Gemeindegrenze :Idylle in Gefahr

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In unmittelbarer Nähe des Dorfes Weißling bei Petershausen soll auf dem Gebiet der Nachbargemeinde Hohenkammer Kies in großem Stil abgebaut werden. Die Bürger befürchten Lärm und Lastwagenverkehr

Von Petra Schafflik, Petershausen

Vom Garten schweift der Blick über Wiesen hinüber zum Waldrand, ruhig und beschaulich lebt es sich in dem kleinen Dorf Weißling bei Petershausen. Doch mit der Idylle könnte es bald vorbei sein. Denn in nächster Nähe soll eine Kiesgrube entstehen. Die Bürger befürchten Lärm, Staub, Lkw-Verkehr und die Abholzung des Wäldchens. "Wir wohnen dann künftig direkt an der Abbruchkante", sorgt sich Anwohner Hartmut Kapusta. Das Gelände liegt in Sichtweite der Weißlinger, gehört aber zum Nachbarort Hohenkammer. Ein Antrag auf Vorbescheid zum Abbau von Kies und Sand auf einer Fläche von fünf Hektar läuft deshalb beim zuständigen Landratsamt Freising und steht offenbar kurz vor der Genehmigung. Parallel dazu ist Hohenkammer dabei, mit einer Änderung des Flächennutzungsplans den Kiesabbau zu regulieren. Wieder ist Weißling stark betroffen, die Kiesabbau-Flächen in Hohenkammer lägen alle recht nahe bei dem 161-Einwohner-Dorf. Die Weißlinger haben von all dem erst im Juli erfahren, als Petershausens Bürgermeister Marcel Fath (FW) beim Sommerfest darüber informierte. Der Rathauschef ist alles andere als erfreut darüber, was sich an seiner Gemeindegrenze abspielt. Der Bauausschuss der Gemeinde im Landkreis Dachau hat sich am mit dem geplanten Flächennutzungsplan Kiesabbau der Gemeinde Hohenkammer befasst. Man werde sinnvolle Rechtsmittel prüfen, kündigte Bürgermeister Fath an. "Ohne Gegenwehr wollen wir die Bürger in Weißling dem nicht überlassen", verspricht er.

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als wolle die Gemeinde Hohenkammer Kiesgruben fördern, aber die unangenehmen Nebeneffekte auf die Nachbarn abladen. Tatsächlich ist genau das Gegenteil der Fall, betont Bürgermeister Johann Stegmair (CSU). Denn der Antrag auf Vorbescheid, der im Landratsamt Freising liegt, datierte ursprünglich aus 2015 und sei damals vom Gemeinderat abgelehnt worden. In Hohenkammer gebe es seit den 1950er Jahren eine Kiesgrube, die immer wieder erweitert worden ist. "Eine reicht, wir wollen keine weitere." Auch Petershausen hatte damals Bedenken angemeldet, wie Bürgermeister Fath (FW) erklärt. Und das zuständige Freisinger Landratsamt verschickte dann einen Ablehnungsbescheid. Die Weißlinger Bürger hatten von all dem nichts erfahren, denn eine Bürgerbeteiligung sei in diesem Verfahren nicht vorgesehen, erklärt der Pressesprecher des Freisinger Landratsamts, Robert Stangl.

Erledigt war die Sache aber nur vorläufig. Denn 2017 habe der Eigentümer erneut mit Hinweis auf die Rechtslage und einschlägige Gerichtsurteile eine Abbau-Genehmigung beantragt, so Bürgermeister Stegmair. Denn der Kiesabbau ist privilegiert, ähnlich wie landwirtschaftliche Gebäude im Außenbereich. Hohenkammer habe sofort eine Veränderungssperre erwirkt und wolle nun mit dem Flächennutzungsplan Kiesabbau verhindern, dass die Gemeinde "durchlöchert wird wie ein Schweizer Käse". Doch die Veränderungssperre ist im Frühjahr abgelaufen und die Gemeinde habe nolens-volens ihr Einvernehmen erteilt zu der Abbaufläche nahe Weißling. "Nicht weil wir das toll finden, sondern weil es nicht anders geht", sagt Stegmair. Denn das Freisinger Landratsamt habe angekündigt, bei einer Ablehnung der Gemeinde die Zustimmung von Amts wegen zu ersetzen.

Die Sorgen der Weißlinger Nachbarn kann der Rathauschef gut verstehen. "Jetzt Mischwald, künftig eine Kiesgrube, da würde ich mich auch aufregen." Zumal der künftige Flächennutzungsplan Kiesabbau, der großzügige Abstandsflächen vorsieht, für den 2015 erstmals gestellten Antrag nicht gilt. Die Folge: Nach den Messungen der Anwohner läge die künftige Kiesgrube nur 146 Meter vom ersten Wohngebäude in Weißling entfernt. Im Flächennutzungsplan wären 400 Meter Vorschrift. Allerdings müssen stets Grenzwerte für Lärm und Staub nach dem Immissionsschutz eingehalten werden, es gelte das "Rücksichtnahme-Gebot", betont Pressesprecher Stangl. Eine Abbau-Genehmigung enthalte deshalb Hinweise zu den notwendigen Maßnahmen, um diese Grenzwerte einzuhalten. Zudem bedeute ein positiver Bescheid nicht, dass am nächsten Tag abgebaut werde. "Es geht erst einmal um einen Vorbescheid." Hinweise, die die betroffenen Bürger nicht beruhigen.

Dabei sorgt das Thema Kiesabbau aktuell nicht nur in Hohenkammer und Petershausen für Ärger, sondern auch anderswo in Bayern. So formiert sich in den Würmtal-Gemeinden massiver Widerstand gegen geplante Abholzungen im Planegger Forst, die Gemeinde Gräfelfing unterlag im Frühjahr vor dem Verwaltungsgericht und muss nun Kiesabbau auch im Landschaftsschutzgebiet dulden. Hintergrund der Konflikte ist ein wachsendes Interesse für Abbaurechte, denn der Bauboom in Bayern hat Sand und Kies wertvoll gemacht Diese Rohstoffe sind heiß begehrt. "Es geht um verdammt viel Geld. Kiesabbau ist das Goldschürfen von heute", sagt Petershausens Bürgermeister Marcel Fath. Dennoch werde Petershausen alle Optionen ausloten, sinnvolle Rechtsmittel prüfen und "ein klares Signal setzen", sagt Rathauschef Fath. "Auch wenn wir vielleicht nicht mehr machen können, als Auflagen zu fordern zum Schutz vor Immissionen."

© SZ vom 16.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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