Gemischte Gefühle:Posten in der Pause

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Nach Protesten von Eltern- und Lehrerverbänden stellt die Landtags-CSU im Bildungsausschuss eine Lockerung des Handyverbots an Schulen in Aussicht. Die SZ hat nachgefragt, was Lehrer und Eltern davon halten

Von Clara Lipkowski und Gudrun Regelein, Freising

Bayern ist das einzige Bundesland, in dem es ein Handyverbot an Schulen gibt. Aber nach Protesten von Eltern- und Lehrerverbänden stellt die Landtags-CSU im Bildungsausschuss eine Lockerung in Aussicht. Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) will sich im Frühjahr an einem Runden Tisch mit Eltern, Schülern und Lehrern austauschen. Auch in Freising ist das Gesetz umstritten. Katharina von Schumann, 18, die die Fachoberschule in Freising besucht, sieht in einer Lockerung Vor- und Nachteile. In höheren Klassen fände sie es gut, wenn das Handy zu festgelegten Zeiten, beispielsweise in den Pausen, benutzt werden dürfte. "Dann guckt man nicht während des Unterrichts." Bei jüngeren Schülern dagegen sollte der Umgang reguliert werden, denn sie seien permanent am Handy, "das ist schon extrem", meint sie. Die SZ Freising hörte sich an den Schulen der Stadt um.

Matthias Fischer. (Foto: Marco Einfeldt)

Matthias Fischer, Leiter der Berufsschule:

"Ich halte es nicht für notwendig, dieses Verbot aufzulockern. Denn es ist schon möglich, das Handy für Recherchezwecke im Unterricht zu benutzen. Ansonsten ist das für mich ein ambivalentes Thema. Es gab Fälle, in denen ein Schüler im Unterricht etwas illegal mitgeschnitten hat und es in sozialen Medien verbreitet hat. Das spricht für ein generelles Handyverbot. Bei uns darf man in den Pausen das Handy benutzen. Dass jemand es wegen übermäßigen Gebrauchs abgeben muss, kommt nur selten vor - vielleicht sind es jede Woche ein bis zwei Handys, und das bei 900 Schülern, die etwa täglich hier sind."

Renate Bruckmeier, Leiterin der Grund- und Mittelschule Neustift:

"Bei uns muss das Handy auf dem gesamten Gelände ausgeschaltet bleiben. Ansonsten wird es den Schülern abgenommen. Das passiert selten, aber wenn, dann ist es ein Drama - manche Schüler sind regelrecht süchtig. Grund für das strikte Verbot ist, dass wir früher krasse Probleme mit Cybermobbing und Beleidigungen in Whatsapp-Gruppen hatten. Ich finde es auch nicht zuviel verlangt, dass ein Handy einmal fünf Stunden lang nicht benutzt wird. Einzige Ausnahme ist der Gebrauch zu Recherchezwecken im Unterricht. Zwischen Freizeit und Schulbesuch sollte deutlich unterschieden werden. Ich bin ein absoluter Befürworter des Verbots."

Peter Spanrad, stellvertretender Leiter des Camerloher Gymnasiums:

"Bei uns auf dem Schulgelände gilt das Handyverbot. Dass ein Schüler aber schnell mal Zuhause anrufen darf, wenn beispielsweise eine Stunde ausfällt, ist klar. Ganz ehrlich: Bei mir schlagen bei dem Thema zwei Herzen in meiner Brust. Denn Kinder müssen darauf vorbereitet werden, sinnvoll mit diesem Medium zu arbeiten, das aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken ist. Das ist auch unser Erziehungsauftrag. Zum anderen muss man aber darauf achten, dass Jugendliche nicht zu Sklaven sozialer Medien werden. Das ist gerade bei jungen Schülern eine Herausforderung. Der totale Hype bei älteren Schülern in der Oberstufe ist übrigens im Abflauen - zumindest ist das meine Wahrnehmung."

Roswitha Stichlmeyr. (Foto: Marco Einfeldt)

Roswitha Stichlmeyr, Leiterin FOS/BOS:

"Grundsätzlich muss es während des Unterrichts ausbleiben: Es ist doch sehr wichtig, eine Zeit ohne Whatsapp, Instagram und Facebook zu haben. Ansonsten gehen wir an unserer Schule mit dem Verbot locker um. Das heißt, dass die Schüler während der Pausen ihr Handy benutzen dürfen. Eine Kontrolle wäre für die Pausenaufsicht auch gar nicht zu handeln. Ich fände eine Lockerung gut - zumindest für die Älteren. Bei uns halten sie sich aber zum großen Teil schon an die Regeln."

Christine Obermaier, Leiterin der Karl-Meichelbeck-Realschule:

"Bei uns darf man das Handy mit entsprechendem Auftrag benutzen. Einen Missbrauch generell will ich bei uns nicht ausschließen, bekannt sind mir derzeit aber keine Fälle. Alle Schulen in Bayern sind ja bis 2019 verpflichtet sind, ein Medienkonzept, das die Kinder im Umgang auch mit Smartphones schulen soll, zu erarbeiten. Das soll sich auch bei uns im Curriculum wiederfinden. Aber ob und wie das Gesetz geändert wird, das müssen wir erst einmal abwarten."

Andrea Thomas, Elternbeiratsvorsitzende des Camerloher Gymnasiums:

"Ich persönlich habe gemischte Gefühle gegenüber dem Handyverbot. Kinder sind viel zu viel am Handy, aber lebensfremd sollte eine Schule auch nicht sein. Sollte das Gesetz gelockert werden, brauchen wir ganz klare Regeln, an denen sich alle orientieren. Jüngere müssen sicher mehr lernen, mit dem Sog hin zum Handy umzugehen, Ältere können das schon besser.

Deswegen haben wir 2017 das Tutorensystem an unser Schule genutzt, in dem Schüler aus der 10. Klasse Fünftklässlern Do's und Don't's im Internet erklären und zum Beispiel eine Internetampel erarbeitet haben: Rot wäre, dass man ungefragt ein Foto von jemandem postet, der das vielleicht gar nicht will. Grün wäre, anderen einfach mitzuteilen, welche Hausaufgaben es gibt. Lehrer in Medienkompetenz zu schulen, finde ich schwierig. Ich denke, sie sind so weit, dass sie eingreifen können, wenn etwas schief läuft. Und eine Wissensgap zwischen Lehrer und Schüler gab es immer, damit grenzen Schüler sich ja bewusst ab. Das war auch schon so, als ich zur Schule ging und das ist eben heute auch noch so."

Hans-Joachim Röthlein, Schulpsychologe im Landkreis Freising:

Hans J. Röthlein. (Foto: Marco Einfeldt)

"Bei der Kommunikation per Smartphone in der Schule ist das Problem, dass viele Kinder ihren Lehrern zwar technisch überlegen sind, aber nicht darin, was die Wirkungen von Beleidigungen angeht, wenn sie schnell irgendetwas raushauen und damit jemanden fürchterlich verärgern. Dann heißt es, das sei ja nicht so gemeint gewesen. Da sind viele Kinder ziemlich blauäugig. Es fehlt die Face-to-Face-Kommunikation und die Interpretation von Gestik und Mimik. Dass die Kommunikation einen sozialen und emotionalen Bezug hat und einer kritischen Reflexion bedarf, das muss man Jugendlichen klar machen. Sonst geht das ethische Bewusstsein darüber verloren. Lehrer hingegen können solche Wirkungen besser einschätzen. Trotzdem müssen auch sie geschult werden, technisch etwa. Dafür gibt es aber auch medienaffine Berater, die Schulen zur Seite stehen.

Den Vorwurf, eine Schule mit Handyverbot sei lebensfremd, kann ich aber so nicht stehen lassen, denn die Schule will ja gar nicht zulassen, dass sich die Realität im Schulbetrieb abbildet. Die Realität ist ja, dass das Smartphone den Alltag beherrscht. Das will und kann eine Schule gar nicht vermitteln. Sie will die Schüler pädagogisch begleiten und ihnen den erzieherischen Aspekt der Schule für das spätere Leben in der Gesellschaft mitgeben.

Ich persönlich plädiere dafür, dass jede Schule für sich - Eltern, Lehrer und Schüler - ein Programm zum Handyumgang erarbeiten darf und es in die Schulordnung reinschreibt. Ganz verbieten kann man das Handy nicht, dafür wäre der Kontrollaufwand viel zu immens. Die größte Strafe für einen Jugendlichen ist ja heutzutage der Entzug des Smartphones. Das ist ja auch insofern grausam, weil er dann ja von seiner sozialen Lebenswelt abgeschnitten wird. Aber einen Raum zu schaffen, in dem die sozialen Medien nicht dominieren, dafür muss Platz sein."

© SZ vom 16.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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