Umweltgerechte Verkehrspolitik:"Eltern von Kindern denken anders"

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Er setzt sich für eine umweltgerechtere Verkehrspolitik ein und ist selbst viel mit dem Fahrrad unterwegs: Harald Heinrich auf einer seiner Touren. (Foto: privat)

Vor 25 Jahren war Harald Heinrich an der Gründung des Kreisverbandes des "Verkehrsclub Deutschland" beteiligt. Freising nennt er immer noch eine "weitgehend fahrradunfreundliche Stadt".

Interview von Jenny Schößler, Freising

Vor wenigen Tagen hat der Kreisverband Freising, Erding und Dachau des "Verkehrsclub Deutschland" (VCD) seinen 25. Geburtstag gefeiert. Dass es in dem vergangenen Vierteljahrhundert so einiges an Arbeit für den Kreisverband des "alternativen Automobilclubs" gegeben hat, steht außer Frage: In den 80er Jahren - der Hochzeit der grünen Umweltpolitik - gegründet, hat sich der Verein zu einer festen Instanz der kommunalen Politik entwickelt. Er hat sich zur Aufgabe gemacht, für eine umweltgerechtere und lebenswertere Verkehrspolitik zu kämpfen. Von Anfang an mit dabei war der stellvertretende Vorsitzende Harald Heinrich. Zufrieden blickt er im Gespräch mit der Freisinger SZ auf die vergangenen 25 Jahre zurück - und schaut optimistisch in die Zukunft.

SZ: Wann und wie kam es zur Gründung eines VCD-Kreisverbandes hier in Freising?

Heinrich: Relativ simpel: Da war grad unser Sohn geboren und wir waren mit dem Fahrrad in der Stadt unterwegs. Da sieht man alles plötzlich ganz anders, zum Beispiel dass es ein wirkliches Problem war, mit einem Kind durch die Stadt zu fahren. Meine Frau hat einen Brief an die Stadt geschrieben und darin alle Gefahrenpunkte für Fahrradfahrer und Fußgänger angesprochen. Das haben wir im Freundeskreis erzählt und bei der Aktion sind spontan um die 40 Leute eingestiegen. Irgendwo hatte ich schon immer den VCD im Hinterkopf, um mit ihm wirklich an vorderster Front dabei zu sein und mich in dem Themenfeld aktiv zu engagieren. Naja, wir haben dann Nägel mit Köpfen gemacht und schließlich einen Kreisverband gegründet.

Wie sieht die Arbeit des VCD genau aus?

Die aktuelle Arbeit steht auf vier Säulen. Zum einen die Infostände, dann gibt es die Mitarbeit in Gremien der Gemeinden und Städte, beispielsweise Planungsgruppen. Dann gibt es direkte Lobbyarbeit mit Vorschlägen an die Gemeinden, und das Vierte ist die Öffentlichkeitsarbeit in den Medien.

Die Grünen sind etwas früher entstanden als der VCD. Wird mit ihnen besonders zusammengearbeitet?

Nee, schon auch, aber eigentlich wird mit allen zusammengearbeitet. Quer durch alle Parteien. Außer mit der NPD.

Wie stark wurde in den vergangenen Jahren der VCD-Kreisverband hier in die Politik eingebunden?

Er bindet sich schon selber überall mit ein. Das ist sehr offen. Grundsätzlich ist der Verband sehr akzeptiert, auch wenn manche uns mitunter etwas dick haben, aber das gehört dazu.

Was waren die bisher größten Erfolge?

Auf jeden Fall die Gründung des "Stadtteilauto"-Vereins. Der stellt Autos in Moosburg und Freising schon seit 20 Jahren zur Verfügung. Dann die vorläufige Verhinderung der dritten Startbahn 2012. Und der wirklich zufriedenstellende Ausbau der Busverbindungen in Freising und Erding.

Gab es über die Jahre auch Rückschläge?

Im Bereich Radverkehr ist bisher leider wirklich wenig erreicht worden. Freising ist eigentlich eine weitgehend fahrradunfreundliche Stadt. Und dass die Westtangente gebaut wird, ist auch ein Rückschlag. Sie wird den Verkehr in der Stadt nicht entlasten, der wird zu 80 bis 90 Prozent bleiben.

Konnten Sie über die Jahre eher einen Zuwachs oder eine Abnahme an Mitgliedern verzeichnen?

Die Zahl stagniert. Bei allen Umweltverbänden gibt es aus wirtschaftlichen Gründen eher Tendenzen nach unten. Beim VCD bleibt sie jedoch gleich, was im Vergleich ein Erfolg ist.

Wie viele Mitglieder gibt es denn aktuell?

Zu hundert Prozent kann man das nie sagen, da man bei den Zahlen immer plus, minus eins rechnen muss. Aber ungefähr haben wir hier im Kreisverband 360 Mitglieder. Das sind aus Freising selber um die 200. Der Rest verteilt sich auf die Kreise Freising, Erding und Dachau.

Was veranlasst die Menschen, dem VCD beizutreten?

Eine Motivation ist sicher, dass der Verkehr für Kinder sicherer wird. Eltern von Kindern denken da anders und betrachten den Verkehr auch ganz anders. Aber es ist auch oft so, dass die Mitglieder lebenswertere Städte wollen. Vor allem, wenn es um Lärmbelästigung durch den Verkehr geht, der den Menschen den Schlaf raubt.

Wie ist die aktuelle Stimmung bezüglich der dritten Startbahn?

Die ist ganz optimistisch. Ich denke, dass bei einer erneuten Bürgerbefragung das Ergebnis wieder gegen eine dritte Startbahn ausfallen würde. Dabei geht es immer darum, wer zu den Abstimmungen geht, ob jetzt mehr der Befürworter oder mehr der Gegner mobilisiert werden können. Aber ganz ehrlich gesagt, die Startbahn braucht kein Mensch! Die Verbindungen sind hervorragend, da versteh ich nicht, warum man unbedingt eine dritte Bahn braucht.

Was sind die allgemeinen Hauptziele für die kommenden Jahre?

So was wie einen Fünf-Jahres-Plan machen wir nicht. Wir machen eher aktuelle, kleinere Pläne. Daher gibt es keine konkreten und festen Zukunftspläne oder ganz große Themen. Grundsätzlich wollen wir weiter am Ausbau des Bussystems arbeiten. Und natürlich endlich was für den Radverkehr tun und uns dafür mehr einsetzen.

Wenn Sie den VCD in einem Satz beschreiben müssten, welcher wäre das?

Menschen und umweltgerechte Mobilität. Der VCD ist kein Verhinderer, sondern kümmert sich um nachhaltigeres Leben. Primär geht's dabei immer um den Menschen - ich hab den Satz jetzt noch ein bisschen erklärt.

© SZ vom 23.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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