Geflügel  im Landkreis Freising im Lockdown:Hennen dürfen nicht mehr rennen

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Das Veterinäramt hat für den Landkreis eine Stallpflicht verhängt. Freilauf-Hühner, die das überhaupt nicht gewohnt sind, müssen derzeit drinnen bleiben - und leiden.

Von Alexandra Vettori, Freising

Eigentlich sollten glückliche Hühner im Zentrum dieser erbaulichen Ostergeschichte stehen, doch auch in der Geflügelwelt herrscht gerade Seuchenalarm. Was das Federvieh plagt, heißt Geflügelpest, ist ein Influenza-Virus und hat auch sonst glückliche Hühner in den Stall-Lockdown verbannt. Deutschlandweit verhängen immer mehr Veterinärämter Stallpflicht, im Landkreis Freising gilt diese seit Anfang März. Einen nachgewiesenen Fall hat es zwar noch nicht gegeben, doch das Virus setzt seinen Zug von den norddeutschen Küsten gen Süden fort.

Gerade an Freilauf gewohnte Hühner leiden. Denn den Hennen ist sehr wohl klar, dass das Gras draußen immer grüner und die Würmer immer fetter werden. Dazu kommt die ungewohnte Enge, unter der vor allem rangniedere Tiere leiden.

Nicht nur im Landkreis Freising steigt der Bestand seit Jahren. Den größten Anteil haben die Legehennen, fast 66 000 waren es laut Landwirtschaftsamt im Vorjahr. Vor fünf Jahren lag man noch bei gut 55 000. Die meisten bayerischen Hennen, das nur der Vollständigkeit halber, dürfen ohnehin nie ins Freie. Laut Bayerischem Landesamt für Statistik wurden 2019, das ist die aktuellste Zahl, 62,5 Prozent der bayerischen Eier von Stall-Hühnern gelegt, 20,9 Prozent von Freiland-Hühnern, 15,2 Prozent von Tieren in Ökobetrieben und der Rest in Kleinst-Haltung.

"Nein, die glücklichen Hühner sind grad überhaupt nicht glücklich, und ich bin es auch nicht", sagt Christina Meidinger. Sie betreibt im Neufahrner Ortsteil Mintraching mit ihrem Mann einen Biohof, die 250 Legehennen sind seit einigen Jahren ein zweites Standbein. Extra mobile Ställe haben sie sich zugelegt, so wie viele Hühnerhalter. Denn damit kann man die Tiere verlegen und der Auslauf findet so auf immer neuem, frischem Boden statt. Genau das aber wird den Haltern jetzt mit der Stallpflicht zum Verhängnis: "Die Ställe sind nicht darauf ausgelegt, dass sich die Tiere darin 24 Stunden über Wochen aufhalten", erklärt Christina Meidinger.

Für die Tiere sei das "richtiger Stress". In einem ihrer drei Ställe sei es sogar schon zum "Federpicken" gekommen. Dabei werden rangniedrige Tiere solange von ranghöheren gepickt, bis sie bluten. Blutige Stellen aber animieren auch die anderen Hühner zum Picken. Der herbeigerufene Tierarzt riet Martina Meidinger, den Stall zu verdunkeln, so herrscht mehr Ruhe und die blutigen Stellen sind nicht so gut sichtbar. Auch haben die Meidingers Partyzelte vor den mobilen Käfigen aufgestellt, um ein bisschen mehr Platz zu schaffen, doch auch das befriedet die freiheitsgewohnten Hühner nicht wirklich. "Ich finde das Tierschutz-widrig", sagt Martina Meidinger.

Auch ihr Sonderprogramm zur "Bespaßung" hilft nur marginal. Dreimal am Tag bringt sie Spielzeug in Form von Ästen in die Ställe, es gibt Luzerne zum Aufpicken, altes Brot, Futterkarotten und jeden zweiten Tag gedämpfte Kartoffeln, sonst ein Leckerbissen. Das zweite große Problem, die Hygiene, verbessert das nicht. "Wo sich die Hennen und ihre Hinterlassenschaften sonst auf 2500 Quadratmeter verteilen, tun sie es jetzt im Stall", sagt Meidinger. So drohen Krankheiten und Wurmbefall. Was sie nicht versteht, ist, dass im Gegensatz zu früheren Geflügelpest-Zeiten diesmal vom Freisinger Veterinäramt nicht nur in Sperrbezirken, sondern für den ganzen Landkreis eine Stallpflicht verhängt worden ist. "Es gibt keinen nachgewiesenen Fall in Freising", betont die Bio-Landwirtin und verweist darauf, dass die Geflügelpestschutzverordnung eigentlich Sperrbezirke um befallene Höfe und Gewässer vorsieht. Schließlich wird die Geflügelpest fast immer von Wasservögeln übertragen. "Mir fehlt bei dieser Maßnahme die Schaden-Nutzen-Abwägung", moniert Meidinger.

Auch Irene Braun vom gleichnamigen Biohof im Freisinger Ortsteil Dürneck macht sich Sorgen um ihre 350 Hühner. Auch sie hat mobile Ställe, die aber waren von vornherein großzügig ausgelegt und haben Wintergärten. Dennoch sieht auch sie, "wie die Hennen scharren und unbedingt raus wollen". Und auch Irene Braun versucht, den Tieren mit Unterhaltung ihr Los zu erleichtern. "Es gibt Luzerne, da haben sie wenigstens was zum Picken." Sie habe auch schon von Betrieben gehört, erzählt die Landwirtin, die die Hälfte ihrer Hühner schlachten, damit die andere mehr Platz im Stall hat.

Seuchenschutz vor Tierschutz

Noch gibt es keine bayernweite Stallpflicht für Geflügel, doch immer mehr Veterinärämter in den Landkreisen schließen sich dem an. Eine richtige Entscheidung, sagt Nicola Hirsch, Fachabteilungsleiterin für Geflügel beim Tiergesundheitsdienst Bayern: "Seuchenschutz geht vor Tierschutz", so leid ihr das als Tierärztin tue. Hauptinfektionsquelle sei der Kot von Wildvögeln, vor allem von Wasservögeln, und die kämen jetzt mit dem Vogelflug nach Süden. Sie weiß zwar auch von einem Fall, in dem das Virus durch die von einem Betrieb in Nordrhein-Westfalen ausgelieferten und infizierten Junghennen verbreitet wurde, doch generell gelte: "Man kann das Unglück abwenden, indem man die Tiere einsperrt."

Sorge macht ihr noch ein weiteres Ungemach, das den Landwirten droht: Die geltende EU-Regelung zur Eiervermarktung sieht vor, dass Eier, die als Freilandeier verkauft werden, nur eine Übergangsfrist von 16 Wochen lang als solche gelten, wenn die Produzentinnen tatsächlich im Stall gehalten werden. "Dann dürfen sie nicht mehr als Freilandeier verkauft werden, sondern nur noch als Bodeneier." In den Landkreisen Passau und Rottal-Inn, wo im Dezember vergangenen Jahres eine infizierte Ente gefunden wurde, ist das jetzt schon der Fall.

Auf die Frage nach einem Ende verweist Nicola Hirsch auf den kommenden Sommer. Wie Corona mag das Geflügelpest-Virus Wärme und Trockenheit nicht. Und dann sagt die Tierärztin noch den Satz, den keiner mehr hören mag: "Ich kann das Unglück nachfühlen, das hilft aber nichts, da müssen wir durch."

© SZ vom 03.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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