haben unsere Anliegen offenbar nicht gut genug kommuniziert", so Zierer. Er habe in den vergangenen Tagen viele Gespräche vor allem mit Bürgermeistern geführt und versucht, die Wogen zu glätten. "Aber die Verunsicherung war sehr groß." Die Diskussionen werden weiter gehen.

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